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EU-Urheberrechtsreform nimmt letzte Hürde

Der Rat der EU hat heute der umstrittenen Urheberrechtsreform zugestimmt. Damit hat das Gesetz den letzten formalen Akt passiert. Kritiker befürchten, dass Uploadfilter zur Durchsetzung des Gesetzes Realität werden und die Meinungsfreiheit dadurch beeinträchtigt wird.


Während Finnland, Italien, Luxemburg, Polen, die Niederlande und Schweden gegen den Richtlinienentwurf stimmten, hat Deutschland für die Urheberrechtsreform gestimmt, obwohl sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ausdrücklich gegen Uploadfilter ausgesprochen hatten. Belgien, Estland und Slowenien haben sich enthalten. Für eine Sperrminorität reichten die Gegenstimmen nicht aus.

Im März hatte bereits das EU-Parlament dem Entwurf grünes Licht gegeben. „Die Richtlinie soll sicherstellen, dass die seit langer Zeit bestehenden Rechte und Pflichten des Urheberrechts auch für das Internet gelten. Direkt betroffen sind Internet-Plattformen wie YouTube, Facebook und Google News“, heißt es von Seiten des Parlaments.

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Vor allem will die EU die Stellung von Rechteinhabern gegenüber den genannten Plattformen verbessern. Musiker und Interpreten sollen künftig in der Lage sein, bessere Vergütungen für die Verwendung ihrer Werke auf Youtube oder Facebook auszuhandeln. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen Nachrichtenverlagen und beispielsweise Google News.

Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie vor, dass Plattformen unter bestimmten Bedingungen direkt für die auf ihre Websites hochgeladenen Inhalte haften. Unter anderem müssen Betreiber künftig mögliche Urheberrechtsverstöße bereits vor Veröffentlichung der von Nutzern generierten Inhalte prüfen. Alternativ können sie Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern abschließen.

Kritiker befürchten, dass die Pflicht zur Vorabkontrolle die im Text der Richtlinie an keiner Stelle erwähnten Upload-Filter zur Folge hat. Entsprechende Techniken werden bereits beispielsweise von Youtube und anderen großen Plattformen genutzt. Kleinere Anbieter ohne eigene Filter müssten sich möglicherweise in teure Lizenzverträge mit Rechteanbietern flüchten, oder den großen Konkurrenten ein neues Geschäftsfeld eröffnen und deren Upload-Filter kaufen.

Auch das mit der neuen Richtlinie eingeführte Leistungsschutzrecht ist umstritten. Kostenlos dürfen demnach nur noch „einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge“ beispielsweise bei einer Nachrichtensuche auf Google News erscheinen. Was ein „sehr kurzer Auszug ist“, definiert die Richtlinie indes nicht. „Da das Teilen von Ausschnitten aus Nachrichtenartikeln explizit vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, wird sich auch in Zukunft hier nichts ändern“, schreibt nun das Parlament in seiner Pressemitteilung. „Die Vereinbarung enthält jedoch auch Bestimmungen, um Missbrauch durch Nachrichtenaggregatoren zu vermeiden. Artikel können in sehr kurzer Form also auch weiterhin in Google News oder Facebook verlinkt und angezeigt werden.“

„Mit der Entscheidung verliert die EU ihren Status als Vorreiterin der Meinungsfreiheit“, kommentiert Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Bitkom. „Wer im eigenen Land jeden Inhalt vor dem Hochladen ins Internet prüfen und im Zweifelsfall blockieren lässt, der macht sich im weltweiten Kampf für die Freiheit der Meinung und auch der Kunst unglaubwürdig. Gleichzeitig erschwert es die Richtlinie jungen europäischen Unternehmen, zu großen Plattformen zu wachsen. Nun gilt es in Deutschland Wort zu halten und Upload-Filter zumindest bei uns tatsächlich auszuschließen. Positiv an der Reform ist allein, dass ein Text-und-Data-Mining nun auch für die Wirtschaft möglich ist. Damit ergeben sich neue Wege für Innovationen der Künstlichen Intelligenz.“

„Heute ist ein schwarzer Tag für das freie Internet und die europäische Demokratie“, kommentiert der Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl Patrick Breyer die heutige Annahme der EU-Urheberrechtsreform.

„Mit der Einführung von Uploadfilter-Zensurmaschinen im Profitinteresse der Contentindustrie haben CDU, CSU und SPD nicht nur digitale Meinungsfreiheit und Internetkultur auf dem Gewissen. Sie haben auch das Vertrauen einer ganzen Generation junger Menschen in die europäische Demokratie verspielt.

Die Netzgemeinde musste die Erfahrung machen, von inkompetenten, lobbyhörigen Politikern nicht ernst genommen und diffamiert zu werden, während im Hinterzimmer ein sachfremder Kuhhandel mit Frankreich geschlossen wurde.“

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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