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Google-Mitarbeiter protestieren gegen zensierte Suchmaschine für China

Das Projekt Dragonfly, mit dem Google offenbar eine zensierte Version seiner Suchmaschine für China entwickelt, löst zunehmend Unruhe aus. Rund 1400 Mitarbeiter haben einen über Googles interne Kommunikationssysteme verbreiteten Protestbrief unterzeichnet, der mehr Transparenz und die Einhaltung moralischer Prinzipien anmahnt.

„Wir benötigen dringend mehr Transparenz, einen Sitz am Tisch, und ein Engagement für klare und offene Verfahren“, heißt es in dem Schreiben. „Googles Mitarbeiter müssen wissen, was wir schaffen.“ Die Rede ist außerdem von einer Gelber-Code-Situation. In der Softwareentwicklung bezieht sich das auf kritische Probleme, die verschiedene Teams zugleich betreffen. „Derzeit haben wir nicht die notwendigen Informationen, um informierte ethische Entscheidungen über unsere Arbeit, unsere Projekte und unsere Beschäftigung treffen zu können“, heißt es weiterhin.

Die Mitarbeiter reagieren damit auf einen Bericht vom Anfang dieses Monats, nach dem Google den erneuten Start einer Suchmaschine in China erwägt und das bereits seit Frühling 2017 vorbereitet. Eine mobile Such-App für Android soll bereits der chinesischen Regierung vorgelegt worden sein und könnte, falls die Behörden des Landes zustimmen, in sechs bis neun Monaten ausgerollt werden. In das Projekt eingeweiht wurden jedoch nur eine kleine Zahl von Entwicklern und Managern. Offiziell will Google nicht zu Dragonfly oder „Spekulationen über zukünftige Pläne“ Stellung nehmen.

Auch deshalb wurde Google-CEO Sundar Pichai bei einer wöchentlichen Mitarbeiterversammlung wegen Dragonfly mit Fragen bedrängt. Viele wollten wissen, ob Google seinen moralischen Kompass verloren habe. Andere Fragen zielten auf die speziellen Informationen, deren Zensur die chinesische Regierung verlangt, wie etwa Daten zur Luftverschmutzung. Pichai äußerte sich zurückhaltend, wie die New York Times berichtet. „Wenn wir unseren Auftrag gut ausführen wollen, dann müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, wie wir mehr in China unternehmen können“, sagte er. Google sei aber „nicht kurz vor dem Start eines Suchprodukts in China“.

Google hatte 2010 entschieden, die Zensurregeln der Volksrepublik nicht umzusetzen. Die internationale Version seiner Suchmaschine wird seitdem von Chinas „großer Firewall“ blockiert. Einen Suchdienst in chinesischer Sprache bietet Google seitdem von Hongkong aus an. Forschung und Entwicklung sowie ein Vertriebsbüro verblieben jedoch in China. Das Land blockiert aber nicht nur die Google-Suche, sondern auch Dienste wie Gmail und den Android-App-Store Google Play. Damit stehen vor allem Angebote, die für einen großen Teil von Googles Einnahmen verantwortlich sind, nicht in China zur Verfügung – einem der wohl größten und wichtigsten Märkte weltweit für Internetdienste.

Die Google-Mitarbeiter legen jetzt in ihrem Brief nahe, dass die Dragonfly-Initiative einen internen moralischen Code Googles zur künstlichen Intelligenz verletzt. Dieser besagt, dass das Unternehmen keine Technologien schaffen oder einsetzen wird, „deren Zweck weithin akzeptierten Prinzipien des internationalen Rechts und der Menschenrechte widerspricht“.

ZDNet.de Redaktion

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