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EU-Parlament lehnt Urheberrechtsreform ab

Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben den Vorschlag des Rechtsausschusses zur Aufnahme von Verhandlungen zur Reform des Urheberrechts für das digitale Zeitalter abgelehnt. Mit 318 Stimmen gegen 278, bei 31 Enthaltungen, sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, das vom Rechtsausschuss am 20. Juni vorgeschlagene Verhandlungsmandat abzulehnen. Daher wird der Standpunkt des Parlaments nun auf der nächsten Plenartagung im September diskutiert, abgeändert und abgestimmt.

Der Berichterstatter Axel Voss (EVP, DE) sagte nach der Abstimmung: „Ich bedauere, dass die Mehrheit der Abgeordneten den Standpunkt, den ich und der Rechtsausschuss vertreten haben, nicht unterstützt hat. Aber das ist Teil des demokratischen Prozesses. Wir werden nun im September auf die Angelegenheit zurückkommen, um weitere Überlegungen anzustellen und zu versuchen, den Anliegen der Bürger Rechnung zu tragen und gleichzeitig unsere Urheberrechtsbestimmungen an die moderne digitale Umgebung anzupassen.“

Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments sieht vor, dass, wenn mindestens 10 Prozent der Abgeordneten (76) die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat auf der Grundlage des im Ausschuss verabschiedeten Textes ablehnen, eine Abstimmung im Plenum stattfindet. Bis zum Ablauf der Frist am Dienstag um Mitternacht hatte die erforderliche Anzahl von Abgeordneten Einspruch eingelegt.

Der Bundesverband Deutsche Startups (Startup-Verband) begrüßt hingegen die Entscheidung des Europäischen Parlaments, gegen den Entwurf zur EU-Urheberrechtsreform gestimmt zu haben. Ein breites Bündnis aus Wirtschaftsverbänden, Journalisten, Kreativen- und Künstlervereinigungen, Wissenschaftlern, Rechtsexperten, Netzaktivisten und insbesondere europäische Startups, an dem sich auch der Startup-Verband beteiligt hat, hatten zuvor eindringlich davor gewarnt den Entwurf anzunehmen. Insbesondere die im Entwurf enthaltenen Regelungen für Uploadfilter, ein europäisches Leistungsschutzrecht und das Verbot von Text- and Data- Mining für kommerzielle Nutzungen standen in der Kritik. Diese Regelungen hätten innovative, datengetriebene Geschäftsmodelle in Europa unmöglich gemacht.

Für Rechtsanmalt Solmecke dient der bisherige Entwurf lediglich dazu, großen Medienhäuser zu mehr Umsatz zu verhelfen. Viele Regelungen seien schwammig formuliert und würden das Recht auf freie Meinungsäußerungen einschränken.

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Streitfall: Artikel 11 und Artikel 13

Im Wesentlichen ging es um zwei Artikel des Entwurfs, über die seit Monaten gestritten wird. In Artikel 13 geht es um die Überprüfungspflicht von Online-Portalen wie Youtube oder Flickr, die vorab überprüfen sollen, ob Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen. Technisch betrachtet läuft das auf sogenannte Upload-Filter hinaus.

Umstritten ist außerdem Artikel 11, der ein europäisches Leistungsschutzrecht einführt. News-Aggregatoren wie Google News dürften künftig nicht mehr Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten auf ihren Seiten anzeigen. Sie sollen vielmehr die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen. Damit erhoffen sich die Verlage neue Einnahmen. In Deutschland müssen Verlage heute bereits der Verwendung von Überschrift und Vorspann durch Google News zustimmen. Geld dafür erhalten sie dafür aber nicht.

Auch der eco-Verband begrüßt die heutige Parlamentsentscheidung. Laut Oliver Süme, eco-Vorstandsvorsitzender, hätte die Umsetzung der vorliegenden Fassung zur Reform des Urheberrechts einen massiven Eingriff in die technische Grundstruktur des Internets bedeutet und einen Paradigmenwechsel in der Haftung – weg vom Prinzip ‚Notice And Action‘, hin zu einer Vorabkontrolle und Zensurinfrastruktur.

Bisher gilt das sogenannte Provider-Privileg der E-Commerce Richtlinie: Dabei handelt es sich jedoch nicht – wie öfter fälschlich argumentiert wird – um einen Haftungsfreibrief, wenn Betreiber erst gegen illegale Inhalte vorgehen müssen, nachdem sie davon Kenntnis erlangt haben. Vielmehr verhindert es, dass Plattformen zur Privatjustiz gemacht werden. „Die Aushöhlung des Providerprivilegs wäre in seiner Konsequenz ein direkter Angriff auf die Meinungsfreiheit aller“, mahnt der Verband der Internetwirtschaft.

Heftige Kritik an der Urheberrechtsreform kam nicht nur von Seiten der Internetwirtschaft: In einem Offenen Brief an den Europaabgeordneten Axel Voss warnten eco und mehr als 50 weitere Institutionen bereits am 24. April vor der Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Verlage und Nachrichtenagenturen. Selbst der „Vater des World Wide Webs“, Tim Berners-Lee, warnte davor, dass das Internet zu einem „Werkzeug der Überwachung und Kontrolle“ würde. Kritische Stimmen kamen auch vermehrt aus der Politik – zuletzt formulierten auch Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) und der CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek ihre Kritik offen. Gemeinsam unterschrieben sie am vergangenen Freitag zusammen mit Netzpolitikern von SPD und FDP einen offenen Brief an die deutschen Europaabgeordneten, in dem sie die Abgeordneten auffordern, gegen Leistungsschutzrecht und Uploadfilter zu stimmen.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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