Facebook: Wir haben zu langsam auf die Krise reagiert

Die Chefetage von Facebook übt sich nach den anhaltenden Datenskandalen in Mea Culpa. CEO Mark Zuckerberg und COO Sheryl Sandberg absolvierten nach anfänglichem Schweigen einen Interview-Marathon, bekannten lautstark ihre persönliche Schuld und versprachen, in Zukunft alles besser zu machen. Den Gedanken an einen Rücktritt wiesen beide zugleich weit von sich.

Sheryl Sandberg, als Chief Operating Officer seit zehn Jahren für das Tagesgeschäft verantwortlich und Zuckerbergs rechte Hand, sprach gegenüber der Financial Times von eigenen Fehlern und räumte ein, dass das Unternehmen nach dem Vorfall um Cambridge Analytica zu langsam reagiert hatte. „Bis heute wissen wir nicht, was Cambridge Analytica an Daten hat“, sagte sie. Facebook sei „unterinvestiert“ gewesen hinsichtlich Sicherheit im Social Network – und sie selbst dafür verantwortlich. Als künftige Herangehensweise hingegen sollen potentielle Gefährdungen ermittelt werden, bevor sie sich auswirken.

Die bisher angekündigten und umgesetzten Maßnahmen sind laut Sandberg „die ersten von vielen Updates … Wir sehen uns umfassend an, wie Facebook-Daten genutzt werden.“ Sie versprach auch, dass das Soziale Netzwerk die Vorgaben der europäischen Datenschutz-Grundverordnung erfüllt, die am 25. Mai 2018 gültig wird. Deren Regularien zum Schutz der Privatsphäre sollen außerdem auch Nutzern außerhalb Europas zugutekommen – wenn auch die Formulierungen dazu anders ausfallen könnten. „Europa hatte hier einen Vorsprung“, sagte die Facebook-Managerin.

Gegenüber dem TV-Sender NBC schien Sheryl Sandberg außerdem die Alternative eines werbefreien, aber kostenpflichtigen Facebook anzudeuten. Sie erklärte, es gebe deshalb keinen Opt-out-Button für Nutzer, die ihre Profildaten nicht für Inserenten freigeben wollen, weil es sich dann um ein „bezahltes Produkt“ handle. Nach dem Interview stellte Facebook jedoch klar, Sandberg habe nur rein hypothetisch von einem Bezahlmodell gesprochen.

Äußerst reumütig gab sich auch Mark Zuckerberg in einer knapp einstündigen Pressekonferenz. Als „zu leichtfertig“ bedauerte er seine frühere Äußerung, mit der er noch als „verrückt“ abgetan hatte, über Facebook verbreitete Fake News hätten sich auf die Präsidentschaftswahlen in den USA auswirken können.

Ein Journalist sprach Zuckerberg auf die Initiative #DeleteFacebook an, die zur Löschung von Facebook-Konten auffordert. Laut Facebook-Chef hat sich das jedoch nicht auf die Nutzung der Plattform oder ihre Werbeeinnahmen ausgewirkt: „Ich glaube nicht, dass es irgendeine bedeutende Wirkung gab, die wir beobachten konnten … aber es ist natürlich nicht gut.“

Facebook kann sich auch in Deutschland darauf verlassen, dass nicht übermäßig viele Nutzer von der Fahne gehen, wie eine von der ARD beauftragte Umfrage ergab. Demnach sind 59 Prozent ohnehin nicht beim Social Network aktiv. Facebook unverändert weiter nutzen wollen 27 Prozent. Es weniger zu nutzen, haben sich 12 Prozent der Befragten vorgenommen. Nur 2 Prozent haben sich nach dem Datenskandal von Facebook verabschiedet.

Das bedeutet aber keineswegs, dass die Facebook-Nutzer Vertrauen in den Umgang mit ihren persönlichen Daten haben. Gar kein Vertrauen bekundeten in der von Infratest Dimap durchgeführten Umfrage 32 Prozent der Nutzer, wenig Vertrauen 56 Prozent. „Groß“ war das Vertrauen immerhin bei 10 Prozent der Befragten – „sehr groß“ kam jedoch nicht über 0 Prozent hinaus.

[mit Material von Larry Dignan, ZDNet.com]

ZDNet.de Redaktion

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