Italien definiert Rechtekatalog fürs Internet

Er stammt von einem überparteilichen Komitee, muss aber noch vom Parlament verabschiedet werden. Unter anderem umfasst er Netzneutralität, Selbstbestimmung und Anonymität. Kritiker bemängeln das Fehlen von Verschlüsselung.

Das italienische Parlament hat – gerade noch innerhalb der selbst gesetzten Frist von einem Jahr – einen Internet-Rechtekatalog zusammengestellt. Die „Dichiarazione dei diritti in Internet“ kommt von einem Komitee, dem Politiker aller Parteien, die Präsidentin des Abgeordnetenhauses Laura Boldrini und Juraprofessor Stefano Rodotà angehörten. Das Dokument wurde auch in englischer Sprache als „Declaration of Internet Rights“ (PDF) veröffentlicht.

Nach Publikation eines ersten Entwurfs im Oktober 2014 hatte sich die Öffentlichkeit einbringen können. Innerhalb von vier Monaten wurde aber nur 14.000-mal auf das Dokument zugegriffen. 590 Kommentare gingen ein, wie Boldrini resümierte. Dies mag sich zum Teil dadurch erklären, dass fast ein Drittel der italienischen Bevölkerung noch nie auf das Internet zugegriffen hat. Die Mehrzahl der Einwände ging der Kommission zufolge von Fachleuten aus – Sicherheitsexperten, Juristen, aber auch Telekommunikationsfirmen.

Logo der Parlamentskommission (Bild: Italienisches Parlament, camera.it)Besonders umstritten war dabei eine Formulierung zum Gebot der Netzneutralität. Im ersten Entwurf hatte es noch geheißen, Netzneutralität sei eine Bedingung für Innovationen. In der finalen Version heißt es nur noch, das Recht auf neutralen Internetzugang sei eine Bedingung für die Ausübung anderer Grundrechte (Artikel 4.1).

Das Dokument verankert Internetzugriff als Grundrecht. Das schließt auch Datenschutz (Artikel 5) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 6) ein. Artikel 9 schreibt zudem ein Recht auf die eigenen Online-Identitäten fest. Ursprünglich war hier von „der“ Online-Identität die Rede gewesen. Im Laufe des öffentlichen Revisionsprozesses kam man zu der Einsicht, dass auch mehrere Online-Identitäten legitim sind, wie Juan Carlos De Martin von der Universität Turin schildert.

Das Dokument kommt zwar von einem Parlamentskomitee, wurde aber noch nicht vom Parlament verabschiedet. Vorerst handelt es sich also noch um eine Absichtserklärung.

Internet-Rechtekatalog (Bild: camera.it)Kritiker bemängeln, dass der Entwurf aus Italien nicht ausdrücklich das Recht auf Meinungsfreiheit einbezieht. Auch werde kein Recht auf Verschlüsselung eingeräumt. Für die Verfasser hingegen fällt Verschlüsselung unter eine allgemeiner gehaltene Klausel, die Wahrung der Anonymität mit technischen Mitteln einräumt. Die World Wide Web Foundation lobt das Dokument grundsätzlich, hält aber etwa Formulierungen zur Datenspeicherung für zu unscharf. Im November wird Komiteemitglied Rodotà darüber noch mit WWW-Erfinder Tim Berners-Lee auf dem Internet Governance Forum in Brasilien diskutieren.

Brasilien hatte selbst 2014 das wegweisende „Marco Civil da Internet“ verabschiedet. Und in Finnland, das Breitbandzugang schon 2010 zum Grundrecht erhob, trat zu Jahresbeginn ein neues Gesetz mit dem englischen Namen Information Society Code in Kraft. Als weit gesteckter gesetzlicher Rahmen ersetzt es alle bisherige nationale Gesetzgebung zur elektronischen Datenübertragung und verfolgt vier Ziele: Vereinfachung, besseren Schutz für Endanwender, Erleichterung einer Datengesellschaft und Schaffung gleichberechtigter Telekommunikationsmärkte. Auch in Ecuador, Estland, Frankreich, Griechenland und Spanien ist Internetzugang ein Grundrecht.

[mit Material von Federico Guerrini, ZDNet.com]

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