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Deutsche Autobauer erwerben offenbar Nokias Kartendienst Here

Angeblich verkauft Nokia seine Kartensparte Here für 2,5 Milliarden Euro an ein aus Daimler, BMW und Audi bestehendes Konsortium. Das berichtet jedenfalls das Manager-Magazin. Ein Sprecher des finnischen Unternehmens wollte die Meldung auf Anfrage der ZDNet-Schwestersite ITespresso nicht kommentieren. Er verwies lediglich darauf, dass eine offizielle Ankündigung zur Zukunft von Nokia Here noch auf sich warten ließe.

Here True Car in Berlin (Bild: Nokia)

Bereits Mitte Juni hieß es, Nokia sei grundsätzlich nicht abgeneigt, die Sparte an das erwähnte Konsortium aus deutschen Autoherstellern zu verkaufen, wolle dafür jedoch einen höheren Betrag erhalten, als diese bereit waren zu zahlen. Laut einem Bericht von Bloomberg hätte Nokia am liebsten 4 Milliarden Dollar bekommen. Die Sparte wurde in der letzten Konzernbilanz jedoch mit lediglich 2 Milliarden Euro bewertet.

Nokia hatte ebenfalls schon Mitte Juni angekündigt, seine Entscheidung darüber in den nächsten Tagen bekannt zu geben. Allerdings hatte CEO Rajeev Suri bereits Ende Mai angedeutet, dass man gegebenenfalls auch komplett auf den Verkauf verzichten könnte. Unklar bleibt hierbei allerdings, ob die Aussage ernst gemeint war, oder ob man damit lediglich Druck auf die Bieter ausüben wollte.

Neben Audi, BMW und Daimler soll auch ein Zusammenschluss aus der chinesischen Tencent Holdings, Navinfo sowie einem schwedischen Investor in den Bietwettbewerb um Nokia Here eingestiegen sein. Zudem wurde kolportiert, dass Microsoft, gemeinsam mit drei US-Investoren, ebenfalls an dem Bereich interessiert gewesen sein soll. Darüber hinaus war Uber als weiterer potenzieller Käufer offenbar ebenso interessiert wie der chinesische Webkonzern Baidu.

Nokia will mithilfe solcher HD-Karten eine wichtige Grundlage für autonome Fahrzeuge schaffen (Bild: Nokia).

Nokia Here besitzt aktuelles Kartenmaterial zu 196 Ländern und Verkehrsinformationen zu 41 Ländern. Letztere verwenden unter anderem Amazon, Garmin und Oracle. Außerdem kommt das Kartenmaterial in zahlreichen Fahrzeugen in deren ab Werk integrierten Navigationssystemen zum Einsatz. Insbesondere deutsche Autohersteller haben in der Vergangenheit Gebrauch davon gemacht.

Ein noch junger Nokia-Bereich ist die Erfassung von Straßen für autonome Autos. Wie das Unternehmen gestern bekannt gegeben hat, wurde bei Detroit ein etwa 80.000 Quadratkilometer großes Areal kartographiert, das eigens für Pilottests von hochautomatisierten Fahrzeugen und Systemen angelegt wurde. In Deutschland wurde die A9 zwischen der Anschlussstelle Holledau und München Nord erfasst. Auch 400 Straßenkilometer seien bei Detroit mit der HD-Technologie von Here aufgezeichnet worden, weitere Strecken rund um San Francisco. Überdies wurden Pläne angekündigt, den Tomei Expressway bei Tokio hochauflösend zu erfassen.

Nokia hatte seinen Kartendienst Here nach der Übernahme von Navteq gegründet. Die Übernahme 2007 kostete die Finnen 8,1 Milliarden US-Dollar. Fachleute gehen davon aus, dass Kartendienstanbieter etwa 2 Milliarden Dollar jährlich investieren müssen, um das Angebot aktuell zu halten. Offenbar haben sich für Nokia diese Investitionen nicht mehr gelohnt. Für die deutschen Automobilkonzerne dürfte der Kauf hingegen vor allem strategische Bedeutung haben, die die Übernahme für sie attraktiv macht. Zum einen halten sie sich mit einem eigenen Kartendienst Anbieter wie Google auf Distanz, zum anderen benötigen sie für Pilottests hochauflösende Datenmaterial. In diesem Segment sehen die Konzerne vermutlich Apple und Google als direkte Konkurrenz. Und denen möchte man keinen Zugriff auf kritische Daten gewähren. Schließlich verwenden die deutschen Autohersteller seit Jahren das Kartenmaterial von Nokia Here und haben auf dessen Basis ortsabhängige Dienste entwickelt. Ein Verlust des Kartenmaterials – etwa an den Fahrdienstvermittler Uber, der angeblich auch zum Bieterkreis gehört hat, – wollte man wohl vermeiden.

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

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Rainer Schneider

Seit September 2013 ist Rainer hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schreibt aber gerne auch mal hintergründige Artikel für ZDNet und springt ebenso gerne für silicon ein. Er interessiert sich insbesondere für die Themen IT-Security und Mobile. Sein beständiges Ziel ist es, die komplexe IT-Welt so durchsichtig und verständlich wie möglich abzubilden.

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