In Finnland könnten 2015 gleich zwei modulare Smartphones starten

Gleich zwei finnische Start-ups entwickeln derzeit modulare Smartphones. Wenn auch das eine – Vsenn – nicht mehr als eine Ankündigung auf einer Website vorweisen will und das andere – Puzzlephone – zumindest noch keinen voll funktionsfähigen Prototypen hat, könnten Googles Projekt Ara doch 2015 zwei Konkurrenten erwachsen. Beide planen nämlich, im kommenden Jahr ein fertiges Produkt vorzulegen.

Prototyp des aus drei Modulen bestehenden Puzzlephone (Bild: Circular Devices)

Vsenn sitzt in der nordfinnischen Stadt Oulu, die für ihre technische Universität und deren Erfindergeist bekannt ist. Es wurde unter anderem von einem früheren Entwicklungschef von Nokias X-Reihe (also der Android-Smartphones) finanziert. Eine erste Ankündigung erfolgte diesen Monat. Vsenn pflegt strenge Geheimhaltung, gibt aber große Parolen aus: Googles Project Ara sei sein größter Konkurrent, sagt es beispielsweise. Seine Hardware soll im zweiten Quartal 2015 in den Verkauf gehen.

Nach eigenen Angaben entwickelt Vsenn „die sicherste, regelmäßig aktualisierte Android-OS-Plattform unter Verwendung von modularer Hardware“. Darunter ist eine Dreifachverschlüsselung aller Daten auf dem Gerät zu verstehen, und Anwender können auch ohne Aufpreis einen VPN-Dienst nutzen. Regelmäßige Updates sollen auf vier Jahre hinaus garantiert werden.

Im Vergleich zum hoch modularen Project-Ara-Prototyp Spiral 2 ist das Konzept von Vsenn etwas eingeschränkt. Es sieht nämlich nur drei Wechselbausteine vor: Prozessor, Akku und Kamera. Zudem werden austauschbare Rückseiten eine Farbgestaltung nach eigenem Geschmack ermöglichen. Der Preis steht noch nicht fest, wird aber laut Vsenn unter dem aktueller Spitzenmodelle großer Hersteller liegen.

Im Augenblick hat Vsenn nur eine Website, aber bereits im März 2015 soll das erste „No-Bullshit“-Smartphone der Finnen erhältlich sein (Screenshot: ZDNet.de).

Das Puzzlephone hingegen entwickelt eine Firma namens Circular Devices in Helsinki. Sie verfolgt den entgegengesetzten Ansatz und entwickelt ihr Smartphone seit der ersten Vorstellung im Januar 2013 quasi in der Öffentlichkeit. Die offizielle Gründung durch den spanischen Ingenieur Alejandro Santacreu erfolgte dieses Jahr. Das inzwischen elf Mitarbeiter umfassende internationale Team hat sich dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verschrieben.

Santacreu nennt den Smartphone-Markt „unerschwinglich“. Es sei „das perfekte Rezept für ein komplettes Desaster“, wenn sechs Millionen Menschen mit Geräten aus seltenen Materialien versorgt würden, deren Lebensdauer unter 18 Monaten liege und bei denen weder eine Reparatur noch eine Aktualisierung vorgesehen sei. Wie das in den Niederlanden konzipierte (aber nicht modulare) Fairphone versucht Circular Devices, die Auswirkungen des Smartphone-Booms auf die Umwelt einzudämmen.

Ein Puzzlephone besteht aus den Elementen Display, Akku und Hauptmodul. Letzteres enthält etwa die rückseitige Kamera und den Prozessor. In der Displayeinheit stecken auch Lautsprecher und Lautstärkeregler. Der Verbindung dienen Neodym-Magnete ebenso wie eine Verriegelung.

Puzzlephone-Varianten (Bild: Circular Devices)

Während Vsenn einen 4,7 Zoll großen Full-HD-Bildschirm vorgibt, wird das Puzzlephone wie Project Ara mehrere Größen anbieten: 4,3 ebenso wie 4,7 und 5,0 Zoll. Die Dreiteilung ermögliche eine kostengünstige Verwirklichung, heißt es. Santacreu: „Wollte man das weiter untergliedern, würde die Lieferkette nur darunter leiden.“

Im Augenblick versucht Circular Devices, eine Finanzierung für den verbleibenden Entwicklungsaufwand zu bekommen. Klappt das, soll das erste Puzzlephone in der zweiten Jahreshälfte 2015 zu einem Preis im mittleren Bereich auf den Markt kommen. Das Unternehmen will dann auch Firmware- und Hardware-Standards für interessierte Fremdanbieter veröffentlichen.

Einen Vergleich zwischen Project Ara und dem Puzzlephone hatte Santacreu kürzlich gegenüber der finnischen Publikation DigiToday angestellt. Er bezog sich auf den Mythos, die NASA habe für ihre Astronauten einst für Millionen Dollar einen „Space Pen“ genanntes Schreibgerät entwickelt. Russische Kosmonauten hingegen hätten einen Bleistift benutzt. Es ist nicht schwer zu erraten, welches Konzept in seinen Augen welchem Schreibgerät entspricht.

[mit Material von Eeva Haaramo, ZDNet.com]

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Florian Kalenda

Seit dem Palm Vx mit Klapp-Tastatur war Florian mit keinem elektronischen Gerät mehr vollkommen zufrieden. Er nutzt derzeit privat Android, Blackberry, iOS, Ubuntu und Windows 7. Die Themen Internetpolitik und China interessieren ihn besonders.

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