Recht auf Vergessen: Google beruft Ex-Justizministerin in „Lösch-Beirat“

Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist eins von acht Mitgliedern eines neu gegründeten Expertengremiums, das den Internetkonzern hinsichtlich der Löschung beanstandeter Suchergebnisse beraten soll. Laut Googles Chefjustiziar sind bisher über 70.000 Löschanträge für mehr als 250.000 Websites eingegangen.

Google hat die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zum Mitglied eines neu gegründeten Beirats berufen, der das Unternehmen hinsichtlich der Löschung beanstandeter Suchergebnisse beraten soll. Dem achtköpfigen Gremium gehören Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Medien, Datenschutz, Zivilgesellschaft und Technologie an, wie Googles Chefjustiziar David Drummond in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung und anderen europäischen Publikationen erklärt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist eins von acht Mitgliedern des "Lösch-Beirats" von Google (Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger).Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist eins von acht Mitgliedern des „Lösch-Beirats“ von Google (Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger).

Der „Lösch-Beirat“ werde Stellungnahmen von unterschiedlichen Gruppen einholen und im Herbst in ganz Europa öffentliche Sitzungen abhalten, um mit der Löschung verbundene Fragen tiefergehend zu erörtern, so Drummond. Außerdem soll das Expertengremium einen öffentlichen Bericht vorlegen, der Empfehlungen zum Vorgehen bei besonders schwierigen Löschanträgen (etwa bei strafrechtlichen Verurteilungen) enthält, Gedanken zu den Folgen für die europäischen Internetnutzer, Presseverlage, Suchmaschinen und andere Betroffene formuliert und Verfahrensschritte empfiehlt, durch die die Verlässlichkeit und Transparenz für Website-Betreiber und Bürger verbessert werden können.

Drummond wiederholte, dass Google das Urteil des Europäischen Gerichtshofs „zum Recht auf Vergessen“ sehr kritisch sehe. Zugleich betonte er, dass der Internetkonzern die Vorgaben des Gerichts natürlich respektiere und um eine schnelle sowie verantwortungsbewusste Umsetzung bemüht sei. „Das ist angesichts von über 70.000 seit Mai eingegangenen Löschanträgen mit mehr als 250.000 betroffenen Websites eine riesige Aufgabe“, erklärte der Google-Anwalt. „Unser Team überprüft jeden einzelnen Antrag individuell, meistens mit begrenzten Informationen und fast ohne Kontext.“

Das die Umsetzung bisher nicht ganz reibungslos verläuft, zeigt die kürzliche Löschung eines sieben Jahre alten BBC-Artikels aus Googles Suchindex. Es handelt sich um einen Blogbeitrag mit dem Titel „Merrill’s Mess“ über den Chairman der Investmentbank Merrill Lynch. Dieser hatte die Löschung aber offenbar nicht selbst beantragt.

In einem anderen Fall hat Google nach einer Beschwerde des Guardian die Entscheidung zurückgenommen, mehrere Links zu Artikeln der britischen Zeitung zu löschen. Dabei ging es um eine Falschaussage eines Fußballschiedsrichters zu einer Strafstoßentscheidung. Auch hier war unklar, wer die Löschung der Artikel beantragt hatte.

Das Urteil des EuGH vom 13. Mai (Az. C131/12) macht den Betreiber einer Suchmaschine im Fall personenbezogener Daten auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich. Das heißt, dass eine Person unter bestimmten Voraussetzungen den Betreiber direkt auffordern kann, Links aus der Ergebnisliste zu löschen, die bei einer Suche nach ihrem Namen erscheint. Die fraglichen Einträge müssen die Privatsphäre der Person verletzen.

Umfrage

Wie beurteilen Sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach Internetdienstleister auf Antrag personenbezogene Suchergebnisse löschen müssen?

Ergebnisse anzeigen

Loading ... Loading ...

Das EuGH-Urteil geht auf die Forderung eines Spaniers zurück, der bei einer Google-Suche nach seinem Namen die Bekanntmachung über eine Zwangsversteigerung seines Hauses fand, die vor Jahren aufgrund unbezahlter Sozialversicherungsbeiträge gerichtlich angeordnet wurde. Die amtliche Bekanntmachung aufgrund gesetzlicher Vorschriften in Spanien war noch immer auf der Website einer Tageszeitung zu finden. Der Betroffene forderte aber von Google, Suchverweise zu dieser Information zu entfernen.

Google reagierte schnell mit einem Online-Formular für Betroffene „Bei der Umsetzung dieser Entscheidung werden wir jede Anfrage individuell prüfen und zwischen den Datenschutzrechten des Einzelnen und dem Recht der Öffentlichkeit auf Auskunft und Informationsweitergabe abwägen“, heißt es dort. „Bei der Bearbeitung Ihres Antrags prüfen wir, ob die Ergebnisse veraltete Informationen über Sie enthalten. Wir untersuchen außerdem, ob ein öffentliches Interesse an den Informationen besteht, zum Beispiel, ob es um finanzielle Betrugsfälle, Berufsvergehen oder Amtsmissbrauch, strafrechtliche Verurteilungen oder das öffentliche Verhalten von Regierungsbeamten geht.“

Wer Inhalte aus Googles Suchresultaten entfernen lassen möchte, muss in das Online-Formular unter anderem Namen, E-Mail-Adresse und die zu entfernenden Links samt einer Begründung für die Löschung eingeben. Außerdem verlangt Google einen Identitätsnachweis in Form einer Kopie eines gültigen Führerscheins oder Personalausweises, die als Bilddatei hochgeladen werden kann.

Tipp: Wie gut kennen Sie Google? Testen Sie Ihr Wissen – mit dem Quiz auf silicon.de.

Themenseiten: Datenschutz, Google, Suchmaschine

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

1 Kommentar zu Recht auf Vergessen: Google beruft Ex-Justizministerin in „Lösch-Beirat“

Kommentar hinzufügen
  • Am 14. Juli 2014 um 2:28 von Judas Ischias

    Da wird auch der Lösch – Beirat nichts mehr an dem völlig verkorksten Urteil ändern können. Bestimmt haben die Richter, die dieses schwachsinnige Urteil zu verantworten haben, die Anträge auf Löschen der Links zu ihren Namen schon gestellt. ;) Die wollen ja keine Nachteile für sich und die Familie.
    Geht die Zensur so weit, in den Zeitungen stehen diese Dinge ja weiterhin, dass die Zeitungen mit diesen Artikeln dann verbrannt werden müssen? Oder alle bewegten Bilder, z. B. aus der Tagesschau, gelöscht werden müssen?
    Da kann der „Beißer“ aus Uruguay ja schon mal die Anträge stellen und Maradona kann endlich die hässlichen Geschichten von der Hand Gottes, den Drogen und nicht bezahlten Steuern in den Weiten des Internets verschwinden lassen.
    Auf jeden Fall ist das ein riesiger Schritt in die Zensur!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *