Edward Snowden im TV-Interview: Ich wollte meinem Land dienen

Der Whistleblower bekennt sich als Patriot, der Verfassungsverstöße verhindern wollte. Er würde gerne in die USA zurückkehren, aber die US-Regierung droht weiterhin mit Strafverfolgung. Eine klare Mehrheit der amerikanischen Bürger sieht ihn inzwischen als Patrioten und nicht mehr als Verräter.

In seinem ersten Interview mit einem amerikanischen TV-Sender ist Whistleblower Edward Snowden ausführlich auf die Gründe eingegangen, die ihn zur Enthüllung der NSA-Spähprogramme veranlassten. Über fünf Stunden lang stellte er sich in einem Hotel in Moskau den Fragen von Brian Williams, dem Moderator der Nachrichtensendung NBC Nightly News. Das Gespräch wurde in einem einstündigen Zusammenschnitt ausgestrahlt.

Snowden bekannte sich als Patriot, dem es darum ging, weitere Verfassungsverstöße der US-Regierung zu verhindern. „Ich kann jetzt vielleicht nicht mehr reisen“, sagte er. „Aber ich kann nachts schlafen und meinen Kopf auf das Kissen legen im Wissen, dass ich das Richtige getan habe, obwohl es damals der schwierigere Weg war.“

Edward Snowden im NBC-Interview (Screenshot: ZDNet.de)Edward Snowden im NBC-Interview (Screenshot: ZDNet.de)

Der US-Regierung und dem Auslandsgeheimdienst NSA warf er vor, faktisch den 4. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten außer Kraft gesetzt zu haben, der ihren Bürgern den Schutz ihrer Privatsphäre garantiert und sie ausdrücklich vor Durchsuchungen und Beschlagnahmen ohne begründeten Verdacht und richterlichen Beschluss schützen soll. „All Ihre privaten Aufzeichnungen, all Ihre private Kommunikation, all Ihre Transaktionen, Ihre Verbindungen, mit wem Sie reden, wen Sie lieben, was Sie kaufen, all diese Dinge können beschlagnahmt und von der Regierung vorrätig gehalten werden. Später können sie aus jeglichem Grund durchsucht werden, mit so gut wie keiner Rechtfertigung, ohne jeden echten Grund, ohne wirkliche Beaufsichtigung, praktisch ohne Rechenschaftspflicht für diejenigen, die das Unrecht begehen.“

Daraus habe sich ein flächendeckendes, schon vor möglichen Handlungen wirksames Überwachungssystem entwickelt, „bei dem die Regierung beobachten will, was Sie tun, nur um zu sehen, was Sie vorhaben, was Sie denken – selbst hinter verschlossenen Türen“. Trotz seiner scharfen Kritik äußerte sich der Whistleblower zugleich zufrieden über die „robuste öffentliche Debatte“, die sich seit den ersten PRISM-Enthüllungen entwickelt habe. „Wir sehen neue Schutzvorkehrungen für unsere Rechte in den Vereinigten Staaten und im Ausland, um sicherzustellen, dass sie nicht länger verletzt werden.“

Ziemlich genau ein Jahr nach seinen ersten Enthüllungen erklärte Snowden, dass er gerne aus dem unfreiwilligen russischen Asyl in seine Heimat zurückkehren würde. „Ich habe vom ersten Tag an gesagt, dass ich das tue, um meinem Land zu dienen. Ob es jemals einen Amnestie oder einen Gnadenerlass geben kann, müssten aber Öffentlichkeit und Regierung entscheiden.“ Gegen den Vorwurf des Verrats wehrte er sich erneut: „In Wirklichkeit gebot es die Situation, die Öffentlichkeit zu informieren. Denn gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten wurde in massivem Umfang verstoßen.“

Die US-Regierung macht bislang jedoch keinerlei Anstalten, von ihren Vorwürfen und der beabsichtigten Strafverfolgung abzurücken. „Das ist ein Mann, der sein Land verraten hat“, erklärte Außenminister Kerry gegenüber CBS News. „Er sollte seinen Mann stehen und in die USA zurückkehren.“

Das Weiße Haus veröffentlichte außerdem eine E-Mail, mit der es zu beweisen suchte, dass Snowden nicht wie angegeben schon vor seinen Enthüllungen vergeblich seine Vorgesetzten auf die Probleme angesprochen habe. Snowden bezeichnete diese Veröffentlichung jedoch als unvollständig. „Die NSA hat Aufzeichnungen, sie haben Kopien von E-Mails, die ich an das Büro ihres Chefjustiziars, an die für Aufsicht und die Einhaltung von Gesetzen zuständigen Leute geschickt habe“, sagte er im NBC-Interview. In bürokratischer Sprache habe er mehr oder weniger die Antwort erhalten, er solle keine weiteren Fragen stellen.

Das freimütige Gespräch und Snowdens überlegte Formulierungen scheinen viele Zuschauer beeindruckt und einen Meinungsumschwung befördert zu haben. Eine Auswertung von Tweets nach der Sendung ergab, dass ihn 59 Prozent der Twitter-Nutzer in den USA inzwischen als Patrioten sehen – wenn auch 41 Prozent weiterhin als einen Verräter. Bei früheren Umfragen hatte sich eine Mehrheit der US-Bürger dafür ausgesprochen, den Whistleblower wegen Geheimnisverrats anzuklagen.

[mit Material von Lance Whitney, News.com]

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