Bericht: US-Geheimdienste haben Diensthandy von Kanzlerin Merkel abgehört

Gegenüber US-Präsident Obama hat die Bundeskanzlerin unmissverständlich ihre Missbilligung ausgedrückt. Sie halte solche Praktiken für "völlig inakzeptabel", heißt es aus dem Kanzleramt. Derweil wies der US-Geheimdienstchef Berichte über NSA-Aktivitäten in Frankreich als falsch zurück.

Die von Edward Snowden aufgedeckte Überwachung durch US-Geheimdienste zieht immer weitere Kreise. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, wurde vermutlich auch das Diensthandy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört. Erst Anfang der Woche hatte eine Meldung der französischen Zeitung Le Monde für Empörung gesorgt, laut der die NSA dort Millionen Telefonate unbescholtener Bürger sowie Unternehmer und Politiker mitgeschnitten hat.

Bundeskanzlerin Merkel zeigt auf der CeBIT 2013 ihr neues Smartphone von Blackberry und Secusmart (Bild: Deutsche Messe AG).Bundeskanzlerin Merkel zeigt auf der CeBIT 2013 ihr neues Smartphone von Blackberry und Secusmart (Bild: Deutsche Messe AG).

Noch im Sommer hatte Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) die NSA-Abhöraffäre für beendet erklärt. „Die Vorwürfe sind vom Tisch“, sagte er damals. Jetzt sieht die Lage offenbar wieder anders aus. In einem Telefongespräch versicherte US-Präsident Barack Obama der Kanzlerin, dass ihr Handy jetzt und in Zukunft nicht abgehört wird. Er ließ allerdings offen, ob Merkels Smartphone auch in der Vergangenheit von Lauschangriffen verschont blieb.

Laut Regierungssprecher Steffen Seibert hat die Bundeskanzlerin ihre Missbilligung im Telefongespräch mit Obama zum Ausdruck gebracht. „Sie machte deutlich, dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht. Unter engen Freunden und Partnern, wie es die Bundesrepublik Deutschland und die USA seit Jahrzehnten sind, dürfe es solche Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Dies wäre ein gravierender Vertrauensbruch. Solche Praktiken müssten unverzüglich unterbunden werden.“

Beim fraglichen Gerät handelt es sich übrigens nicht um das von Secusmart und der Telekom modifizierte Blackberry Z10, sondern um Merkels Parteihandy. Das teilte Secusmart am Freitagabend mit. „Die Hochsicherheitslösung von Secusmart für die sichere Kommunikation innerhalb der Regierung ist nicht betroffen. Wir erfüllen höchste technische Standards. Für unverschlüsselte Telefonate, SMS oder auch E-Mails können wir natürlich nicht garantieren“, sagt Hans-Christoph Quelle, Geschäftsführer der Secusmart GmbH. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte nach Evaluierung und mehrmonatigem erfolgreichen Testbetrieb der Secusmart Lösung SecuSUITE for BlackBerry 10 für die Geheimhaltungsstufe VS-NfD (Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch) mit ihrer vorläufigen Zulassung bereits ihr Vertrauen ausgesprochen. Secusmart wurde als einziger Lösung Sprach- und Datensicherheit bestätigt.

Noch-Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den US-Botschafter John Emerson ins Auswärtige Amt bestellt. Darüber hinaus tagt das Parlamentarische Kontrollgremium, um den Vorwurf zu diskutieren. Möglicherweise wird sich die Bundesregierung nun intensiver mit dem Überwachungsskandal beschäftigen.

Derweil hat der Director of National Intelligence James R. Clapper, der 17 verschiedene US-Geheimdienste inklusive NSA beaufsichtigt, dem Bericht von Le Monde über die NSA-Aktivitäten in Frankreich als falsch zurückgewiesen. Die französische Zeitung hatte unter Berufung auf durch Edward Snowden bekannt gewordene Unterlagen am Montag gemeldet, dass der Auslandsgeheimdienst innerhalb eines Monats 70,3 Millionen Telefonate französischer Bürger abgehört und gespeichert habe. Auch SMS soll die NSA in Frankreich gesammelt haben, wenn diese bestimmte Stichwörter enthielten.

Le Monde vermutet aufgrund der Dokumente, dass bewusst nicht nur Terrorismusverdächtige von dem US-Geheimdienst ausspioniert wurden, sondern auch Geschäftsleute und Politiker. Letztere reagierten entrüstet und forderten umfassende Aufklärung. Der französische Innenminister Manuel Valls nannte den Bericht der Zeitung gegenüber Reuters „schockierend“. Er formulierte ähnlich wie Merkel: „Wenn ein verbündetes Land Frankreich ausspioniert oder ein anderes europäisches Land, ist das vollkommen inakzeptabel.“ Frankreichs Präsident Francois Hollande soll in einem Telefonat mit seinem US-Amtskollegen Obama ebenfalls „tiefe Missbilligung“ ausgedrückt haben.

Clapper stellte nun klar, dass der Le-Monde-Artikel „falsche und missverständliche Informationen“ hinsichtlich der Aktivitäten des US-Auslandsgeheimdiensts enthalte. Die Anschuldigung, dass die NSA mehr als 70 Millionen „Aufzeichnungen von Telefondaten französischer Bürger“ gesammelt habe, sei falsch.

„Auch wenn wir die Einzelheiten unserer Aktivitäten nicht diskutieren werden, haben wir wiederholt deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten die Art Informationen sammeln wie alle anderen Nationen auch“, so Clapper weiter. „Die USA sammeln Informationen zum Schutz des Landes, seiner Interessen und denen seiner Verbündeten unter anderem zu Bedrohungen wie Terrorismus oder der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.“ Die Vereinigten Staaten schätzten ihre seit langer Zeit bestehende Freundschaft und Allianz mit Frankreich und würden auch in Zukunft weiterhin in Sachen Sicherheit und Geheimdienstangelegenheiten kooperieren.

Der Artikel wurde um Informationen zum betroffenen Smartphone ergänzt.

[mit Material von Andre Borbe, silicon.de, und Lance Whitney, News.com]

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Themenseiten: National Security Agency, Politik, Smartphone, Überwachung

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11 Kommentare zu Bericht: US-Geheimdienste haben Diensthandy von Kanzlerin Merkel abgehört

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  • Am 24. Oktober 2013 um 17:33 von Judas Ischias

    Ja, ja, der blasierte Herr Pofalla. Was wird er denn diesmal erzählen?
    Und der geschickte Herr Obama. Zusagen, ohne Wert, dass das Handy von Frau Merkel jetzt und in Zukunft nicht abgehört wird, wer es glaubt wird selig. Auf die Vergangenheit aber gar nicht eingehen. Das ganze Trara leuchtet mir aber gar nicht ein, was da abgehört worden sein soll? 1. Das Diensthandy von Merkel soll doch total abhörsicher sein und 2., unter „guten Freunden“ erzählt man sich doch sowieso alles.

    • Am 24. Oktober 2013 um 21:15 von Victor

      Tja,
      Du solltest den Artikel wirklich lesen.
      Da steht ganz klar, daß nicht das (möglicherweise) abhörsichere Diensthandy sondern ihr nicht-abhörsicheres Partei-Handy betroffen war.

      Gruß

      Vic

      • Am 25. Oktober 2013 um 3:24 von Joe Snowden

        #Vic
        Viellecht hast die die zusätzliche zeile selber nicht gelesen:
        „Der Artikel wurde um Informationen zum betroffenen Smartphone ergänzt.“
        erst mal virklich alles lesen bevor Du so sehr kluge Bemerkungen lossendest.
        js

    • Am 25. Oktober 2013 um 9:45 von Hi, hi...

      >Ja, ja, der blasierte Herr Pofalla. Was wird er denn diesmal erzählen?
      „Ich erkläre die NSA-Affäre für beendet! Warum? Der Akku ist leer!“
      (Vielen Dank an den mir unbekannten Tweeter. Ich hab schon lange nicht mehr so gelacht!)

    • Am 25. Oktober 2013 um 9:45 von stoni

      obama wird sich einfach entschuldigen ;) und die sache geklärt

    • Am 25. Oktober 2013 um 11:22 von Uwerb

      Es ist ja schon richtig was Du da schreibst aber bedenken wir einmal was alles noch im Umfeld aus China und Russland auf uns zukommt. Da wird nicht lange gefackelt. Wenn einer da den Mund aufmacht ist sein Kopf ab, in China wird der Familie sogar noch die Kugel berechnet !!
      Des Weiteren dürfen wir uns nicht so um unsere Politiker ärgern, die wissen dies alles schon sehr lang und schlafen und schlafen und schlafen. Erst wenn es ans Tageslicht kommt ist das Geschrei groß. Viel mehr macht es mir Sorgen zu lesen wie viele Milliarden € unserem Mittelstand durch die Wirtschaftsspionage verloren gehen. Von diesen Milliarden lebt unser Land und die Regierung auch. Aber wie heisst es doch so schön in Goethes Faust: Die Geister welch ich rief, ich werd sie nicht mehr los !!!

      • Am 25. Oktober 2013 um 11:43 von Florian Kalenda

        Nur mal so nebenbei, Goethe ist richtig, Faust falsch. Der Spruch stammt aus der Ballade „Der Zauberlehrling“: „Die ich rief, die Geister / Werd ich nun nicht los.“

  • Am 25. Oktober 2013 um 5:07 von Tengil

    Tja, einmal mehr wir die Kanzlerin mit der Realität konfrontiert.

  • Am 25. Oktober 2013 um 9:23 von Big Brother

    Hab‘ ich das richtig verstanden? Da hat Frau Merkel ein abhörsicheres Dienstgerät und nutzt ein nicht abhörgeschütztes Parteihandy! Wieso nutzt jemand vom Kaliber einer Bundeskanzlerin überhaupt ein nicht abhörgeschütztes Kommunikationsmittel? Wie blöd und naiv muss man denn dafür sein??? Dass die Amerikaner, Engländer, Kanadier, etc. abhören was überhaupt nur geht, sollte mittlerweile an jedem Stammtisch angekommen sein. Nationale Datenschutzgesetzte, was ist dass denn? Und Absprachen untereinander sind nicht das Papier wert auf dem sie stehen.

    Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man drüber lachen:
    Amerikanische Abhörstationen in Deutschland gelten als „amerikanisches Hohheitsgebiet“. Obwohl sie sich mitten in Deutschland befinden, gelten diese Gelände und Gebäude nicht als Deutschland. Nur durch diese Spitzfindigkeit kann unsere Bundesregierung behaupten, dass ausländische Geheimdienste auf deutschem Boden keine derartigen Abhörmaßnahmen durchführen. Es ist wie immer: Wir werden nur belogen und betrogen; auch und gerade von unserer eigenen Regierung…

  • Am 25. Oktober 2013 um 21:45 von ElMariachi

    Viel spannender ist doch die Frage, weshalb Millionen von Bundesbürgern bespitzelt werden und es „kein Schwein“ interessiert, wohingegen das Abhören der Deprimutti direkt einen Staatsakt nach sich zieht. Quoad licet iovo non licet bovi oder was?

    Diskriminierende Züge eines faschistischen Systems!

  • Am 26. Oktober 2013 um 0:51 von Judas Ischias

    Also Victor, möglicherweise gewinne ich demnächst im Lotto, dazu muss ich aber erstmal Lotto spielen, um zu gewinnen. Möglicherweise bleibt damit aber immer noch, nur möglicherweise und nicht sicher!
    Falls Du es noch nicht mitbekommen haben solltest, auch das Dienst-Handy von Ministerpräsidentin Kraft kann abgehört werden. Und dies nicht möglicherweise, sondern ganz gewiss!
    Jetzt erklär mal, weil das mit Sicherheit nicht nur mich interessiert, warum das Dienst-Handy von einer/einem Ministerpräsidentin/Ministerpräsi-denten unsicherer sein soll, als eines Ministers beim Bund?
    Die einsatzfähige Lösung, wird laut Innenminister Jäger, bis Mitte 2014 erarbeitet und eine wirklich sichere und praktikable Lösung steht der Landesregierung nicht zur Verfügung.

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