Tablets im Business-Einsatz: zeigen hui, schreiben pfui?

Seit Apple mit seinem iPad den Durchbruch für das neue Geräteformat schaffte, verbreiten sich Tablets rasant – zunächst in den Wohnstuben und Rücksäcken privater Anwender, die die Surf-Flunder häufig als vollwertigen mobilen Laptop-Ersatz verwenden. Inzwischen findet man sie auch im geschäftlichen Bereich. Dies unter anderem deshalb, weil niemand, der gewohnt ist, zu Hause gemütlich mit dem Tablet auf dem Sofa zu surfen, im Büro gern und lange an einer grauen Kiste mit Windows arbeitet.

„Unternehmen müssen Tablets und andere moderne Endgeräte zulassen, weil sie sonst junge Arbeitnehmer, die damit aufgewachsen sind, nicht halten können“, meint Prof. Jan Borchers, Leiter des Lehrstuhls Medieninformatik und Mensch-Computer-Interaktion an der RWTH Aachen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die Geräte in Büros und auf Baustellen auftauchen: „Hersteller verschenken sie an die Mitarbeiter von Behörden oder NGOs (Non-Governmental Organisations), um die Verbreitung zu steigern“, weiß Dr. Britta Krahn, Inhaberin und Geschäftsführerin der Gesellschaft für User Experience, die sich im Auftrag besonders großer Telekom-Provider mit Usability-Studien beschäftigt. Beliebt seien Tablets außerdem als Incentive in Großunternehmen.
Im Business-Alltag sind Windows-Tablets aufgrund ihrer Kompatibilität noch am ehesten geeignet (Bild: Lenovo).

Wofür kann man sie aber wirklich gut einsetzen? Wo nur einige wenige Eingaben gemacht werden müssen, wo es gilt, Zahlen mit Vorgaben zu vergleichen Bilder, Präsentationen, Filme vorgeführt werden, ist der Tablet seinem Laptop-Konkurrenten überlegen. Gut funktionieren die Geräte auch, wenn nur kleine Datenmengen einzugeben sind, beispielsweise Adressdaten in ein Formular. „Ein Vorteil des Tablet besteht darin, dass man es wirklich im Gehen bedienen kann“, erklärt Borchers. Deshalb ist er auf der Baustelle dabei oder wenn Wartungsmitarbeiter vor Ort einen Blick ins Handbuch der zu reparierenden Geräte werfen müssen.

Jede Betriebssystem-Plattform hat ihre Eigenheiten: Windows-Tablets mit Intel-Prozessor sind am ehesten kompatibel zu den gewohnten Datenformaten und Programmen. An sie kann man oft Tastaturen anstecken. Aber viele Windows-8-Lösungen sind noch nicht ausgereift. Android als offenes Betriebssystem bietet die größte Vielfalt. Das ist gleichzeitig ein Vor- und ein Nachteil, denn wegen des offenen Quellcodes sind auch die Sicherheitsprobleme hier mittlerweile am größten. Außerdem führen die stark differierenden Bildschirmformate der Systeme unter Android häufig zu abweichender Darstellung von Webseiten. Apple bietet die gegenteilige Situation: eine geprüfte Softwarebasis, kaum Raubkopien oder Softwareschädlingen, keine Varianz bei den Geräten. Dafür gibt es viele Business-Programme für Apple-Tablets gar nicht. „Hier versuchen viele, inzwischen mit entsprechenden Lösungen nachzubessern“, sagt Borchers.

Grundsätzlich wurden Tablets für Consumer entworfen, die gern Bilder schauen, Filme ansehen, Musik hören oder sich mit jemandem unterhalten. Viele Eigenschaften, die im Business-Bereich nötig sind, fehlen: In den ersten Varianten unterstützte iOS beispielsweise Microsoft Exchange nicht, man konnte keine gesicherten Verbindungen über VPNs (Virtual private Networks) aufbauen, der Speicher ist knapp bemessen, eine businesstaugliche Dateiverwaltung nicht vorhanden, die Performance bei BI-Anwendungen mit aufwändigen Berechnungen oft nicht ausreichend.

Besonders kritisch wird es dann, wenn viele Eingaben zu machen, längere Texte zu schreiben oder genaue Zeichnungen anzufertigen sind. Hier eignet sich der Tablet kaum – mögen die Hersteller sagen, was sie wollen. „Wir haben in Tests festgestellt, dass sich normale Tastaturen einfach schneller bedienen lassen als Bildschirmtastaturen“, sagt Borchers. Auch die angeflanschte Tastatur, wie sie für manche Tablets erhältlich ist, macht da keine Ausnahme.

Wie sieht es beispielsweise mit SAP auf dem Tablet aus? Hier taugt die Tablet-Hardware höchstens für einen schnellen Status-Überblick, oder für Eingaben in eigens entwickelte Apps, die auf das Geräteformat zugeschnitten sind und mit der zentralen SAP-Anwendung interagieren. „Einen Urlaubsantrag einfach in einer SAP-HR-App auf dem Tablet auszufüllen und abzuschicken, kann den Mitarbeitern durchaus sofort ein gutes Gefühl geben“, meint Borchers. Hier biete sich der IT-Abteilung die Chance, vom Verhinderer zum Innovator zu werden.

Ein Ersatz für den Laptop sind Tablets jedenfalls nicht. Das gelte auch für Hybride, die mal als Laptop und mal als Tablet genutzt werden können. „Das alles sind vor allem zusätzliche mobile Endgeräte, weshalb sie von der Arbeitnehmervertretung in großen Unternehmen durchaus kritisch gesehen werden“, meint Kahn.

Tipp: Was tut sich als Nächstes in der Enterprise-IT? Informieren Sie sich über Intels Ansicht zur Zukunft der Konsumerisierung in Unternehmen am 8. Oktober in München. Details erfahren Sie auf der Website der Veranstaltung.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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