Samsungs Zeugen greifen Apples Patente an

Ihre Aussagen sollen beweisen, dass die Technologien schon zuvor eingesetzt wurden. Es könnte zu einer Aufhebung der Schutzrechte führen. Mit Multitouch-Gesten war schon ein 2001 entwickelter Tischcomputer zu bedienen - und Apple bekam es 2003 vorgeführt.

Nachdem die Aussagen der von Apple benannten Zeugen abgeschlossen sind, geht Samsung im kalifornischen Patentprozess mit seinen Zeugen in die Offensive. Eine wesentliche Strategie ist dabei offenbar, auf „Prior Art“ und damit schon zuvor vorhandene Technologien zu verweisen, aufgrund derer Patente für ungültig erklärt werden können.

Während es zuvor mehr um geschützte Geschmacksmuster („Design Patents“) für iPhone und iPad ging, konzentriert sich Samsung jetzt auf Touchgesten zur Bedienung von Smartphones, die Apple für sich patentieren ließ. Seine Anwälte riefen während des gestrigen Verhandlungstags Zeugen auf, die an der Entwicklung solcher Technologien beteiligt waren, bevor Apple seine Geräte vorstellte und Schutzrechte dafür beanspruchte. Dabei ging es beispielsweise um die Zweifinger-Zoom-Geste zum Hinein- oder Herauszoomen in Websites sowie scheinbar schlichte Dinge wie das Zurückschwingen von Fotos und Listen zu ihrer vorherigen Position.

Zuerst trat Benjamin Bederson in den Zeugenstand, Professor für Informatik an der University of Maryland. Er hatte selbst das 2004 veröffentlichte LaunchTile mitentwickelt, das auf Microsofts PocketPC half, mobile Anwendungen zu organisieren. Bederson führte vor, wie LaunchTile 36 Apps in Zoomstufen präsentierte und die Navigation mittels Touchgesten erlaubte.

Entkräften wollen Samsungs Anwälte damit das Patent 7.469.381, das laut Apple durch zahlreiche Samsung-Smartphones verletzt wird. Dieses Schutzrecht beschreibt unter anderem das Zurückschwingen („Bounce Back“), mit dem sich dem Nutzer vermittelt, dass er das Ende eines Dokuments oder einer Auflistung erreicht hat, beispielsweise einer Webseite. Apple scheint es für ein Schlüsselpatent zu halten und hat es in Klagen gegen Samsung, Nokia sowie HTC eingesetzt. Apples Anwälte versuchten, den Angriff auf das Patent zu parieren, indem sie Unterschiede in der Funktionalität von LaunchTile und dem im „Bounce-Back“-Patent beschriebenen Verhalten herausstellten.

Für Samsung führte anschließend Adam Bogue vor, dass es auch Multitouch-Gesten lange vor Apples iPhone gab. Bogue schuf in den Mitsubishi Electric Research Laboratories (MERL) mit DiamondTouch einen projektorbasierten Tischcomputer, der sich mit Multitouch-Gesten bedienen ließ. Wie Microsofts früheres Surface, inzwischen in PixelSense umbenannt, sollte es die Zusammenarbeit von Nutzern rund um einen Tisch ermöglichen. DiamondTouch wurde 2001 entwickelt, zunächst für Universitäten produziert, und ist seit 2006 im Handel erhältlich.

Der 2001 entwickelte Tischcomputer DiamondTouch ließ sich bereits mit Multitouch-Gesten bedienen (Bild: MERL).

Die Geste „FractalZoom“ erlaubte dabei das Scrollen mit einem Finger – und mit zwei Fingern war bereits „Pinch to Zoom“ möglich, also das Vergrößern oder Verkleinern mittels Zwei-Finger-Geste. Wie Bogue berichtete, führte er diese Technologie schon Ende 2003 Apple bei einem Treffen vor, bei dem „vielleicht ein halbes Dutzend“ Hardwareentwickler Apples anwesend waren. Als Beleg dafür, dass Apple tatsächlich durch Bogue von der Multitouch-Technik erfuhr, legte Samsung E-Mails vor, die zwischen Bogue und Apple ausgetauscht wurden.

Neben den durch die Zeugenaussagen in Zweifel gezogenen Gestenpatenten wirft Apple Samsung die Verletzung weiterer Schutzrechte vor. In den kommenden Verhandlungstagen wird es auch um Apples „Doppeltippen“-Patent sowie seine geschützten Geschmacksmuster gehen. Mit den Schlussplädoyers der Anwälte ist Anfang nächster Woche zu rechnen.

[mit Material von Josh Lowensohn, News.com]

Themenseiten: Apple, Gerichtsurteil, Mobile, Patente, Samsung, iPad, iPhone

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1 Kommentar zu Samsungs Zeugen greifen Apples Patente an

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  • Am 15. August 2012 um 1:31 von qwertz

    Selbst Apple: Alles nur geklaut, erbärmlich! Aber erst dadurch, dass er mit allen ihm zu Verfügung stehenden Advokaten jeden an den Pranger stellt, der genau das macht, was er zuvor selber tat. Gleiches gilt für Microsoft. Der hatte schon vor 20 Jahren geklaut und sich den Festplattenverdoppler in sein OS eingebaut. Den Fall hatte er dann auch verloren, wie auch Apple seinen Namen von Apple Records geklaut hatte und ebenfalls in den 90ern den Fall verloren hatte. Apple dürfte es genau genommen als Computerhersteller gar nicht mehr geben, da ihm die Herstellung von Musik abspielenden Geräten – also eigentlich jeden Rechner – untersagt wurde.

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