Die Watson-Technologie von IBM in der Praxis

Vor gut einem Jahr sorgte IBM mit Watson für Aufregung, als der Computer in der US-Fernsehshow Jeopardy seine menschlichen Gegner bezwang. Das Projekt ist aber viel mehr als Spielerei: Erste Unternehmen nutzen die daraus hervorgegangene Technologie nun in Pilotprojekten.

Mensch gegen Maschine – der Wettkampf hat seit jeher große Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Schon der sogenannte „Schachtürke“, ein vorgeblicher Schachroboter, der im 18. Jahrhundert gegen starke Meister gewann, war eine Sensation. Zumindest bis sich herausstellte, dass sich darin ein sehr kleiner aber sehr guter Schachspieler verbarg. Erst 200 Jahre später, in den späten 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, gelang Deep Blue der erste offizielle Sieg eines Computers über einen amtierenden Schachweltmeister.

Mit dem Jeopardy-Sieg von IBM Watson stoßen Computer in eine weitere Wissensdomäne vor, die bislang dem Menschen vorbehalten schien: der des anspruchsvollen Gebrauchs natürlicher Sprache. Basis dieser Leistung ist die sogenannte DeepQA-Technologie von IBM. Diese kann mittels einer massiv parellelen Architektur mehrere tausend Aufgaben gleichzeitig innerhalb weniger Sekunden verarbeiten.

Ivo Körner, der Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet, ist Vice President Software bei IBM Deutschland (Bild: IBM).
Ivo Körner, der Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet, ist Vice President Software bei IBM Deutschland (Bild: IBM).

Sie arbeitet auf Basis des probabilistischen Nachweisprinzips und verbindet viele verschiedene Algorithmen für die Analyse natürlicher Sprache, die Identifizierung von Quellen, die Ermittlung und Generierung von Hypothesen sowie die Feststellung und Bewertung von Nachweisen. In DeepQA werden die Stärken dieser Methoden kombiniert, was einen erheblichen Sprung in der Fragenbeantwortungs-Technologie („Question Answering Technology“, QA) möglich macht. Für Jeopardy! griff das System auf rund 200 Millionen Seiten Wissen in menschlicher Sprache zurück.

Attraktiv für Forschung und Wirtschaft

Abgesehen von der Wirkung derartiger Schaukämpfe auf die Öffentlichkeit, spiegeln sie auch die Anforderungen an die Entscheidungsträger der heutigen Wissensberufe sehr genau wieder: Sie müssen auf der Basis einer potenziell unendlichen Fülle an dokumentiertem Wissen Entscheidungen treffen – besser und schneller als der Wettbewerb. Genau diese Eigenschaft macht die Technologien, die für Watson Pate standen, sehr attraktiv für Forschung und Wirtschaft. Unterschiedliche Branchen wollen sie mittlerweile für ihre Ziele nutzbar machen.

Der US-amerikanische Versicherer Wellpoint beispielsweise arbeitet derzeit gemeinsam mit IBM daran, mit Hilfe der Watson-Technologie Ärzten korrekte Diagnosen bereitzustellen und passende Therapien vorzuschlagen. Dafür greift die Anwendung auf Informationen aus Datenbanken und öffentlich zugänglichen Dokumenten zu, ebenso wie auf Patientendaten, Symptome und Befunde. Watson durchforstet dabei dank seiner massiven Parallelverarbeitung bis zu 200.000 Millionen Dokumentseiten binnen Sekunden.

Watson (Bild: IBM)

Mögliche Lösungen liefert das System dann zum Beispiel in Form von Listen mit wahrscheinlichen Diagnosen und Empfehlungen zur Behandlung. Dafür musste es zunächst mit all diesen Informationen gefüttert werden und den Gebrauch des Fachidioms „lernen“. Mittlerweile stellt es erste Testdiagnosen.

In der freien Wirtschaft erproben ebenfalls die ersten Unternehmen den Praxiseinsatz der Watson-Technologie: Der internationale Finanzdienstleister Citigroup will mit einer entsprechenden Anwendung die Bedürfnisse seiner Kunden genauer und schneller analysieren sowie große Mengen an minutenaktuellen Finanz-, Wirtschafts-, Produkt- und Kundendaten verarbeiten. Ziel ist es, präzisere Entscheidungen schneller zu treffen und damit den Kunden besser zu bedienen.

Die Anwendung kann beispielsweise während eines Beratungsgesprächs passende Angebote finden, Risiken evaluieren und geeignete Alternativen vorschlagen. Mit dieser Anwendung im Privatkundengeschäft will die Citigroup nach eigenen Angaben unter anderem sicherstellen, dass sie Kredite verantwortungsvoll vergibt, immer im besten Interesse der Kunden handelt und den Kunden Dienstleistungen anbietet, die auf ihren zunehmend digitalen und mobilen Lebensstil ausgelegt sind.

Die große Datenflut

Die beiden Beispiele zeigen, auf welches Bedürfnis die Watson-Technologie im Kern abzielt: die Bewältigung und Nutzung der gigantischen Mengen an Informationen, die heute tagtäglich immer schneller produziert werden. 90 Prozent der gesamten Datenmenge weltweit wurde in den letzten zwei Jahren produziert. 80 Prozent davon sind unstrukturiert, also mehr oder weniger in Sprache und Bildern gebunden. Allein die Wall Street wirft jede Minute fünf neue Untersuchungsberichte aus. Und die Gesamtmenge an medizinischen Informationen verdoppelt sich alle fünf Jahre. Diese gewaltige Datenflut birgt ein verheißungsvolles Wertversprechen. Die Watson-Technologie hilft, es einzulösen.

AUTOR

Ivo Körner ...

... ist bei IBM Deutschland als Vice President zuständig für Software - und damit auch für die Kommerzialisierung der Watson-Technologie. Sie wurde im Rahmen der Fernsehspielshow Jeopardy! erprobt, kommt nun aber in ersten ernsthaften Projekten, etwa in Medizin und Finanzwirtschaft, zum Einsatz.

Themenseiten: Big Data, Gastbeiträge, IBM, IT-Business

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1 Kommentar zu Die Watson-Technologie von IBM in der Praxis

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  • Am 30. Mai 2012 um 13:05 von radioflyer

    IBM über seine Produkte
    nachdem ja offensichtlich ist, dass ein VP vom IBM das eigene System und frühere Leistungen lobpreisen wird liest sich der Artikel eher nuchtern. Die sprachgeführten Systeme beim Anruf an einer Hotline haben mehr Reiz als Anreiz.

    Das im medizinischen Bereich finde ich schrecklich. Heute googeln sich schon viele kränker als sie sind, und bei der Anamnese ist die Kunst, die Schummeleien des Patienten aufudecken. Liegt da vielleicht auch eine wesentliche Schwäche von Mr. Watson ???

    Mal sehn…

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