Teure Abwehrmaßnahme: Microsoft übernimmt Skype

8,5 Milliarden Dollar sind ein stolzer Preis. Da aber offenbar auch Avaya, Cisco und Google an Skype interessiert waren, lässt er sich jedoch rechtfertigen. Microsoft verteidigt so seine Position bei kleinen Unternehmen und Privatanwendern.

Logo von Skype

Die Gerüchte hatten sich in den vergangen Tagen schon verdichtet – jetzt ist es amtlich: Microsoft kauft Skype für insgesamt 8,5 Milliarden Dollar – das ist sogar noch mehr, als die Branchenbeobachter zuvor gemutmaßt hatten (7 Milliarden). Damit können die Skype-Besitzer und Investoren zufrieden sein: 2009 hatten sie Ebay für 1,9 Milliarden Dollar die Mehrheit an Skype wieder abgekauft.

Der Dienst, der unter den Ebay-Regie immer nur vor sich hindümpelte, nahm danach richtig Fahrt auf. Zu den richtigen und wichtigen Schritten gehörte etwa der Launch einer Android-App, die Partnerschaft mit dem Telefonie-Konzern Avaya, das Aufsetzen eines Programms für Vertriebspartner und die Veröffentlichung von Connect 1.0, um das Zusammenspiel mit TK-Anlagen und Unified-Communications-Systemen zu verbessern. Und erstmals wurde 2010 ein Gewinn erwirtschaftet – auch wenn der angesichts der hohen Bewertung mit einer niedrigen zweistelligen Dollarbetrag vergleichsweise bescheiden ausfiel.

Die Marschrichtung war damit klar: Skype war auf dem besten Wege seinen langgehegten Wunsch umzusetzen, sich als Business-Tool zu etablieren. Das Ziel wurde durch einen wichtigen Wechsel an der Firmenspitze unterstrichen. Im Oktober 2010 wurde Tony Bates Chef bei Skype – ein Mann, der bis dahin unter Cisco-Chef John Chambers jahrelang den Nutzen von Kollaboration, WebEx-Präsentationen und Videokonferenzen gepredigt hatte.

Etwas mehr als ein Jahr nach der schwierigen Trennung von Ebay hatte Skype also die Weichen neu gestellt und war zum ernstzunehmenden Mitspieler im heiß umkämpften Markt für Kollaborations- und Konferenzlösungen für Unternehmen geworden. Hauptgegner war Cisco – was auch die Gerüchte von Übernahmeabsichten nährte.

Aber auch andere, in dem Feld weniger etablierte Firmen, wurden als Skype-Käufer ins Spiel gebracht, etwa Facebook und Google. Für beide hätte Skype einen Schritt vorwärts in ihrem Bemühen bedeuten können, sich in Firmen festzusetzen. Allerdings wären bei Google die Überschneidungen mit dem bereits vorhandenen Portfolio doch erheblich gewesen.

Microsoft hat seit Jahren schon ein Kommunikationsprodukt, den Office Communications Server. Dessen überarbeiteter Nachfolger wird seit kurzem als Lync vertrieben. Aber weder der Office Communications Server noch Lync haben es bislang zu einer mit Skype vergleichbaren Bekanntheit und Durchdringung gebracht – auch nicht in Unternehmen. So gesehen ist der eingeführte Name Skype viel wert. Aber ist er auch 8,5 Milliarden Dollar wert?

Nein, sicher nicht. Dass sich jetzt Microsoft Skype genehmigt, liegt auch sicher weniger an den Technologien – die meisten davon hat man auch in Redmond. Den Ausschlag dürfte die Angst gegeben haben, dass jemand anders Skype kauft, wenn man es nicht selber tut. Für Microsoft besonders ärgerlich gewesen, wenn das Google gewesen wäre, hätten doch die ohnehin schon verhassten Google Apps dadurch nochmals Auftrieb erhalten.

Cisco, in Firmen Microsofts größtem Widerpart, wenn es um Unified Communications geht, hätte Skype ebenfalls kaufen können. Theoretisch. Praktisch versucht CEO John Chambers gerade das Unternehmen zu verschlanken. Das Ende der Flip-Kameras ist ein Beispiel dafür. Ein Skype-Kauf hätte aber dazu führen können, dass sich Cisco in dem Segment verzettelt – etwa weil sich WebEx und Skype nicht klar gegeneinander abgrenzen lassen.

Dass Skype jetzt bei Microsoft gelandet ist, wird Cisco aber noch so manche Sorgen bereiten. Ebenso wie Cisco hätte auch Avaya Skype kaufen können. Der Fall wäre für Microsoft ein Dorn im Auge gewesen – zumindest im US-Markt, der ja aber das Handeln von US-Firmen oft maßgeblich bestimmt. Der einzige, für Microsoft zunächst ungefährliche Skype-Interessent, war Facebook.

Angesichts dieser Alternativen ist es verständlich, dass Microsoft bereit war, für Skype das Sparschwein zu schlachten. Mit Skype erhält Microsoft ein weiteres, solides Standbein bei Privatanwendern und kleinen Unternehmen – einem Markt, in dem die Redmonder traditionell gut etabliert sind und den ihre Konkurrenz immer wieder für sich zu gewinnen sucht. Unterm Strich hat Microsoft wahrscheinlich für Skype zu viel bezahlt. Der Aufschlag wird es Ballmer aber wert sein – allein, damit die Wettbewerber Skype nicht in die Finger kriegen.

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