Interview: Deutschland trödelt beim Glasfaserausbau

ZDNet: Inwieweit sehen Sie die Politik in der Pflicht?

Hartwig Tauber: Es wäre die Pflicht der Politik, sinnvoll einzugreifen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen Glasfaserausbau auch auf dem Land möglich machen. Die bedeutet nicht unbedingt sofort, dass umfangreiche Fördergelder fließen müssen – wie erwähnt können auch intelligente Koordinierungsmaßnahmen bereits sehr positive Auswirkungen haben.

Die Europäische Kommission hat hier den Politikern mit der Digitalen Agenda klare Ziele vorgegeben: Bis 2020 sollen alle Haushalte in Europa mit 30 MBit/s versorgt sein und die Hälfte der Haushalte sogar mit mehr als 100 MBit/s. Um das zu erreichen, ist schon heute entsprechendes Handeln gefragt.

ZDNet: Wie ist das Verhältnis der Kosten, zum Beispiel bei der Erschließung einer Region mit VDSL oder alternativ mit Glasfaser?

Hartwig Tauber: Es ist nahezu unmöglich, hier echte Kostenvergleiche anzustellen. Denn natürlich bedeutet der Ausbau einer Infrastruktur bis zum Haushalt höhere Erstinvestitionskosten als wenn Teile des bestehenden Kupfernetzes verwendet werden. Dafür zeigt die Praxis, dass die laufenden Kosten für Betrieb und Wartung bei Glasfasernetzen deutlich niedriger sind. Und wenn man bei der Rechnung berücksichtigt, dass mittelfristig sowieso auf Glas bis zum Haushalt aufgerüstet werden muss, sieht die Kalkulation für Glasfaser noch besser aus. Einige Analysten berechnen auch die Kosten pro MBit/s pro Haushalt, was noch günstiger für FTTH ausfällt: Heute sind 1000 MBit/s für einen Haushalt auf Glasfaserbasis möglich, dagegen nur 50 MBit/s bei VDSL.

Das Problem, das wir heute sehr oft sehen ist, dass zwar Jedermann weiß, dass es sich bei FTTH um den Aufbau einer Infrastruktur handelt. Dennoch wird der Business Case oft nur sehr kurzfristig – manchmal sogar im Monatsbereich angesetzt. Und dies ist selbstverständlich nicht sinnvoll. Und bei der Konzentration auf Zwischenlösungen für den kurzfristigen „Shareholder-Value“ geht viel zu oft der Blick auf die Gesamtlösung unter. Erst im Nachhinein erkennt man dann unter Umständen, dass eine sofortige Umsetzung einer langfristigen Lösung viel günstiger wäre als viele teure Zwischenschritte.

ZDNet: Welcher Preispunkt muss denn aus Ihrer Sicht erreicht werden, damit Haushalte das Angebot annehmen?

Hartwig Tauber: Als FTTH Council Europe können wir natürlich den Betreibern und Service-Anbietern keine Preise vorschreiben. Allerdings haben wir dieses Jahr zusammen mit Pyramid Research die Preismodelle von verschiedenen FTTH-Anbietern analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass die Kunden zunächst vor allem an der höheren Bandbreite interessiert sind. Für diese wird auch ein entsprechender Aufpreis bezahlt – wobei dieser meist nicht in direkter Relation zum Geschwindigkeitsgewinn steht. So zahlen Kunden beispielsweise um 15 Prozent höhere monatliche Kosten im Vergleich zu ihrem bisherigen Internet-Anschluss. Sie bekommen dafür aber um 100 Prozent mehr Geschwindigkeit.

ZDNet: FTTH heißt zwar Fiber-to-the-Home, ist aber dennoch nicht nur ein Thema für private Kunden. Welche Bedeutung hat Ihrer Ansicht nach der flächendeckende Glasfaserausbau für Firmen?

Hartwig Tauber: Für Unternehmen ist eine schnelle Telekommunikationsanbindung unerlässlich. Deshalb ist FTTH aus wirtschaftlicher Sicht ein Faktor, der die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe beeinflussen wird. Schon heute zeigt sich, dass Regionen mit Glasfaserversorgung von positiven wirtschaftlichen Effekten profitieren. Die schwedische Stadt Hudkisvall konnte beispielsweise ein Ansteigen der Betriebsansiedlungen um bis zu 14 Prozent jährlich verzeichnen, nachdem 2004 ein Glasfasernetz in Betrieb genommen wurde. Darunter waren auch zwei große Industriebetriebe, für die die Breitbandversorgung ein Standortkriterium war.

Besonders kleine udn mittelgroße Betriebe außerhalb der Ballungszentren profitieren von schnellen Datenanbindungen. Im Umkehrschluss bedeutet es für diese Unternehmen, dass eine Nichtverfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen existenzbedrohend sein kann. Und gerade für Unternehmen sind langsame Zwischenlösungen auf Funkbasis mittelfristig nicht tragbar. Der Glasfaserausbau ist deshalb auch hier das Gebot der Stunde.

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