Wie Microsoft über Nacht zum Cloud-Jünger wurde

Cloud bringt für Microsoft nämlich mehrere Probleme: Die technischen dürften davon die geringsten sein. Viel schwieriger wird es werden, die für den Microsoft-Erfolg so wichtigen Partner langfristig bei der Stange zu halten, wenn das Cloud-Modell in den meisten Fällen eigentlich auch ganz gut mit einer direkten Beziehung zwischen Anbieter und Verbraucher funktioniert.

Immerhin wurden den Partnern auf der Veranstaltung neue Tools für Vertrieb und Promotion der Cloud-Angebote zur Verfügung gestellt. Mit dem wachsenden Cloud-Engagement wird aber die Frage immer drängender, ob die Partner lediglich Steigbügelhalter sind, um dem Konzern für die Cloud-Zeiten in den Sattel zu helfen und anschließend nur noch zusehen können, wie er stolz erhobenen Hauptes davonreitet, oder ob sie langfristig wirklich von der Kehrtwende in Redmond profitieren.

Was wird aus den Partnern?

Je nachdem, wie sie diese Frage für sich entscheiden, werden manche treu zum Hersteller stehen. Andere halten dagegen sicher schon heute nach Alternativen Ausschau, die ihnen auch in Zukunft erlauben, ihren Kunden Dienstleistungen und Beratung anzubieten – und nicht lediglich als Vermittler von Verträgen aufzutreten.

Auch die zusammen mit Dell, Fujitsu und Hewlett-Packard angekündigten Azure-Appliances werfen bisher mehr Fragen auf als sie beantworten – zumindest für tausende von Vertriebspartnern. Bisher gab es Azure nur bei Microsoft. Künftig können sich Unternehmen die Microsoft-Cloud mit den Appliances auch ins eigene Unternehmen holen – möglicherweise mit Betreuung direkt von Microsoft.

Was wird aus den Margen?

Eine weitere Frage ist, ob sich Microsoft Partner in der Cloud-Ära überhaupt noch leisten kann. Schließlich wollen die für ihre Leistungen völlig zu Recht auch einen Teil vom Kuchen haben. Allerdings sollte das Problem der Profitabilität von Cloud Computing für den Anbieter nicht unterschätzt werden. Was damit gemeint ist, macht ein Vergleich der Ausgangslage von Microsoft mit der von Amazon deutlich.

Amazons Online-Einzelhandelsgeschäft ist durch kleine Gewinnmargen gekennzeichnet. Microsofts Software- und Technologiegeschäft dagegen bringt traditionell hohe Margen. Die vergleichsweise ungünstige Ertragslage von Amazon ist ein starker Anreiz dafür, eine hocheffiziente und hochautomatisierte IT-Umgebung zu schaffen – die wiederum die Grundlage für eine Reihe von Cloud-Computing-Diensten bildet. Die können dann günstig genug angeboten werden, um eine große Zahl von Kunden anzusprechen.

Ganz anders bei Microsoft und seinen traditionellen Marktbegleitern: Für sie war es bislang absurd, große Summen in langfristige Geschäftsmodelle mit niedrigen Margen zu investieren. Zur Horrorvorstellung wird es, wenn diese Geschäftsmodelle noch dazu eine Gefahr für die etablierten, sehr ertragreichen Einnahmequellen darstellen.

Was wird aus dem Profit?

Ein Rechenbeispiel zeigt, worum es eigentlich geht: Auf den einzelnen Mitarbeiter umgerechnet beträgt Amazons Gewinn bisher etwa ein Fünftel dessen, was rein rechnerisch ein Microsoft-Mitarbeiter erzielt. Wenn sich dieser Wert bei dem für beide vergleichsweise neuen Geschäftsbereich Cloud Computing auf die Hälfte hochschrauben lässt, wäre Amazon mehr als zufrieden. Für Microsoft dagegen wäre derselbe Wert eine Katastrophe, wäre er doch ein erheblicher Rückschritt, verglichen mit den bisherigen Zahlen.

Offensichtlich glaubt Microsoft aber, nicht mehr darum herum zu kommen. In den kommenden Monaten muss sich jetzt zeigen, wie ernst es Microsoft mit seiner Cloud-Strategie meint. Und dabei werden zwangsläufig irgendwo die Fetzen fliegen: Wenn das, wie jetzt versprochen, nicht bei den Partnern geschehen soll, muss es bei Microsoft selbst passieren. Denn soviel sollte man aus anderen Beispielen gelernt haben: Wird ein Angebot erst einmal komplett ins Internet verlagert, bleibt nichts mehr, wie es zuvor war.

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