Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

Nach einer Analyse des BKA (PDF) der dänischen Sperrlisten von Oktober 2008 bis Januar 2009 kommen 1148 Websites mit kinderpornografischen Inhalten aus den USA. Es folgen Deutschland (199), die Niederlande (79), Kanada (57), Russland (27), Japan (20), Korea (19), Tschechien (15) und Großbritannien (14). In sogenannten „Failed States“, in denen keine Löschung kinderpornografischer Inhalte zu erreichen ist, konnte keine einzige Website ausgemacht werden.

Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass der deutsche Providerverband eco am Montag in einer Presseerklärung bei der Löschung von kinderpornografischen Inhalten eine Erfolgsquote von 100 Prozent verzeichnen konnte. In Deutschland gehostete Angebote mit Kinderpornografie sind binnen Minuten oder Stunden offline. Im Ausland könne eine Löschung von 50 Prozent der Inhalte innerhalb von fünf Tagen erreicht werden. Nach zwei Wochen sind 93 Prozent verschwunden. Bei den restlichen sieben Prozent dauert es etwas länger.

Noch erfolgreicher ist das Bundeskriminalamt bei der Löschung ausländischer Angebote. Auf einer Anhörung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 17. März 2010 konnte das BKA vermelden, dass 86 Prozent aller beanstandeten Inhalte nach nur einer Woche verschwunden sind. Damit widerlegte es seine eigenen Argumente, dass Sperren notwendig seien.

In Deutschland hat die von Franziska Heine gestartete Petition mit mehr als 134.000 Unterschriften dazu geführt, dass im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit der Abgeordneten inzwischen von der Sinnlosigkeit der Sperren überzeugt ist. Zahlreiche Bürgerrechtler haben dargelegt, dass mit Sperren nur ein Vorhang vor die Verbrechen gehängt wird, während die Konsumenten von Kinderpornografie weiter ungehindert ihrer Neigung nachgehen können. Internetsperren sind bei der Bekämpfung von Verbrechen im Internet kontraproduktiv, da sie die Täter vor Strafverfolgung schützen und kein einziges Delikt verhindern.

Weitgehend beratungsresistent sind allerdings viele Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion. So begrüßte etwa Hans-Peter Uhl (CSU) den Vorstoß Malmströms als „taugliches Mittel“. Uhl hat sich bereits mehrfach für weitergehende Zensur eingesetzt, beispielsweise die Sperrung von sogenannten Killerspielen. Auch der Vorsitzende des Innenausschusses Wolfgang Bosbach setzt sich für Internetsperren ein. Der Frankfurter Rundschau sagte er, es werde ein einheitlicher Standard geschaffen, um gegen das grenzüberschreitende Problem vorzugehen. Was offline verboten sei, müsse auch online untersagt werden.

Zu den Befürwortern der Censilia-Richtlinie zählen auch die deutschen Unionsabgeordneten des europäischen Parlaments. Manfred Weber (CSU), Vizechef der EVP-Fraktion, lässt keinen Zweifel daran, dass die Union nicht hinter dem mit der FDP im Koalitionsvertrag ausgehandelten Kompromiss steht und ihn unterlaufen möchte. In einer Presseerklärung auf seiner Website schreibt er: „Wenn sich die FDP in Berlin diesem unverzichtbaren Ansinnen widersetzt, dann müssen wir diesen Sachverhalt eben über Brüssel regeln.“

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ZDNet.de Redaktion

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