Britisches Urheberrechtsgesetz macht Betrieb öffentlicher WLAN-Netze nahezu unmöglich

Der Digital Economy Bill sieht im Fall von Copyright-Verletzungen harte Strafen für Anbieter öffentlicher Wi-Fi-Netze vor. Betroffen sind auch Bibliotheken und Universitäten. Ihnen drohen Schadenersatzklagen und Internetsperren.

Auf Internet-Cafés, Bibliotheken und Universitäten sowie andere Anbieter von öffentlichen WLAN-Netzwerken in Großbritannien kommen harte Zeiten zu, sollte der Gesetzentwurf Digital Economy Bill in seiner jetzigen Form verabschiedet werden. Denn dann müssten sie für Urheberrechtsverletzungen, die über ihr Wi-Fi-Netz begangen werden, ebenso haften wie Privatanwender. Im schlimmsten Fall drohen Schadenersatzleistungen und sogar Internetsperren. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten offiziellen Informationsschrift des britischen Department for Business, Innovation and Skills (BIS) hervor.

Universitäten müssen sich demzufolge überlegen, ob sie sich als Internet Service Provider (ISP) oder als Anschlussinhaber einstufen. Diese Entscheidung hat laut dem Digital Economy Bill weitreichende Konsequenzen: Als Anschlussinhaber können sie bei mehrmaligen Verstößen gegen das Urheberrecht vom Netz getrennt werden. ISPs wiederum sind verpflichtet, Anwenderdaten zu protokollieren und auf Verlangen den Rechteinhabern auszuhändigen. Es gilt als wahrscheinlich, dass nur große Hotelketten und Konferenzzentren sich als ISP registrieren lassen.

Das BIS begründet auch, warum es keine Ausnahmen geben könne. Mache man eine Ausnahme für Bibliotheken, „sendet diese Maßnahme das falsche Signal. Das kann zur Gründung von Scheinorganisationen führen, die einen Ausnahmeantrag stellen und dann zu einem Tummelplatz für Urheberrechtsverletzungen werden.“ Auch Universitäten könne man nicht ausnehmen, weil manche von ihnen bereits strikte Anti-File-Sharing-Regeln in ihren Netzwerken anwendeten. „Es erscheint nicht klug, Universitäten, die bereits ein effektives System gegen Urheberrechtsverletzungen haben, dazu zu zwingen, dieses System aufzugeben und durch eine Alternative zu ersetzen.“

Gegenwärtig ist der Digital Economy Bill zur Überarbeitung im House of Lords. Es gebe noch Spielraum im Gesetzestext, „um die Positionen von Bibliotheken, Universitäten und Wi-Fi-Providern richtig wiederzugeben. Eventuell könnten diese Organisationen in verschiedene Kategorien eingeordnet werden. Je nach Kategorie gibt es unterschiedliche Schweregrade für Urheberrechtsverletzungen, die dann eine Benachrichtigung des Rechteinhabers nach sich ziehen.“

Lilian Edwards, Professorin für Internet-Recht an der Universität Sheffield kritisierte den Gesetzesentwurf gegenüber ZDNet: „Das ist eine sehr unglückliche Maßnahme für kleine Unternehmen – besonders in einer Rezessionsphase. Viele von ihnen nutzen mit sehr großem Erfolg freie Wi-Fi-Netze, um Kunden anzulocken. Selbst, wenn sie ein Passwort verlangen, haben sie nur zwei Optionen. Entweder bezahlen sie einen Dienstleister wie The Cloud, der ihr Netzwerk für sie betreibt, oder sie werden effektiv selbst zum ISP, der alle Benutzer überwacht, für die er eine Verbindung herstellt.“ Das sei aber ein unmöglicher Aufwand für ein kleines Internet-Café.

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