Internetzensurgesetz tritt am 23. Februar in Kraft

Es wurde heute im Bundesgesetzblatt trotz Kritik von Verfassungsrechtlern veröffentlicht. Der Wortlaut einer Dienstanweisung zur Nichtanwendung des Gesetzes ist inzwischen bekannt. Internetprovider sehen zahlreiche Rechtsunsicherheiten.

Das Internetzensurgesetz ist heute im Bundesgesetzblatt Ausgabe 6/2010 veröffentlicht worden und tritt demnach morgen in Kraft. Noch am Tag der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten formulierte das Bundesinnenministerium eine Dienstanweisung (PDF) an das BKA, die Alvar Freude vom AK Zensur vorliegt, das Gesetz nicht umzusetzen.

Verfassungsrechtler sehen sowohl beim Gesetz als auch bei der Dienstanweisung rechtsstaatliche Probleme. Kritiker gehen davon aus, dass der Bund weder die Gesetzgebungskompetenz für ein derartiges Gesetz besitzt noch das Gesetzgebungsverfahren korrekt abgelaufen ist.

Zudem sei es inhaltlich verfassungswidrig, da die Maßnahmen grundsätzlich ungeeignet seien, Kinderpornografie zu bekämpfen. Somit sei eine Grundrechtseinschränkung unzulässig. Zu den Kritikern zählt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem. Die Dienstanweisung birgt Probleme, da die Bundesregierung als vollziehende Gewalt nicht befugt ist, geltende Gesetze nach Belieben auszusetzen.

Das Internetzensurgesetz löste zahlreiche Proteste aus. Mehr als 134.000 Bürger protestierten gegen das Gesetzesvorhaben. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben sich mehr Menschen an den Petitionsausschuss des Bundestags gewandt.

Heute um 13 Uhr tagt der Petitionsausschuss, um den Beschwerdeführern Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen übertragen.

Presseberichten zufolge dient die Inkraftsetzung des Gesetzes mit gleichzeitigem Nichtanwendungserlass vor allem der Gesichtswahrung der Bundesregierung. Opposition, Provider und Bürgerrechtler drängen jedoch auf eine verfassungsmäßig saubere Rücknahme des Gesetzes.

Vor allem die Internetprovider und der Bitkom sehen sich Rechtsunsicherheiten ausgesetzt. Sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes tritt eine Bußgeldregelung in Kraft, die einen Provider bis zu 50.000 Euro kosten kann, wenn er eine Sperrliste nicht innerhalb von sechs Stunden umgesetzt hat.

Die Provider müssen daher eine Zensurinfrastruktur vorhalten für den Fall, dass die jetzige oder eine neue Bundesregierung ihre Meinung zur Nichtanwendung von geltendem Recht ändert oder ändern muss, weil das Bundesverfassungsgericht dies feststellt.

So schreibt etwa 1&1 in einem Blogbeitrag mit dem Titel „Auferstanden aus Ruinen: das Zugangserschwerungsgesetz“, dass es falsch sei, die Provider mit dem Gesetz zur Errichtung einer Infrastruktur zu zwingen, die gar nicht genutzt werden solle. Die Errichtung von Investitionsruinen könne nicht Sinn eines staatlichen Gesetzes sein. Dem Zugangserschwerungsgesetz müsse das Stoppschild gezeigt werden – in Form eines klaren Aufhebungsgesetzes.

Parlamentsbeobachter gehen jedoch davon aus, dass die FDP, die inhaltlich gegen das Internetzensurgesetz ist, morgen im Bundestag die Aufhebungsgesetzentwürfe von SPD, Bündnis90/Die Grünen und Linkspartei geschlossen ablehnen wird.

In der Regierungskoalition wurde vereinbart, das Internetzensurgesetz durch ein sogenanntes "Löschgesetz" zu ersetzen. Ein Löschgesetz gilt aber als überflüssig, da die gesetzlichen Grundlagen, illegale Inhalte zu löschen, bereits existieren und auch praktiziert werden.

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