Stadt Ratingen beschließt Abgabe für Google Street View

Pro Straßenkilometer soll für eine Sondernutzung durch die Street-View-Wagen eine Gebühr von 20 Euro verlangt werden. Grundlage ist das Straßen- und Wegegesetz. Die bayerische Datenschützerin Christine Kamm hat einen Muster-Widerspruch gegen Street View ins Netz gestellt.

Mit diesen Fahrzeugen nimmt Google die Bilder auf, die später in Street View als 360-Grad-Ansichten veröffentlicht werden sollen (Bild: Google).
Mit diesen Fahrzeugen nimmt Google die Bilder auf, die später in Street View als 360-Grad-Ansichten veröffentlicht werden sollen (Bild: Google).

Der Stadtrat von Ratingen hat sich in einer Sitzung am Dienstagabend mehrheitlich dafür ausgesprochen, von Google für das fotografische Erfassen der Straßenzüge für Street View pro Straßenkilometer eine Gebühr von 20 Euro zu verlangen. Als Grundlage dient Paragraf 18 des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegegesetzes. Bei den Fahrten der Google-Wagen soll es sich um eine genehmigungspflichtige Sondernutzung handeln. Insgesamt entstünden Google für das Abfotografieren der Straßenzüge in Ratingen Kosten von etwas über 6000 Euro.

Die rund 90.000 Einwohner zählende Stadt ist nicht die einzige in Nordrhein-Westfalen, in der sich Widerstand gegen den Google-Dienst regt. Berichten der „Rheinischen Post“ zufolge haben auch schon Bürger aus Düsseldorf, Kleve, Krefeld und Wesel protestiert. Außerdem hat sich der Medienminister des Landes, Andreas Krautscheid (CDU), während eines USA-Besuches bei Google gegen die Aufnahmen ausgesprochen und gefordert, dass zumindest Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich gemacht werden.

Das Vorgehen der Stadt wird damit begründet, dass Kommunen derzeit bezüglich Street View rechtlich keine Handhabe gegen Google zur Verfügung steht. Lediglich Privatpersonen können Widerspruch einlegen und ihre Häuser unkenntlich machen lassen. Die bayerische Landtagsabgeordnete Christine Kamm (Grüne) hat dafür gestern einen Muster-Widerspruch (PDF) ins Netz gestellt.

Kamm ist Mitglied der Bayerischen Datenschutzkommission und kritisiert die „ärgerlich vage und minimale“ Informationspolitik von Google. „Als Bürger habe ich nicht die Möglichkeit, das exakte Datum zu erfahren, an dem ein Fahrzeug von Google in 2,5 Metern Höhe über meinen Gartenzaun schaut und Daten erhebt. Denn Google veröffentlicht zwar im Internet Städtelisten mit vagen monatlichen Zeitangaben, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Liste der Städte unvollständig sein könnte und dass außerdem kleinere Städte und Dörfer nicht erwähnt werden, die auf der ‚Durchfahrt‘ erfasst würden. Als Bürger bleibt mir zurzeit also nur das Widerspruchsrecht.“

Google hat zwar zugesichert, Gesichter und PKW-Kennzeichen durch Pixeln unkenntlich zu machen. Nach eigenen Angaben liegt die Erfolgsquote zwischen 78 und 89 Prozent. Kamm hält das aber nicht für ausreichend. „Erstens können wir nicht kontrollieren, ob Google sich in den USA an seine Zusagen hält, und wir wissen nicht, ob der Datensatz vernichtet oder archiviert wird. Zweitens erkennt man an Statur, Haarfarbe, Kleidung und eingeblendeter Adresse, um wen es sich handeln könnte, und drittens gibt es Programme, die eine Verpixelung teilweise rückgängig machen können. Dazu kommt, dass Google auf seinen eigenen Funseiten die peinlichsten Szenen veröffentlicht und zusätzlich davon profitiert, Menschen weltweit bloßzustellen.“

Laut Kamm gibt es bereits Rechtsgutachten, die bestätigen, dass Google Street View deutsches Persönlichkeitsrecht bricht. Dies gelte es in Zukunft auf breiter Front politisch zu nutzen.

Themenseiten: Big Data, Business, Datenschutz, Google, Internet, Privacy

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9 Kommentare zu Stadt Ratingen beschließt Abgabe für Google Street View

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  • Am 16. Dezember 2009 um 14:45 von Panatlantica.org

    Google Street View Ablehnung – irgendwann werden sie es begreifen…
    Noch sind Street View Daten in Deutschland ein Flickenteppich mit großen weißen Stellen. Doch irgendwann wird es andersherum sein und dann sind wenige weiße Stellen auf der Karte übrig geblieben und dann spätestens wird der Tag gekommen sein, da werden die Marketing-Verantwortlichen der Orte und Städte, die sich heute gegen Google Street View sperren, feststellen, dass andere Gemeinden, die Street View Autos zur visuellen Erfassung zugelassen hatten bzw. sich nicht darüber aufgeregt haben, erheblich mehr Touristen verzeichnen können. Oder dass ortsfremde Unternehmen bevorzugt jene neuen Standorte wählen, die sie – insbesondere in einer immer stärker globalisierten Wirtschaft – vorher virtuell bereisen konnten. Das ganze Thema ist eher eine ziemlich mittelalterlich Grundeinstellung als dass es viel mit dem Datenschutz zu tun hat. Wovor haben manche Menschen so Angst? Dass man erkennen könnte, dass gute und ehrbare Bürger auch einmal ein Bordell besuchen, oder dass die Einbruchszahl steigen könnte? Komischerweise ist letzteres in den USA, insbesondere dort, wo Google Street View sehr weit fortgeschritten ist, nicht eingekehrt. Einbrecher werden nach wie vor auch vor Ort sich umsehen müssen, da wird auch Street View wenig „bringen“. Es wird langsam Zeit, dass man hier in Deutschland sich von der alten typischen Unsitte des „prinzipiellen Dagegenseins“ endlich einmal verabschiedet. Den technologischen Anschluss und das intellektuelle Elitetum haben wir längst hinter uns gelassen. Solche Sturheiten heute werden den kommenden Generationen das Leben definitiv schwerer als leichter machen. Aber dazu bräuchte man ja Weitblick und Weltoffenheit, zwei Tugenden, die den Deutschen nur sehr schwer fallen…

  • Am 16. Dezember 2009 um 15:03 von Frank

    böses google
    Auf was für kranke Ideen die Leute kommen. Wenn jemand in der Öffentlichkeit (google nimmt nur das auf, was von öffentlichen Straßen aus einfach sichtbar ist) etwas tut und dabei fotografiert wird, dann noch sein Gesicht verpixelt wird, er außerdem die Möglichkeit hat bei google Bilder löschen zu lassen, was ist das Problem?
    Auch der Einwand das google nicht jedes kleinste Dorf mit angibt, dass auf der Durchfahrt mit erfasst wird, das geht doch so an der Realität vorbei. Wer schaut denn diese Listen durch und plant dann seine persönlichen Wege an diesem Tag anders, oder maskiert sich?
    Wenn Die Städte für das ganz googlen und google-maps benutzen genauso unverschämt zur Kasse gebeten würden ,wie sie das jetzt ihrerseits für die Strßenbenutzen tun wollen, dann wäre sie längst pleite.
    Und dem Datenschutz nützt diese Gebühr nichts.
    Alles ist klar, das Location-Verknüpfte Webanwendungen der große Wachstumsmarkt sind. Da bläst man auch lustig Steuermillionen für Forschungsgelder rein, aber google street-view blockieren?
    Sehr toll. Google ist böse, also sind alle die dagegen sind gut. Wieso ist Google eigentlich böse? Die wissen alles! Huhu. Und die finden auch alles im Web. Ich habe viel mehr Angst vor einem Überwachungsstaat, als davor das google mit einer Datenpanne das für das Geschäft so grundlegende Verbrauchervertrauen auf’s Spiel setzt.

  • Am 16. Dezember 2009 um 15:10 von Reiner

    Zahlen fürs Fotographieren?
    Muss ich jetzt auch bezahlen…. wenn ich fröhlich fotographierend durch Ratingen’s Strassen ziehe?

    • Am 16. Dezember 2009 um 15:15 von Peter Marwan

      AW: Zahlen fürs Fotographieren?
      Hallo,
      nein, das müssen Sie natürlich nicht. Wenn ich die Argumentation richtig verstanden habe, dann ist die Fahrt des speziell ausgerüsteten Fahrzeugs mit gewerblichem Hintergrund eine „genehmigungspflichtige Sondernutzung“ und fällt damit in dieselbe Kategorie wie die Organisation eines Strassenfestes oder das Aufstellen eines Kiosks. Sie als Privatperson brauchen also sicher nicht zu bezahlen, wenn Sie fotografieren wollen.

      Peter Marwan

    • Am 16. Dezember 2009 um 22:20 von Merten

      AW: Zahlen fürs Fotographieren?
      Psst! Sie könnten den Fiskus oder die GEMA noch auf Ideen bringen!

  • Am 16. Dezember 2009 um 21:56 von Uwe

    Google und der Datenschutz
    Die Frau Kamm ist genau die Sorte Politikerin die es in Deutschland möglich gemacht hat das man auf dem „kleinen Dienstweg“ (man fragt einen Bekannten bei der Stadt) alle Finanzdaten der Nachbarn zu sehen bekommt.
    Google sollte solche Städte gleich ganz weglassen und alle pers. Eintragungen in Maps u.s.w. unterbinden und kostenfreie Werbung der Orte rausschmeißen.
    Vor solchen Datenschützern müssten wir eigentlich geschützt werden.

  • Am 16. Dezember 2009 um 22:17 von jocle

    Google Gebühr und Ratingen
    Sagt mal, wer will eigentlich dieses Nest aufzeichnen? Dat kann man nur schnell an allen vier Ecken in Brand setzen…
    Und dann noch Gebühr dafür…. Die Angehörigen der Stadt Ratingen sollten mal ganz flott den Hausarzt wechseln

  • Am 17. Dezember 2009 um 14:59 von Jens

    armes Deutschland
    normalerweise ist mir meine zeit zu schade solche kommentare zu verfassen, heute muss ich es tun…..ok geld für fotografieren???? da muss ich doch fragen wann bezahlen wir fürs atmen?? wer denkt sich so einen blödsinn aus?? leute die in die presse wollen!? was ist denn mit landschafts- oder motivfotografie? bekommt die stadt dort auch „sondernutzungsgebühren“?? sorry hier muss ich sagen meine steuern nicht für solche kranken pokitiker. es ist was ich immer mehr hier in deutschland feststelle am besten man ist erstmal aus prinzip gegen alles, denn man weiss ja nie…… über stillstand und bürokratie muss sich dann bald keiner mehr beschweren.

  • Am 23. Dezember 2009 um 18:55 von Andreas

    Ratinger Rathaus: Hinter dem Mond gleich links…
    Wie kann sich eine Stadtverwaltung nur so der Lächerlichkeit preisgeben? Hätte man im Ratinger Rathaus nur einmal das „verteufelte“ Internet benutzt, dann wäre man schnell auf eine zehn (!!!) Jahre alte Entscheidung des VG Karlsruhe zu diesem Thema gestoßen (2 K 2911/99). Sollte Google klagen, dürfen die Ratinger Bürger auch noch die Gerichtszeche zahlen. Tja, wer lesen kann ist klar im Vorteil…

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