Jboss, Novell und Microsoft: Das Gleichgewicht des Schreckens

ZDNet: Zurück zu Oracle: Trauen Sie es der Firma zu, Red-Hat- und Jboss-Software zu warten?

Fleury: Zunächst liegt es an Oracle, das zu beweisen. Ihr Support mag gut sein, aber sie müssen schon so exzellent wie wir sein, um das Rennen zu machen. Zunächst einmal gibt es nur eine Ankündigung – für die erst noch der Beleg erbracht werden muss. Okay, lassen Sie uns annehmen, die machen das ganz gut. Dann brauchen sie ein Ökosystem aus allen möglichen Partnern. Sie müssen ja auch alles Mögliche supporten: Hardware, Applikationen auf der Server-Software, all die verschiedenen Installationen… das kostet Oracle mindestens zwei Jahre.

ZDNet: Aber Sie schmieden schon fleißig an Abkommen mit anderen großen Playern in der Branche – HP und Unisys etwa, und jüngst Bull -, um sich vor Attacken von Oracle zu schützen.

Fleury: Ach was. Auch wenn ich jetzt etwas arrogant klinge: Ich glaube nicht, dass wir Schutz vor Oracle benötigen. Sie wollen sich mit uns messen: Na großartig, kommt nur her! Mir macht der Angriff durch Microsoft viel mehr Kopfzerbrechen. Das ist eine Rechtsgeschichte, die weitgehend außerhalb unseres Einflusses liegt.

ZDNet: Inwiefern sehen Sie Microsoft im Open-Source-Umfeld als Gefahr?

Fleury: Vorweg: Wir sind ja selbst eine damals viel kritisierte Verbindung mit Microsoft eingegangen: Die Jungs kamen herüber und haben gesagt: ‚Viele Anwender setzen den Jboss-Application-Server auf Windows ein – wir sollten uns gegenseitig unterstützen.‘ Das war eine rein technische Geschichte. Da muss man manchmal pragmatisch sein und über seinen Schatten springen. Das machen übrigens viele, nehmen Sie nur IBM: Die gerieren sich als die großen Open-Source-Befürworter, bekämpfen aber quelloffene Software, wenn es um Websphere oder DB2 geht.

Das Problem mit Microsoft ist aber: Microsoft besitzt eine Menge Patente. Genau wie all die IBMs, HPs und Unisys‘ dieser Welt. Wir dagegen nicht. Steve Ballmer hat bereits behauptet, dass Linux patentiertes geistiges Eigentum von Microsoft nutzt.

ZDNet: Sie sehen also die Gefahr eines großen Patent-Krieges heraufziehen?

Fleury: Nun, ähnlich wie zu Zeiten des kalten Krieges hatten sich die verschiedenen Lager bislang darauf geeinigt, sich nicht gegenseitig mit Patenten – äquivalent zu Atomwaffen damals – weh zu tun. Dieses Gleichgewicht des Schreckens ist mit der Microsoft-Novell-Ankündigung ins Wanken geraten. Das macht mir große Sorgen, zumal sich Ron Hovsepian, CEO von Novell, gerade heute morgen in einem offenem Brief bei der Open-Source-Gemeinde entschuldigt hat. Er sagt darin, dass er keine Ahnung hatte, dass Microsoft so vorgehen könnte. Dumm oder naiv, das ist hier die Frage. Lässt einfach das Biest von der Leine…

ZDNet: Hovsepian scheint kein dummer Mensch zu sein. Vielmehr glaube ich, dass er seit langem eine Allianz mit Microsoft angestrebt hat. Daher musste vermutlich Jack Messman – ein bekennender Microsoft-Hasser – den Chefsessel räumen.

Fleury: Nein, dumm ist Hovsepian bestimmt nicht. Vielleicht etwas zu tatendurstig. Als er den Chefsessel erobert hat, hatte er das Bedürfnis nach Action. Er wollte etwas schaffen. Leider war es das Falsche. Gerade jetzt, wo die GPL 3 vor der Tür steht, die Patentkriege unmöglich machen soll, hat er alle Linux-Distributionen der Gefahr von Patentklagen ausgesetzt. Das bezeichne ich als extrem naiv. Hovsepian ist nicht dumm, aber das war ein extrem dummer Schritt. Er hat Novell damit ins Abseits manövriert und die gesamte Branche in Gefahr gebracht. Ich hoffe wirklich, er weiß, was er tut.

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1 Kommentar zu Jboss, Novell und Microsoft: Das Gleichgewicht des Schreckens

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  • Am 6. Dezember 2006 um 11:49 von Jörg Schneider

    Schach
    Nicht Luke Skywalker hat gegen den Wookie "Schach" gespielt, sondern R2D2…

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