Briefkultur: Zeit für einen E-Mail-Knigge

Obwohl die E-Mail längst nicht mehr nur als informelles Kommunikationsmittel zwischen Gleichgesinnten dient, ist der Umgang damit noch recht lax. Das Fehlen einer E-Mail-Etikette zeigt sich vor allem in der Geringschätzung der Bedürfnisse des jeweiligen Gesprächspartners.

„Entschuldige bitte, Du erhältst heute einen langen Brief; für einen kurzen reichte die Zeit nicht“, so oder ähnlich schrieb einst Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe seiner Freundin Charlotte von Stein. Anders als viele E-Mail-Schreiber von heute wusste er, dass lange, unkonzentrierte, gar fehlerhafte Texte für den Empfänger oft eine Zumutung darstellen. Tatsächlich, so eine vom Handheld-Spezialisten Palm in Auftrag gegebene Studie, ärgern sich 81 Prozent der in Europa befragten „Wissensarbeiter“ über schlampig formulierte Mails. Goethe, wie viele seiner Zeitgenossen, beugte derartigen Reaktionen dadurch vor, dass er den Briefentwurf bearbeitete, kürzte und dann ins Reine schrieb. Das war in einer Zeit ohne Lösch- und Copy-Funktion eine durchaus aufwändige Arbeit.

Längst hat die E-Mail den Brief abgelöst. Sie ist schnell, vergleichsweise zuverlässig, man braucht nicht da zu sein, um sie zu empfangen und man kann dieselbe Information auf einfachste Weise an mehrere Personen gleichzeitig schicken. Obwohl die E-Mail längst nicht mehr als informelles Kommunikationsmittel zwischen Gleichgesinnten (ursprünglich vor allem Wissenschaftlern) dient, ist der Umgang damit noch recht lax. Dabei wird per E-Mail häufig die Arbeit organisiert, Geschäfte werden getätigt, Aufträge werden angenommen und vergeben, Werbung und Informationen werden versandt.

Das Fehlen einer E-Mail-Etikette zeigt sich vor allem in der Geringschätzung der Bedürfnisse des jeweiligen Gesprächspartners. So bieten viele Unternehmen auf ihren Web-Sites zwar die Möglichkeit an, E-Mail-Anfragen an sie zu richten, um die Beantwortung kümmern sie sich jedoch nur lieblos. Nach einer Studie der Novomid AG bleiben in deutschen Unternehmen von täglich rund 55 Millionen Kundenanfragen 18 Millionen unerwidert. Kommt doch eine Antwort, dann wurde sie meist automatisch generiert und klingt entsprechend unpersönlich. Auch unternehmensintern steht nicht alles zum Besten. Fast 80 Prozent der europäischen E-Mail-Nutzer in Unternehmen geben in der PalmOne-Studie an, dass sie erst nachhaken müssen, wenn sie eine Antwort haben wollen. In der Umfrage geht die deutliche Mehrzahl (61 Prozent der 750 Befragten) davon aus, dass sich durch Warten auf E-Mail-Antworten geschäftliche Entscheidungen verzögern. Generell werden schlampig, fehlerhaft oder gar rüde formulierte Mails als Respektlosigkeit aufgefasst und können dazu führen, dass Aufträge verloren gehen. Besonders empfindlich sind hier französische Geschäftspartner. Aber auch Geschäftsführungen deuten europaweit solche Mails gern in diese Richtung.

» Das Fehlen einer E-Mail-Etikette zeigt sich vor allem in der Geringschätzung der Bedürfnisse des jeweiligen Gesprächspartners. «

Weitere Formen der Missachtung rühren daher, dass sich E-Mail-Versender keine Gedanken über ihre Adressaten machen. Anbieter überfrachten ihre Nachrichten mit Bildern und Sounds, ohne daran zu denken, dass manche ihrer Kunden vielleicht nur einen langsamen Modem-Anschluss besitzen. Andere bringen sich ohne Not fast täglich in Erinnerung und müllen so die Postfächer ihrer Empfänger voll. Dabei hilft es nichts, sich künftig generell nur einmal im Jahr und mit einer reinen Textmail zu melden. Die Medienbranche wird nicht ohne Bilder auskommen und Journalisten wollen möglichst rasch über wichtige Ereignisse informiert werden. Es mag aufwändig sein, aber es hilft, in Erfahrung zu bringen, welcher Ansprechpartner, welche Information wann braucht. Kleine gezielte Verteiler sind so gesehen meist sinnvoller als umfangreiche Massenaussendungen. Von zentraler Bedeutung für jede E-Mail ist jedoch der Ton, indem sie verfasst wird. Freundliche Formulierungen helfen über manchen Tippfehler hinweg.

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5 Kommentare zu Briefkultur: Zeit für einen E-Mail-Knigge

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  • Am 1. Oktober 2004 um 9:47 von Hans Schmidt

    Stilfragen
    Sehr geehrter Autor,
    hundert Prozent d´accord, was den Umgangston und den Stil zeitgenössischer E-Mails angeht. Noch überzeugender wäre Ihr Beitrag gewesen, wenn Sie ihn Ihrem Anliegen adäquat verfasst hätten. Aber Passagen wie folgende passen einfach nicht zu dem von Ihnen erhobenen Qualitätsanspruch:

    Dabei wird häufig die Arbeit darüber organisiert, Geschäfte getätigt, Aufträge angenommen und vergeben, Werbung und Informationen darüber versandt.

    Es scheint sich hier um ein ähnliches Phänomen zu handeln, wie das, dass Menschen dazu bringt, ihre Eheprobleme im Nachmittagsfernsehen auszubreiten.

    Nichts für ungut.
    Mit freundlichen Grüßen

    Hans Schmidt

  • Am 1. Oktober 2004 um 16:52 von Hans-Peter Schulz

    Es wurde Zeit
    Hallo,
    es wurde Zeit das man sich mit dem Thema beschäftigt.
    Was ich täglich an E-Mails mit schlechten Umgangsformen erhalte, lässt sich garnicht beschreiben.
    Da ich einen kostenlosen Service anbiete, sollte eine vernünftige Anrede und ein Danke am Schluß ganz normal sein. Aber weit gefehlt. Manche Zeitgenossen behandeln einen schlimmer, als früher die Leibeigenen behandelt wurden.
    Ich habe aber ein gutes und lehrreiches Rezept gefunden.
    5 Spielregeln auf die der E-Mail Schreiber hingewiesen wird und die er einhalten muss.
    Werden die Spielregeln nicht eingehalten bekommt der Papierkorb Nahrung und der Absender keine Antwort.
    Nur so klappt es den Umgang auf ein erträgliches Niveau anzuheben.

  • Am 3. Oktober 2004 um 19:04 von Marc Hauptmann

    Tip: Buch zum E-Mail Knigge
    Hier ein Hinweis auf das Buch mit dem Titel E-Mail "Knigge" für Interessenten an diesem Thema.
    Eine kostenlose Leseprobe gibt es unter
    http://www.email-knigge.de

  • Am 4. Oktober 2004 um 19:53 von B.Eckstein

    Es gibt eine email etiquette
    Z.B. ist es für den Empfänger sehr hilfreich, wenn der Absender seine Antworten unter die betreffenden Quotes, also in die Orginalmail, schreibt.

    Leider wird genau dieses Verhalten von den verbreiteten Mailclients nicht unterstützt, da sie das Quote an’s Ende stellen. Und genau das erzwingt vom Gegenüber, selber wieder die Zuordnung vorzunehmen.

    Diese Regeln, grossteils aus dem Usenet stammend, sind nur leider nicht sonderlich weit verbreitet. Und doch sind sie da und haben sich über lange Jahre bewährt.

  • Am 11. Oktober 2004 um 11:55 von Hugo Wyrsch

    ‚Höflichkeit im digitalen Zeitalter‘ (ein Digital Knigge)
    Die Thematik ist hochaktuell und wurde in ‚Höflichkeit im digitalen Zeitalter‘ vom Autor Felix Walker sehr gut beschrieben. Broschüre, 84 Seiten, im Taschenbuchformat, mit zahlreichen Tipps im Umgang mit den digitalen Medien (E-Mail, Handy, Festnetztelefon).

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