CeBIT: Absatz statt Innovation

Die ungewöhnlichste Neuerung der CeBIT ist jedoch die unter dem Schlagwort Dual Use firmierende Herstellerstrategie zur Ausweitung von Zielgruppen. Gemeint sind damit zum Beispiel Notebooks mit Videoausstattung, die geschäftlich als Konferenzsystem zu gebrauchen sind, privat aber als Spielmaschinen dienen, oder auch Smartphones, deren Multimediafunktionen mal eine Chefanweisung mit Business-Chart übertragen, mal mit MP3-Sounds eine Dienstreise versüßen. Dual Use kommt den Herstellern auf mehrfache Weise entgegen. Es unterstützt ihre Innovationsscheu, denn keine der angebotenen Techniken ist neu. Misslingt die Markteinführung eines Produkts, dann hat man wenigstens nicht teures Geld für riskante Neuentwicklungen verloren. Im Falle eines Erfolgs lockt dagegen neben dem begrenzten Geschäft mit den Unternehmen Massenabsatz im Consumer-Markt. Vor allem aber dienen die gestylten Geräte als Trojanische Pferde. Die Käufer sollen die meist mobilen Systeme (MP3-Player, Smartphone, Notebooks mit Wireless-Ausstattung etc.) bei ihren Arbeitgebern einschleusen. Einige Funktionen wie etwa der Download von Musik, das Versenden von Bildern oder Videoconferencing dienen zudem dazu, den Bedarf für hohe Bandbreiten zu schaffen. Ohne Datenverkehr wüssten die Provider nicht, woran sie bei UMTS verdienen sollen – selbst wenn endlich Geräte auf den Markt kommen sollten.

Eine besonders auffällige Ausprägung von Dual Use besteht darin, dass die Entwicklungen eines der bislang letzten PC-Trends, nämlich Flachbildschirme, in den Unterhaltungsmarkt zu münden scheinen. HP und Dell (beide nicht auf der CeBIT) haben Flachbildschirme zum Fernsehen angekündigt und damit Anbieter von Consumer-Elektronik ermutigt, ihre Produkte auf einer Messe zu zeigen, die sich eigentlich als Fachmesse für professionelle Computeranwender versteht. Zu sehen sind unter anderem digitale TV-Technik, Fernseher mit Festplatte, Plasma- und LCD-Geräte von Philips(Halle 21, B02), Panasonic (Halle 1, 6C2), Hitachi (Halle 1, 3k1), Hyundai (Halle 21, Stand B 29) Sharp Electronics (Halle 1, 7A2), digitale Fernsehtechnik von Sagem (Halle 26, E32) oder Iiyama (Halle 25, 302). Für Laien verblüffend hat sich jedoch auch Chip-Riese Intel (Halle 2, A46) auf dieses Geschäftsfeld begeben. Zwar produziert das Unternehmen keine eigenen Fernseher, aber die Chips dafür. Besonders stolz geben sich Firmensprecher bezüglich einer Bildschirmtechnik mit der Bezeichnung Liquid Crystal on Silicon (LCOS). Dabei handelt es sich um winzige Displays, von denen sich das Bild in hoher Qualität auf Großbildschirme projizieren lässt.

Am Beispiel Intel wird der Zusammenhang mit der Computerei klar. Es geht zum einen um die Digitalisierung des Fernsehens, wie es in den vergangenen Jahren um digitale Foto- und Videokameras ging. Dual Use heißt hier, die gesamte Unterhaltungsindustrie mit PC-Technik zu überziehen, sich dort einen Massenmarkt zu erschließen – mit „Intel inside“. Eine zentrale Rolle könnte dabei der von Intel entwickelte Entertainment-PC spielen, der auf der CeBIT im Standbereich „Digital Home“ gezeigt wird. In ihm vereinigen sich Funktionen von Fernseher Videorekorder, Stereoanlage und Spielekonsole. Gesteuert wird das Multifunktionsgerät über eine einzige Fernbedienung. Vorangetrieben wird das neue Geschäftsmodell durch 200 Millionen Dollar, die Intel in Unternehmen investiert, die Hard- und Softwaretechnik für das angestrebte Digital Home entwickeln. Unterstützung kommt dabei von der Digital Home Working Group, der neben Intel auch Microsoft, Fujistu, Gateway, HP, IBM, Kenwood, Panasonic, NEC, Nokia, Philips, Samsung, Sharp, Sony, Thomson und andere angehören. Die Gruppe hat sich vorgenommen, offene Standards für digitale Geräte und die Übertragung von Inhalten (mit und ohne Kabel) zu schaffen. Das Spektrum reicht vom PC und Drucker über Fernsehgeräte und Settop-Boxen bis zu Stereoanlagen, Handys, PDAs, DVD-Player, Beamern und mehr. Rund um diese Initiative schießen derzeit Unternehmen und Lösungen von der Chip-Entwicklung bis zum Fernsehempfang via USB-Box aus dem Boden, von denen bereits einige auf der CeBIT zu sehen sind. Sofern es Innovation in der IT-Branche gibt, scheint sie sich dem Massengeschäft mit den Konsumenten zu widmen.

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1 Kommentar zu CeBIT: Absatz statt Innovation

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  • Am 4. März 2004 um 13:35 von mabu

    Linux contra Windows
    Man klickt an Linux contra Windows und was erhält man….CeBit Absatz statt innovation ?????????

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