Offshore-Trend weltweit auf dem Vormarsch

Kosten senken um jeden Preis: Immer wenn in den Unternehmen drastisches Sparen angesagt ist, steht das Auslagern von Softwarejobs in "Billiglohnländer" wieder im Mittelpunkt des Interesses.

Den deutschen IT-Profis bläst ein scharfer Wind ins Gesicht. Rund 60.000 von ihnen sind arbeitslos gemeldet – mit nahezu 10 Prozent entspricht dies mittlerweile der allgemeinen Quote. Auch die Zukunft hat wenig Positives für die hiesigen High-Tech-Experten in petto. Der Grund: Weltweit ist Offshore-Outsourcing auf dem Vormarsch – dabei handelt es sich um die Verlagerung von Softwarearbeit in so genannte Billiglohnländer. Sowohl IT-Dienstleister als auch Anwenderfirmen wollen so ihre Kosten drastisch senken. Gute Programmierer gibt es nämlich mittlerweile fast überall. Sie sind qualifiziert, hochmotivert und gleichzeitig preiswert. Ulrich Schäfer, Berater bei dem Marktanalysunternehmen Meta Group: „Aufgrund der Konjunkturflate werden immer mehr IT-Jobs outgesourced werden. Neben Offshore-Kandidaten wie Indien oder Südamerika rücken heute Nearshore-Länder wie die Slowakei, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien in das Blickfeld deutscher Unternehmen.“ Schließlich hätten osteuropäische Computerexperten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil zu bieten: Sie seien von der Mentalität her den Deutschen näher als die IT-Profis anderer Kontinente. Das ist auch einer der Gründe, warum der IT-Dienstleister sd&m AG in Polen eine Niederlassung eröffnet hat. Der Vorstandsvorsitzende Edmund Küpper: „Das liegt quasi vor der Haustür. Sollten Probleme auftreten, sind unsere Leute in zwei Stunden vor Ort.“

Als Offshore-Protagonist tritt dagegen Siemens-Business-Service(SBS)-Chef Paul Stodden auf. Er ist keinesfalls der Meinung, dass Mentalitätsprobleme die Auslagerung von Softwarearbeiten in Nicht-Europäische Länder in irgendeiner Form erschweren könnten. Stodden sieht als künftige ausgelagerte Werkbänke neben Indien vor allem die Länder, China, Argentinien und Venezuela. Um seine Offshore-Theorie zu untermauern, verwies Stodden auf eine aktuelle Untersuchung aus den USA. Nach dieser Studie haben die US-Amerikaner bereits jetzt 600 000 Arbeitsplätze ins billigere Ausland ausgelagert. Experten rechnen in den den nächsten drei bis vier Jahren gar mit drei Millionen. Ein Trend, der weder für amerikanische noch für deutsche Compterfachleute gute Aussichten bietet. Für Letztere hat Stodden zumindest einen kleinen Trost parat: „Da bei den Dienstleistern der Service zumeist lokal beim Kunden stattfinden, ist es in diesem Bereich nur bedingt möglich, Teile des Geschäfts ins Ausland zu verlagern.“

Dieter Scheitor, Leiter des IT-Bereichs bei der IG Metall, hält Stoddens Offshore-Prognosen für reichlich überzogen. Seiner Meinung nach spielen gerade die Mentalitätsprobleme eine große Rolle: „Warum sonst haben so viele deutsche Unternehmen ihre Offshore-Aktivitäten nach kurzer Zeit wieder eingestellt?“ Als aktuelles Beispiel nennt der Frankfurter Gewerkschaftsvertreter EDS. Das Unternehmen sei momentan gerade dabei, seine Call-Center-Aktivitäten aus Ost-Europa aufgrund mangelnder Qualität nach Deutschland zurückzuholen. In der Tat häufen sich in letzter Zeit Medienberichte über gescheiterte Offshore-Engagements deutscher Firmen.

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2 Kommentare zu Offshore-Trend weltweit auf dem Vormarsch

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  • Am 10. September 2003 um 12:48 von Gerhard

    offshore bei Siemens
    die Aussagen von SBS Chef Stodden sind ein gutes Beispiel wie fern die Meinungen der Chefetage von der Realität sind. M.E. liegen derzeit vor allem bei Offshore-Aktivitäten in Indien die Probleme im extremen kulturellen Unterschied, in der Entfernung und dem Zeitunterschied, sowie in der fehlenden Akzeptanz in Deutschland. Weiterhin sind die Schnittstellen zwischen Offshore-Aktivitäten und der Basismannschaft oft unzureichend ausgeprägt und haben so – auch bei Siemens – schon so manches Projekt scheitern lassen. Gerade für diese Schnittstellenfunktion hat sich gezeigt, dass hier indische Kollegen wegen hohen Ressentiment-Barrieren auf deutscher Seite schon oft von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind, unbeachtet von der häufig exzellenten technischen Qualifikation der indischen Kollegen. Dazu kommt die Tatsache, dass Inder vorwiegend für amerikanische Unternehmen arbeiten möchten und Deutschland das Schlußlicht bildet. Trotz der großen Kostenvorteile für exzellente Ressourcen werden diese häufig nicht transparent gemacht oder schlichtweg nicht weitergegeben, womit das Argument der Kostenersparnis sehr schnell abgeschwächt ist. Nach meinen Erfahrungen ist die richtige Mischung aus offshore- und Vor-Ort Aktivitäten gepaart mit Mentaltitätsgeschulten deutschen ‚Indian lovers’für die Schnittstellenfunktion die richtige Kombination für den Erfolg. Gerade hier haben viele Firmen noch ‚room for improvement‘. Ich teile jedoch in keinster Weise die Meinung, dass man mit Offshore-Aktivitäten aus Ost-Europa wie z.Bsp Polen besser fährt. Einziger Vorteil ist hier die Entfernung, der jedoch andere gravierende Nachteile wie Mentalitäts- und Aktzeptanzprobleme mit Deutschland sowie die gegenüber Indien schlechtere Ausbildung und Qualität der Ressourcen nicht aufwiegt.
    Die Anmerkungen sind sicherlich subjektiv und spiegeln meine Erfahrung aus Offshore Aktitvitäten mit Indien, Polen und Tschechien wider.

  • Am 10. September 2003 um 15:16 von HugoM

    billig ist oft teuer
    Unsere Firma ließ vor einem Jahr eine Datenbankanwendung billig in Indien programmieren.
    Anfangs lief die Software noch so halbwegs, doch als die Datenmenge zunahm, ging die Datenbank in die Knie, da für Tabellenzugriffe keine Indices verwendet wurden u.ä.
    Durch das dann notwendige Redesign kam das Ganze in Summe teurer, als wenn man gleich vor Ort programmiert hätte…

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