Weshalb Microsoft beim CRM scheitern könnte

Tech Update: Stimmen Sie der Behauptung von Microsoft zu, dass der Markt für den Mittelstand durch vorhandene Produkte nicht ausreichend abgedeckt sei?

Bradshaw: Nein. Allerdings wäre hierbei zunächst zu bestimmen, was man unter Mittelstand versteht. Die größeren Unternehmen dieses Markts (100 Mitarbeiter und mehr) werden durch SalesLogix und andere Mittelstandsspezialisten gut betreut. Außerdem sind die meisten großen Anbieter ebenfalls an diesem Markt interessiert, sogar Siebel bietet eine „Mittelstandsversion“.

Das Problem liegt eher im unteren Segment des Mittelstands, bei den Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern. Hier werden fertige Lösungen benötigt, die an die Arbeitsabläufe angepasst und in vorhandene Anwendungen integriert werden können. In diesem Sektor ist salesforce.com besonders stark. Die Schwierigkeit liegt hier weniger bei den Produkten als vielmehr in der praktischen Anwendbarkeit und den Kosten für Implementierung, Integration und Support.

Tech Update: Sie erwähnen in Ihrem Bericht, dass viele CRM-Anbieter anfangs Fehler machten. Können Sie hierzu Beispiele nennen? Welche Lehren könnte Microsoft aus diesen Fehlschlägen ziehen?

Bradshaw: Zu meinen persönlichen Favoriten unter diesen Fehlgriffen zählen Oracle, die ein äußerst funktionales CRM-Produkt auf den Markt brachten, das jedoch völlig benutzerfeindlich war, und SAP, die die Einführung ihres CRM-Produkts mindestens dreimal verschieben mussten. Doch zumindest hatte sich SAP die Zeit genommen, das Produkt zu optimieren, auch wenn es dadurch sehr spät auf den Markt kam.

Siebels Kauf von Scopus war eigentlich ganz gut verlaufen. Dennoch glaube ich, dass Siebel diesen Schritt nicht noch einmal unternehmen würde. Die verschiedenen Einkäufe von Kana und Broadbase waren ebenfalls etwas fragwürdig, da die beiden Unternehmen mehr für die Belange der Fusionen und Käufe ausgaben als für die Markteinführung der Produkte. Trotzdem sind all diese Anbieter nach wie vor auf dem Markt, wogegen Clarify und Vantive weg vom Fenster sind, da sie auf die falsche Strategie setzten und Siebel das Feld überlassen haben. Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie das geschehen konnte!

Was Microsoft aus diesen Vorgängen lernen könnte, ist, dass die Entwicklung einer guten CRM-Anwendung Zeit braucht, weshalb sie nicht aufgeben dürfen, falls die erste Version nicht gleich perfekt ist.

Tech Update: Welche anderen CRM-Anbieter haben Produkte auf Grundlage von .NET geschaffen? Weshalb könnte Microsoft besser als diese abschneiden?

Bradshaw: Von den größeren Anbietern bietet unserer Meinung nach nur Pivotal ein annehmbares Produkt an. Kana verfügt über ein Modul auf .NET-Basis, das sie allerdings zugunsten kompletter J2EE-Lösungen vernachlässigen. Dann gibt es noch einige kleinere Unternehmen, die Teilsysteme entwickeln, allerdings machen diese nur sehr selten von sich reden.

Ich denke nicht, dass der Besitz von .NET einen speziellen Erfolgsfaktor darstellt – ich betrachte ihn hier als irrelevant. Ich glaube kaum, dass sich aus .NET ein besonderes Insider-Wissen ableiten lässt. Natürlich ist eine angemessene technische Infrastruktur eine Voraussetzung für den Erfolg, doch diese allein macht noch kein gutes Produkt aus. Dazu ist ausschließlich die Entwicklung einer wirklich durchdachten Anwendung erforderlich.

Tech Update: Inwiefern passt der Einsteig ins CRM in die Strategie von Microsoft?

Bradshaw: Unter strategischen Gesichtspunkten hat Microsoft auf lange Sicht das Ziel, erheblich stärker im Unternehmensmarkt vertreten zu sein. Dazu gehört auch die Entwicklung von Business-Anwendungen (oder der Kauf von Anbietern wie Great Plains und Navision, die über solche Anwendungen verfügen). Daher gehe ich davon aus, dass Microsoft die nötigen Schritte für den Erfolg in diesem Markt unternehmen wird.

Tech Update: Wie stehen also insgesamt die Erfolgschancen von Microsoft?

Bradshaw: Microsoft wird sich einen erheblichen Marktanteil sichern können, wenn es bei seiner Strategie bleibt. Die Mitarbeiter von Microsoft sind nicht dumm. Obwohl dies allein noch keine Garantie für den Erfolg darstellt, denke ich doch, dass es Microsoft letzten Endes schaffen wird. Zumindest dann, wenn man beherzigt, dass es mit dem Erfolg eine Weile dauern könnte, bis Version 3.1 oder so…

Themenseiten: CRM, IT-Business, Strategien

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

1 Kommentar zu Weshalb Microsoft beim CRM scheitern könnte

Kommentar hinzufügen
  • Am 30. September 2003 um 13:57 von Dr. Herbert Horne

    Microsoft und CRM
    Ich halte die Untergangstheorien in Bezug auf Microsoft und CRM für etwas überdehnt. Microsoft startet in diesem Jahr mit CRM, einem vollends ausgereiften Produkt ! Bedenkt man, den Lebenszyklus von Software Applikationen und die Tatsache, dass Microsoft ca. 3 Jahre an diesem Produkt entwickelt hat, so würden Mitbewerber der Branche mit Sicherheit im gleichen Zeitraum eine Version 3.1.x auf den Markt gebracht haben, die jedoch der Version 1.0 von Microsoft in keiner Weise zum Nachteil gereicht. Ich würde mir wünschen, wenn Analystem mehr auf Produktentwicklungszyklen achten als ihre Bewertungen mit Beta-Tester-Mentalität abzugeben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *