Ablösung von Telekom-Chef sollte Aktionäre beruhigen

Demoskopen sehen politischen Schachzug des Bundeskanzlers als Bumerang im Wahlkampf

So hatte sich der Kanzler seine ohnehin kurze Sommer-Pause wohl nicht vorgestellt. Statt beschaulicher Tage im heimischen Hannover hektisches Gezerre um den Chefposten der Deutschen Telekom (Börse Frankfurt: DTE) – und unablässig Negativ-Schlagzeilen in der Presse. Seit die Union in Gestalt von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber die verheerenden Bilanzen bei der Deutschen Telekom und die Enttäuschung von Millionen Kleinanlegern als heißes Wahlkampfthema entdeckte, sah sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verstärkt unter Zugzwang.

Aber die als wirksamer Coup gedachte schnelle Ablösung Ron Sommers von der Telekom-Spitze wurde zu einem zähen öffentlichen Geschacher – und für Schröder zum Bumerang. „Er muss das Ganze nun schnell vom Tisch bringen, sonst könnte sein Macher-Image leiden“, sagt der Meinungsforscher Richard Hilmer vom Institut Infratest Dimap. „Wenn man sich zur Ablösung eines Konzernchefs entscheidet, muss man das auch gut durchziehen. Das ist aber nicht der Fall.“

Auch Schröders bevorzugter Demoskop, Manfred Güllner vom Institut Forsa, sieht, „dass das Ganze nicht glücklich gelaufen ist und ihm auch keine Punkte bringen wird“. Das Echo auf den Personalpoker an der Spitze des größten Telekom-Unternehmens Europas, an dem der Bund als Hauptaktionär 43 Prozent hält, ist entsprechend. „Unwürdig, was da mit einem Menschen passiert, und schädlich in der Sache“, nannte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, den Vorgang. Die Bundesregierung habe auf die Vorwürfe der Union „wahlkampfmäßig“ reagiert und die Ablösung Sommers „nicht professionell betrieben“, schimpfte der SPD-Medienfachmann und frühere Telekom-Aufsichtsrat Peter Glotz. Der Schleudersitz an der Spitze des mit rund 65 Milliarden Euro verschuldeten Telekom-Riesen war nicht verlockend – Wunschkandidaten wie der TUI-Boss Michael Frenzel oder der Daimler-Chrysler-Vorstand Klaus Mangold winkten ab.

Schließlich wurde der SPD-Mann Gerd Tenzer als Nachfolger präsentiert. Aber der 59-jährige Technik-Vorstand der Telekom, der die Geschäftspolitik Sommers seit Jahren mitträgt, gilt nur als Notkandidat, ein Zugeständnis an die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat, die einen harten Sanierer verhindern wollte.

Schröders Politik des schnellen Eingreifens, die sich bei der Pleite des Baukonzerns Holzmann zunächst als effektvoll, am Ende aber als wirkungslos erwies, scheint auch im Fall Telekom nicht von Erfolg gekrönt. „Das sieht nicht so schön aus für die Bundesregierung, denn sie hat keine Lösung parat, die überzeugen würde“, sagt Hilmer. „Wenn Schröder sofort einen geeigneten Kandidaten präsentiert hätte, wäre das sicherlich auch politisch kein besonderes Problem geworden.“

Am Dienstag sollte der Aufsichtsrat in Bonn tagen und sein Machtwort im Fall Sommer sprechen. „Es besteht kein Anlass, den Mann auszuwechseln, er hat gut gearbeitet“, hatte Schröder über den einst als „Wunderkind“ gefeierten Telekom-Manager Sommer noch vor gar nicht langer Zeit dem Magazin „Stern“ gesagt.

Aber die Union ließ nicht locker. Die Bundesregierung sei für die „Geldvernichtung“ bei 2,7 Millionen Kleinanlegern verantwortlich, sagte CSU-Mann Glos. Erst habe sie die Leute in die Volksaktie der Telekom gelockt und dann schaue sie tatenlos zu, wie der Kurs ins Bodenlose sinke. Kanzlerkandidat Stoiber kritisierte bei jeder Gelegenheit, dass sich die Telekom-Vorstände Zulagen zu ihren Millionen-Gehältern genehmigten, während die Kleinaktionäre ihre Kurse im Keller sahen.

Zur Tenzer-Nachfolge höhnte Glos, dies sei wohl die Entscheidung „eines nervös gewordenen Bundeskanzlers“. Der wollte gelassen wirken und wiegelte ab: Das Ganze sei ja allein Sache des Aufsichtsrates; letztlich werde die Sommer-Debatte „keine direkten Auswirkungen“ auf die Entscheidung der Wähler bei der Bundestagswahl am 22. September haben.

Kontakt: Deutsche Telekom, Tel.: 0800/3301000

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