„Ernsthaft“: Bundestag prüft den Umstieg auf Linux

Bericht: Ältestenrat spricht sich für Open Source statt Windows aus / Deutschlandweit fünf Milliarden Mark Sparpotenzial

Der Deutsche Bundestag erwäge nun „ernsthaft“ den Umstieg auf Open Source Software. Gegenwärtig arbeitet ein unabhängiges Institut an einer „Machbarkeits-Studie“ bezüglich der Migration des Deutschen Bundestages von Windows NT zu Linux. Das berichtet die „Berliner Morgenpost“. Neben dem technischen Aspekt werde auch der wirtschaftliche Betrieb geprüft. Daneben habe ein Team Testszenarien im Berliner Rechenzentrum des Bundestages installiert.

Die Verantwortlichen im Bundestag gingen das Thema angeblich „mit großer Herzenskühle“ an. Das erklärte laut Morgenpost der Ministerialrat für die Computer-Technik Gerhard van der Giet. Er sei auch Sekretär jener Kommission, in der die Entscheidung über den Umstieg vorbereitet wird. Im April vergangenen Jahres hatte der Behördensprecher Peter Mäurer gegenüber ZDNet bestätigt:“Wir beobachten Open Source als Alternative zu Windows aufmerksam.“ Zuvor hatte die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik (KBSt) zum Einsatz von Open Source Software in der Bundesverwaltung geraten.

Betroffen sind nun mehr als 5000 PCs der Abgeordneten und Verwaltungsangestellten. Gegenwärtig laufen die Rechner auf Windows-NT, das jedoch im kommenden Jahr von Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) ausgemustert wird. Mit Linux statt Windows 2000 oder XP, so schätzten Experten in der Zeitung, könnte allein der Bund rund 250 Millionen Mark sparen, landesweit wären es etwa fünf Milliarden Mark.

Laut der Morgenpost spiele bei den Erwägungen über ein neues Betriebssystem die 1999 vom Hamburger Chaos Computer Club (CCC) aufgedeckte Hintertür für den US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) in den Betriebssystemen Windows 95, 98, NT sowie 2000 eine entscheidende Rolle. Der CCC hatte unter Berufung auf den Entwickler Andrew Fernandes erklärt, dass die von Microsoft für Programmierer zur Verfügung gestellte Anwendungsschnittstelle für Verschlüsselungsfunktionen, die sogenannte „Crypto API“, gegen das Einspielen und Verändern von Verschlüsselungsmodulen im Betriebssystem normalerweise geschützt sei (ZDNet berichtete ausführlich). Externe Programmierer oder Unternehmen, die Verschlüsselungsfunktionen für die Microsoft-Betriebssysteme zur Verfügung stellen, müssen diese Module zunächst von Microsoft signieren lassen, bevor sie in der Crypto API verfügbar sind.

Bei der Integration von externen Verschlüsselungsmodulen werden diese laut CCC von der Crypto API auf die entsprechende korrekte Signatur mit einem Microsoft-RSA-Key geprüft. Zum Zweck dieser Prüfung befindet sich der Microsoft RSA Public Key im entsprechenden Modul neben einem weiteren RSA Public Key. Durch die versehentliche Herausgabe einer noch mit Debug-Symbolen versehenen Version des Prüfmoduls (in Windows NT4, SP5) konnte damals der zweite RSA Key als mutmaßlich dem Geheimdienst NSA zugehörig identifiziert werden. Er wird im Programm als „NSAkey“ bezeichnet.

Microsoft hatte damals beteuert, der NSAkey sei dem Geheimdienst nicht zugänglich gemacht worden. Er trage lediglich einen missverständlichen Namen, da die NSA zuständig sei für die Exportkontrolle von Verschlüsselungssoftware. Der Schlüssel sei nur für Notfälle gedacht, etwa wenn der erste, offizielle Schlüssel „verlegt“ worden sei.

Allerdings wollte dieser Erklärung kaum jemand Glauben schenken. Der Direktor der in London ansässigen Foundation for Information Policy Research ( FIPR ), Caspar Bowden, etwa gab zu bedenken: „Ein Einbau eines Notfall-Schlüssels macht nur Sinn, wenn er so etwas wie ein Ersatz für den Erstschlüssel ist. Das ist er aber nicht, sondern ein eigenständiger Eingang in das System“.

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13 Kommentare zu „Ernsthaft“: Bundestag prüft den Umstieg auf Linux

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  • Am 8. Oktober 2001 um 18:02 von Andreas

    Über den Tellerrand gucken !!!
    Schön das man endich mal nach etwas anderes Ausschau hält. Das freut mich.

    Aber schon ist mir das ganze wieder nur zu einseitig.

    An dieser Stelle eine Frage an die Redaktion, gibt es eigentlich eine Chance sich öffentlich dazu zu äußern, dem Ausschuss also seine Meinung zu posten ?

    Wenn man wirklich auf SIcherheit und Alternativen guckt sollte man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.

    Linux ist nur eine Alternative.

    MacOS z.B. eine andere.

    Billiger ist nämlich nicht gleich günstiger.

    Ich hoffe man wägt genau ab, was im Bezug auf die Folgekosten für Service und sonstiges wirklich besser ist.

    Für mich stellt Linux keine globale, bessere Wahl dar. Sicherlich aber im Bezug auf die Windows-Monopoly ein erster Schritt um die Massen dazu zu bringen nach rechts und nach links zu gucken.

    In diesem Sinne,

    "Think Different"

  • Am 8. Oktober 2001 um 19:09 von dietmar kaun

    dann macht doch wirklich ernst
    steigt dabei gleich auf StarOffice auf Linux um

  • Am 8. Oktober 2001 um 23:55 von G. Saile

    Und wieder ist ZD-NET parteiisch !!
    Na, habt Ihr wieder mal was gefunden, womit Ihr Eueren Linux-Fetischismus pflegen könnt. Bedauerlich, dass aus Eurer früheren professionellen Berichterstattung ein Sprachrohr nur noch eines Betriebssystems geworden ist. Zumindest solltet Ihr objektiv Vor- und Nachteile aller BS beurteilen und warum diese eingesetzt werden.

  • Am 9. Oktober 2001 um 0:53 von younix

    Ist doch Logisch
    Das sagt einem doch der logische Menschenverstand, dass Microsoft Hintertüren in ihre Produkte einbaut über die Daten ausspioniert werden. Ich habe das schon lange Angenommen und meinen Allerwertesten darauf verwettet. Aber mir glaubt ja keiner. Die NSA wird sich den Key einiges kosten lassen haben.

    Gruß.

  • Am 9. Oktober 2001 um 10:05 von Schmenger

    @ G. Saile
    Merkwürdige Sichtweise.

    1. Ich persönlich hatte eigentlich bisher mehr den Eindruck, ZDNet sei MS lastig und nicht umgekehrt.

    2. Zur Objektivität: Wenn der Verdacht besteht, Rechner des Deutschen Bundestages oder einzelner Abgeordneter seien nicht sicher bzw. abhörbar, so ist das ein vitales Interesse, hier was zu tun und sehr wohl ein objektiver Grund, über einen Wechsel nachzudenken. Open Source hat nun mal den Vorteil, dass der Quellcode offenliegt und mit entsprechendem Aufwand auch weitgehend sicher gemacht werden kann. Bei Betriebssystemen a la MS hat man halt eine BlackBox, ob da Trojaner, Hintertürchen oder ähnliches drin sind, weiss man halt nicht. Genau aus diesem Grund haben auch schon andere Staaten wie Frankreich usw. komplett auf Linux umgestellt.

    Aus genannten Gründen finde ich gerade diesen Bericht objektiv und kompetent.

  • Am 9. Oktober 2001 um 10:27 von Jürgen Schlenker

    LINUX vs MICROSOFT
    Als Anwender schätze ich es, dass es Microsoft gibt, denn erst durch IBM wurde der PC zum Standard und genauso durch Microsoft das heutige Betriebssystem und die Office Anwendungen. Das erleichtert die Arbeit der User erheblich. Allerdings muss sich Microsoft seit einiger Zeit nicht mehr genug anstrengen um Kunden zufriedenzustellen. Die neue Preispolitik für SELECT-Kunden ist ein gutes Beispiel der MS-Arroganz. Ich werde die Entwicklung gespannt beobachten und überlegen wie unser Unternehmen aus den gewonnenen Erkenntnissen Nutzen ziehen kann

  • Am 9. Oktober 2001 um 11:09 von O-Brian

    Linux vs Kleinweich
    Die Lizenz und Preispolitik bei M$ halte ich ebenfalls fuer den Normaluser als untragbar. Mit dem Kauf eines PC wird einem PC schon diese Software mit aufs Auge gedrückt und man kann mit einer Recovery CD Das System nicht mehr wiederherstellen wenn man den Rechner umgerüstet oder aufgerüstet hat.

    Zudem bekommt man zwar ein 32-Bit möchtegern Betriebssystem aber was echtes Multitasking ist sieht man erst unter Linux.

    Es Lebe die Open Source Gemeinde.

    M$ sucks….

  • Am 9. Oktober 2001 um 11:47 von Rainer G. Buchwald - TCD GmbH

    Bundestag, Website-Struktur, Newsletter
    Spitzen-Meldung insbsondere im Hinblick auf den redaktionellen und Info-Gehalt!!

    Struktur und Navigationspotential machen das Handling ihres Portals zu einem ‚Vergnügen‘! Auch die Newsletter sind just in time‘!

    Buchwald

  • Am 10. Oktober 2001 um 5:57 von mylinux

    Bundestag prüft Umstieg auf Linux
    Endlich sind sie dort auch aufgewacht!

  • Am 12. Oktober 2001 um 10:51 von Norbert Trost

    Kostenersparnis beim Umstieg auf LINUX fraglich!
    Der Umstieg auf das Betriebsystem LINUX dürfte zunächst erhöhte Kosten bei der Schulung des IT-Personals und der Anwender erzeugen. Eine schnelle Umstellung dürfte nur mit einer Emulationssoftware wie VM-Ware möglich sein (und die kostet richtig Geld), da viele Anwendungen auf die Windows-Betriebssysteme und den Office-Programmen von Microsoft zugeschnitten sind. Diese müssten erst umprogrammiert werden. Dies geht a) nicht von heute auf morgen und kostet b) Geld (des Steuerzahlers). Hier gilt es also abzuwägen. Die Entscheidung für die Umstellung nur an den Kosten für die Beschaffung des neuen Betriebssystems auszurichten ist m.E. eine Milchmädchenrechnung.

  • Am 30. November 2001 um 14:58 von Norbert-Ablac her

    Ach Norbert
    Das hast du aber schön zusammenargumentiert. Bill selbst hätte es nicht besser machen können.

    Richtig: Es besteht Schulungsbedarf, dieser besteht aber GANZ GENAU SO mein lieber Nobbi wenn man Windos effizient benutzen will!

    Du schwafelst Unfug!

    Ausserdem sollte gerade unser Parlament ein Zeichen setzen und eben nicht nur amerkanische Produkte sondern auch europäische Sachen einsetzen.

    Aber DAS kapierst DU ja nicht!

  • Am 30. November 2001 um 15:00 von Sail Sum

    @Saile
    Oh Schön! Du hast es bemerkt!

    Nein, du siehst deine Felle als verbohrter MS-Consultant schwimmen, so sieht die Sache aus.

    Schade…

  • Am 30. November 2001 um 15:03 von Lachsack

    Mac-Alternative
    Ich lach mich tooot! Es wird hier und in anderen Foren tatsächlich immer wieder die Mär vom Mac als Alternative hochgekocht.

    Sacht mal, ihr Macintaschen, schonmal über so Sachen wie Server, Netzwerke nachgedacht.

    Ein Netz mit 5000 Arbeitsplätzen aus Macs! Hahaha…

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