UMTS: Per Knopfdruck in die Krise

Vor genau einem Jahr begann die Versteigerung der neuen Mobilfunklizenzen in Deutschland / Telko-Aktienkurse nun im Keller

Ein simpler Knopfdurck auf eine Auktionsuhr führte die deutsche Telekommunikationsbranche in die Krise. Vor einem Jahr, am 31. Juli 2000 begann in einer ehemaligen Mainzer US-Kaserne die Versteigerung der neuen UMTS-Mobilfunklizenzen. Das Interesse war groß. Sieben Bieter gingen an den Start – bereit, sich mit Milliardenbeträgen die Zukunft auf dem deutschen Mobilfunkmarkt zu erkaufen.

Für viele wurde das Rennen zur existenzbedrohenden Zerreißprobe. Die Gebote waren in Mainz anfangs relativ bescheiden. Für sechs mögliche Lizenzen kamen in der ersten Runde gut 1,6 Milliarden Mark zusammen – rund 270 Millionen Mark (138 Millionen Euro) pro Lizenz. 172 Runden und drei Wochen später sah die Welt ganz anders aus: Fast 100 Milliarden Mark (51 Milliarden Euro) hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eingenommen.

Jeder der erfolgreichen Bieter stand beim Staat mit mehr als 16 Milliarden Mark in der Kreide. Von da an ging es für die Mobilfunkfirmen steil bergab. An der Börse machten sich bald Zweifel an einem schnellen Start, der Leistung und Wirtschaftlichkeit von UMTS breit. Die Aktienkurse der Telekomwerte rutschten in den Keller, wegen der hohen Schulden wurde es für die Firmen zudem immer schwieriger, an den internationalen Kapitalmärkten Kredite zu günstigen Konditionen zu bekommen.

Nach monatelangem Zögern ließ sich die Regulierungsbehörde durch Hilferufe aus der Branche erweichen und erlaubte Kooperationen beim nochmals milliardenteuren Netzaufbau. Grundstücke, Masten, Antennen, Kabel und Basisstationen können nun gemeinsam genutzt werden. Das spart pro Anbieter bis zu vier Milliarden Mark (2,05 Milliarden Euro).

Dennoch taugt der einstmals gepriesene UMTS-Standard heute nur noch bedingt zum Hoffnungsträger. Vor 2004 rechnet kein Lizenzinhaber mit nennenswerten Umsätzen, viele Experten glauben sogar erst 2005 an einen Durchbruch im Massengeschäft.

Angesichts der Marktsättigung bei der Sprachtelefonie stehen die Firmen vor einer mehrjährigen Durststrecke. Die sechs Lizenzinhaber – Deutsche Telekom (Börse Frankfurt: DTE) , D2 Vodafone, E-plus, Viag Interkom, Mobilcom (Börse Frankfurt: MOB) und Group 3G – blicken unruhig auf die angekündigten Starttermine in der zweiten Jahreshälfte 2002 oder Anfang 2003. Während die Netze bis dahin wohl stehen werden, fürchtet die Branche ein Fiasko durch fehlende UMTS-fähige Mobiltelefone. „Die Endgeräte erweisen sich immer mehr als Flaschenhals“, sagt Bodo Kohlenbach von der Unternehmensberatung Durlacher Research in Bonn.

Mit Grauen lassen die Betreiber die Erfahrungen mit dem WAP-Nachfolge-Standard GPRS Revue passieren: Anfang des Jahres gestartet, gab es monatelang nur ein einziges halbwegs GPRS-taugliches Handy. Bis heute sind es drei. Von echter Bedienungsfreundlichkeit sind die Telefone noch immer weit entfernt, attraktive Dienste fehlen. Die Kundenzahlen sind entsprechend mau. Die Unternehmen wollen nun kein Risiko mehr eingehen. Mit regelrechten Knebelverträgen müssen Ausrüster wie Ericsson, Nokia (Börse Frankfurt: NOA3) oder Siemens (Börse Frankfurt: SIE) pünktliche Lieferung versprechen. Die Büdelsdorfer Mobilcom hat mit ihrem Handy- und Netz-Lieferanten Ericsson hohe Vertragsstrafen vereinbart, wie Firmenvertreter Bernd Eilitz berichtet. „Im schlimmsten Fall müssen wir dann für den Netzaufbau nichts zahlen.“ Neben den Handys ist weiter die Frage nach den Diensten offen, die Millionen von Mobilfunkkunden zum Umstieg auf UMTS verführen sollen: Musik in Echtzeit aus dem Internet, Online-Einkauf, der aus dem Netz geholte Weg zum nächsten Restaurant, E-Mails mit Bildern und Videos oder gleich Videokonferenzen sind nur einige der viel zitierten Möglichkeiten von UMTS.

Vieles davon wird bereits mit dem Vorläufer GPRS möglich sein, nur eben langsamer. T-Mobil-Sprecher Philipp Schindera ist sicher, dass die „Gier nach Bandbreite“ die Kundenzahlen bringen wird. „Heute braucht eine ganz normale E-Mail zwei Minuten“, sagt er. „Das kann mir ausreichen, viele wollen aber mehr.“

Aktuelles und Grundlegendes zum Universal Mobile Telecommunication System bietet ein News-Report zum Thema UMTS.

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2 Kommentare zu UMTS: Per Knopfdruck in die Krise

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  • Am 30. Juli 2001 um 14:01 von Muelleimer

    Analysefehler
    Geht man nach den derzeitigen Artkilen zu diesem Thema, dann stellt man fest, dass offensichtlich Milliarden ausgegeben wurden für ein "Produkt", dessen genaue Anwendungsmöglichkeiten noch nicht feststanden. Ausserdem war der Bedarf noch nicht klar.

    Und derart hohe Summen, die den Marktwert der Unternehmen weit übersteigen auszugeben für einen sog. Standard, der bis zur eigentlichen Markteinführung wahrscheinlich wieder veraltet ist – das ist schon eine Leistung!!!

  • Am 30. Juli 2001 um 22:05 von itcl

    musste sein
    ich krieg eine Krise ….

    WAP und GPRS in einen Topf zu werfen …

    WAP ist ein Anwenderprotokoll und GPRS ist eine Übertragungstechnologie. die haben soviel gemeinsam wie ein Auto und eine Autobahn … (Das Auto fährt auf dieser Strasse aber das kann ein LKW auch …. oder umgehrt … ein Auto kann auch auf einem Feldweg fahren)

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