Oracles „Mr. Linux“

CNet: Viele Leute behaupten, die Entwicklung von Linux ginge schneller voran als die von früheren Betriebssystemen. Einige sagen, das sei in der Natur der Open-Source-Entwicklung begründet, während andere meinen, es liege nur daran, dass Linux sich auf ausgetretenen Pfaden bewege. Was meinen Sie: Reift Linux schneller als andere Betriebssysteme?

Coekaerts: Ja, das tut es.

CNet: In welchem Maße?

Coekaerts: Der Vorteil ist, dass mehrere Unternehmen gleichzeitig an Linux arbeiten. Da gibt es das Kernel-Team von Red Hat, das an der Funktionalität arbeitet, das SuSE-Team beschäftigt sich mit eigenen Projekten, und viele andere Leute, die nichts mit den Anbietern zu tun haben, kümmern sich ebenfalls um Linux-Funktionen. Es gibt also einen riesigen Entwicklungsprozess, der parallel stattfindet. Ein Teil davon ist der natürliche Entwicklungsprozess von Linux, wobei Schritte durchlaufen werden, die andere Betriebssysteme schon hinter sich haben. Aber es gibt auch Projekte, bei denen es um völlig neue Funktionen geht, die noch kein anderes Betriebssystem aufweisen konnte – und das wird unter Linux geschehen.

CNet: Einer der Kritikpunkte an Linux ist, dass es nur Sachen nachahme, die es bereits gibt. Mit anderen Worten: Die Open-Source-Community sei einfach nur im Klonen vorhandener Technologie versiert. Ist das eine berechtigte Kritik? Oder bringt die Linux-Community auch etwas Neues hervor?

Coekaerts: Doch, das tut sie. Tatsächlich hat Alan Cox [Anm.d.Red.: Cox ist Mitarbeiter von Red Hat und einer von Linus Torvalds‘ wichtigsten Stellvertretern] versucht, die Leute dazu zu bewegen, RFCs zu schreiben und Vorschläge für Standards einzureichen, und zwar aufgrund von Funktionen, die es außer bei Linux bei keinem anderen Betriebssystem gibt. Ja, es gibt Bereiche, wo die Entwicklung eher lax gehandhabt wurde, aber es sind auch eine Menge neuer Dinge in Arbeit.

CNet: Muss der Evolutionsprozess für Standards neu durchdacht werden? Wer mit einem neuen Kernel herauskommen will, braucht dazu den Segen von Linus Torvalds. Ist das nicht eine Behinderung?

Coekaerts: Nicht wirklich. Wenn man sich anschaut, wie die Distributoren arbeiten, können diese immer noch Patches rechtzeitig ausliefern, um sie in den Haupt-Kernel zu integrieren, selbst wenn es eine geringe Zeitverzögerung gibt. Es ist eine gute Sache, dass Linus Torwald so ist, wie er ist. Er hat immer die Kontrolle. Die Entscheidungen werden nach technischen Gesichtspunkten gefällt, nicht nach politischen. Da geht es nicht darum, ob er einen Anbieter lieber mag als den anderen. Das bedeutet, dass seine Entscheidungen recht vorhersagbar sind.

» Es ist eine gute Sache, dass Linus Torvalds so ist, wie er ist. Er hat immer die Kontrolle. «

CNet: Aber er ist nur ein Einzelner, und damit wird die ganze Bewegung von seinem Urteil abhängig.

Coekaerts: Im Prinzip stimmt das, aber es ist ein offenes System. Er hat das immer sehr deutlich gemacht und unterstrichen, dass jederzeit Änderungen vorgenommen und Neuerungen vorgeschlagen werden können, die dann in den Kernel aufgenommen werden. Ich habe bislang noch keine wirklichen Probleme damit feststellen können und rechne auch mit keinen. Es ist von Vorteil, wenn ein Einzelner die letzte Kontrolle hat.

 

Themenseiten: Betriebssystem, Linux, Open Source

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

Noch keine Kommentare zu Oracles „Mr. Linux“

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *