Urteil: Online-Durchsuchungen sind grundsätzlich zulässig

Bundesverfassungsgericht erklärt NRW-Gesetz allerdings für nichtig

Das Bundesverfassungsgericht hat die Online-Durchsuchung von Computern grundsätzlich für rechtens erklärt. Der Einsatz von Spionageprogrammen sei unter strengen Auflagen mit dem Grundgesetz vereinbar. Allerdings dürften Ermittler PCs von Verdächtigen nur dann ausspionieren, wenn „eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut“ wie ein Menschenleben oder den Bestand des Staates bestehe. Darüber hinaus benötigten sie generell eine richterliche Anordnung.

Die aktuelle Fassung des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zur Online-Durchsuchung und zur Aufklärung des Internets hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem heutigen Urteil hingegen für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Vorschrift, die den heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme regle, verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner besonderen Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, so die Richter. Insbesondere wahre sie nicht das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Zudem fehle es auch an hinreichenden gesetzlichen Vorkehrungen, um Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu vermeiden.

Die Ermächtigung zum heimlichen Aufklären des Internet des NRW-Gesetzes verletzt nach Ansicht der Karlsruher Richter ebenfalls die Verfassung und ist nichtig. Das heimliche Aufklären des Internet greift dem Urteil zufolge in das Telekommunikationsgeheimnis ein, wenn die Verfassungsschutzbehörde zugangsgesicherte Kommunikationsinhalte überwacht, indem sie Zugangsschlüssel nutzt, die sie ohne oder gegen den Willen der Kommunikationsbeteiligten erhoben hat.

Ein derart schwerer Grundrechtseingriff setze grundsätzlich zumindest die Normierung einer qualifizierten materiellen Eingriffsschwelle voraus. Daran fehle es hier. Die aktuelle Vorschrift lasse nachrichtendienstliche Maßnahmen in weitem Umfang im Vorfeld konkreter Gefährdungen zu, ohne Rücksicht auf das Gewicht der möglichen Rechtsgutsverletzung und auch gegenüber Dritten. Zudem enthalte sie keine Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Ein Journalist, ein Mitglied der Linkspartei und drei Rechtsanwälte, zu denen auch der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) zählt, hatten gegen die NRW-Regelung zur Online-Durchsuchung geklagt. Ihrer Ansicht nach verletzt die heimliche Infiltration von Computersystemen unter anderem das im Grundgesetz garantierte Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) begrüßte die Entscheidung der Karlsruher Richter: „Das Vorhaben der Online-Durchsuchung war von Anfang an juristisch fragwürdig“, sagte DFJV-Vorstand Thomas Dreesen. „Das dieses Jahr in Kraft getretene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung schränkt die Recherchefreiheit der Journalisten ohnehin schon in unzulässiger Weise ein, eine Ausweitung staatlicher Abhörmöglichkeiten durch die geplante Online-Durchsuchung hätte den Informantenschutz der Journalisten noch weiter ausgehebelt.“

Das Verfahren hat nach Ansicht des DFJV grundsätzliche Bedeutung für die geplante Online-Durchsuchung. Der Verband geht davon aus, dass aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die Pläne zur Online-Durchsuchung auf Bundesebene und in anderen Bundesländern vorerst gestoppt sind.

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2 Kommentare zu Urteil: Online-Durchsuchungen sind grundsätzlich zulässig

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  • Am 27. Februar 2008 um 21:51 von JMS

    Verkehrte Welt ?
    ich bin geschockt…nicht von der Entscheidung der Richter, sondern von der Bild-haften Verkehrung der Tatsachen : Die Richter haben durch ein langes prolog genau erklärt, das die Online-Untersuchung nicht grundsätzlich genehmigt ist. Im Gegenteil, diese haben die Grundsätzlichtkeit der Unvereinbarkeit mit dem §10 lange und unter allen Gesichtspunkten erläutert.
    ZdNet kehrt es um : Proletarische Bild-überschrift inside. So wird Meinung gebildet. Herr Greif, haben Sie die – live – gesendete Sitzung gesehen und auch verstanden?
    Wenn nicht, sollten Sie Abstand davon nehmen, diese Entscheidung zu kommentieren; damit wäre auch keine solche überschrift zustande gekommen.
    Jetzt frage ich mich selbst, vor wem wir eigentlich geschützt werden sollen: Staatliche oder private Meinungsmacher?

  • Am 29. Februar 2008 um 16:25 von sven

    Strafrechtliche Konsequenzen des Richterspruchs des BGH in Karslsruhe fuer das Land NRW und andere Laender
    10 Jahre "Correction Camp"(Zuchthaus) ist die minimalste Strafnorm, welche
    der Europarat fuer alle Justizbeamte
    und Cops vorschreibt, fuer das, was die
    NRW-Administration sich schwerkriminell
    geleistet und die Pseudoschutzmaennchen dumm herausgenommen haben.
    Siehe ZDNet:"Die aktuelle Fassung des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zur Online-Durchsuchung und zur Aufklärung des Internets hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem heutigen Urteil hingegen für verfassungswidrig und nichtig erklärt".

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