ORF-Futurezone: Verbotsgesetz tritt um Mitternacht in Kraft

Eine Novelle des ORF-Gesetzes zwingt den Sender zur Abschaltung der renommierten Netzpolitik-Website. Sie wurde vom ORF mit den Zeitungsverlegern selbst verhandelt. Der ORF erhält als "Gegenleistung" 160 Millionen Euro vom Staat.

Der österreichische Rundfunk (ORF) muss seine Website futurezone.orf.at aufgrund einer Novelle des ORF-Gesetzes (PDF) um Mitternacht abschalten. Das Nachrichten-Portal behandelte schwerpunktmäßig die Themen Netzpolitik, Datenschutz und Bürgerrechte.

Es genoss im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus hohes Ansehen. Die vor elf Jahren vom ORF ins Leben gerufene Website galt als Vorbild zahlreicher heute etablierter Blogs, die sich mit netzpolitischen Themen beschäftigen. Heute beklagt die Redaktion die Schließung mit dem Artikel „Futurezone: Down by Law“.

Der Nationalrat beschloss das neue Gesetz, das die Online-Aktivitäten des ORF erheblich einschränkt, im Juni mit den Stimmen der großen Koalition aus SPÖ und ÖVP. Unter anderem dürfen nur noch „sendungsbegleitende“ Beiträge verfasst werden. Ihre Abrufdauer ist auf sieben Tage beschränkt. Ferner ist es dem ORF verboten, anonyme Kommentare zu Beiträgen zuzulassen.

Die offizielle Begründung für das neue Gesetz lautet, dass die Online-Aktivitäten über den Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinausgingen. Tatsächlich beklagten sich zahlreiche Lobbyisten der Print-Medien bei Regierung und Abgeordneten über die Online-Aktivitäten des ORF. An der Abschaltung der international erfolgreichen Futurezone war den Verlegern dabei besonders gelegen.

Der ORF hatte die Passagen im Gesetz zur Abschaltung der Futurezone mit den Zeitungsverlegern selbst verhandelt. Kritiker des Gesetzes monieren, dass dabei monetäre Anreize geschaffen wurden. Der ORF erhält nämlich bis einschließlich 2013 160 Millionen Euro zusätzlich vom Staat, die als „Abgeltung von Gebührenbefreiungen“ definiert wurden.

Punkt Mitternacht wird die Domain futurezone.orf.at auf futurezone.at umgeleitet, die allerdings vom Kurier mit einer eigenen Redaktion betrieben wird und mit der alten Futurezone nichts zu tun hat. Direkte Links auf alte Artikel bleiben jedoch bestehen. Auch unter der Domain fuzov2.orf.at können alle Artikel seit 2006 weiter eingesehen werden.

Die Redaktion der Futurezone wird beim ORF weiterhin an denselben Themen arbeiten. Die Artikel werden in das normale Angebot von orf.at integriert und müssen sich auf eine Radio- oder TV-Sendung des ORF beziehen.

Themenseiten: Internet, Kommunikation, Politik, Zensur

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1 Kommentar zu ORF-Futurezone: Verbotsgesetz tritt um Mitternacht in Kraft

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  • Am 30. September 2010 um 16:16 von Allendorf

    Versteckte Zensur oder bloß Kommerz?
    es fehlen einem erstmal die Worte, wenn Politiker ein überaus erfolgreiches öffentlich rechtliches journalistisches Werk privatisieren. Das Team zwangsweise mit anderem betraut wird. Aussicht der Leser macht das nicht wirklich Sinn und man fragt sich: „War es der kritische Geist und die Profitinteressen von Verlag und Politik?“ Spätestens mit Erfindung der Buchdruckkunst schalteten sich Mächte wie Kirche und andere Herrscher ein um Einfluß zu nehmen. Ein anderes Wort hierfür ist Zensur. Im internetzeitalter ist man da schon geschickter.Kritische Journalismuß wird in die Wüste geschickt! Auch wenn man das nicht will, nicht die Motivation entscheidet, sondern es sollte jedem klar sein, dass sich demokratien ohne kritischen Geist nicht weiterentwickeln können, antidemokratische Signale den Schoß immernoch fruchtbar machen für Faschisten.

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