Deutschland hinkt beim Glasfaserausbau weiter hinterher

Laut neuen Zahlen des FTTH Council Europe haben in Deutschland eine Millionen Haushalte Zugriff auf Fibre-to-the-Home. 166.000 Abonnenten nutzen das Angebot tatsächlich. Hochburgen sind Köln, Norderstedt/Hamburg und München.

Das FTTH Council Europe hat heute auf einer Pressekonferenz in München Zahlen zum Glasfaserausbau in Europa bekannt gegeben. Demnach nutzen in Deutschland 166.000 private Abonnenten die Technik für den Internetzugang. Das sind gerade einmal 0,4 Prozent aller Haushalte. Damit liegt Deutschland in Europa auf einem der hintersten Ränge.

Die höchste Durchdringung mit Fibre-to-the-Home (Glasfaseranschluss bis in die Wohnung) erreichen in Europa Norwegen, Slowenien, Litauen, Lettland, Dänemark, Schweden und Portugal. Die höchsten Anteile an Haushalten mit Zugang zu Fibre-to-the-Building (Glasfaser bis zu einem Übergabepunkt im Gebäude) können Litauen, Russland, Bulgarien, Schweden und Estland vorweisen. In diesen Ländern liegen die kumulierten Werte zwischen rund 27 (Litauen) und gut 7 Prozent (Estland).

Hartwig Tauber, Director General beim FTTH Council Europe, bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen zum Glasfaserausbau vor Journalisten in München (Bild: ZDNet.de).
Hartwig Tauber, Director General beim FTTH Council Europe, bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen zum Glasfaserausbau vor Journalisten in München (Bild: ZDNet.de).

Hartwig Tauber, Director General beim FTTH Council Europe, erklärt die hohen Werte für die skandinavischen Länder mit dem vergleichsweise früh in Angriff genommenen Ausbau. In den Staaten im Baltikum und auf dem Balkan sei der Glasfaserausbau dagegen wegen der völlig unzureichenden Infrastruktur auf Basis von Kupferleitungen energisch vorangetrieben worden. In Portugal ist der vergleichsweise hohe Wert auf die im vergangenen Jahr unternommenen Bemühungen der Telekom Portugal zurückzuführen. Dadurch wurden rund eine Million Haushalte angeschlossen, von denen allerdings erst 20.000 das Angebot nutzen. Laut Tauber sind die Vermarktungsbemühungen aber eben erst angelaufenen.

Ähnlich konzentrierte Bemühungen des ehemaligen Monopolisten vermisst Tauber in Deutschland. Hierzulande dominieren bei der Einrichtung von Glasfaseranschlüssen alternative Anbieter, die von Versorgern und Gemeinden unterstützt werden und sich meist auf die großen Städte beschränken. Das sind vor allem NetCologne im Raum Köln, Wilhelm Tel in Norderstedt und Hamburg sowie M-Net in München (siehe Tabelle unten).

Die Deutsche Telekom hat trotz des zur CeBIT 2011 groß angekündigten Glasfaserausbaus, der Gründung einer Tochterfirma für den Glasfaserausbau, der Vorstellung von Tarifen sowie einem publikumswirksam inszenierten Pilotprojekt bei Privatkunden bisher kaum Zählbares vorzuweisen. Außerdem wurde das ehrgeizige Ziel von 4 Millionen versorgten Haushalten im Lauf des Jahres 2012 auf wenige Hunderttausend reduziert.

Immerhin hat der Konzern offenbar das Ziel erreicht, bis Ende 2011 sein Glasfasernetz in zehn Städten auszubauen und dort 160.000 Haushalte zu erreichen. Diese als Ausbaugebiete ausgewiesenen Kommunen sind Hannover, Neu-Isenburg, Offenburg, Mettmann, Potsdam, Kornwestheim, Rastatt, Braunschweig, Hennigsdorf und Brühl. Außerdem wurde im Herbst 2011 mit den Arbeiten an Glasfasernetzen in Ingolstadt, Aschaffenburg und Erlangen begonnen.

Für bemerkenswert hält Tauber auch die diese Woche bekannt gewordene Kooperation der Telekom mit NetCologne: „Das ist eine 180-Grad-Wende. Damit verwendet die Deutsche Telekom erstmals ein fremdes Netz für den Endkundenzugang. Wenn das Schule macht, könnte das die Adaptionsrate erheblich erhöhen.“

Die deutschen Verbraucher nehmen das Angebot einer schnellen Internetanbindung via Fiber-to-the-Home-Netz nämlich im europäischen Vergleich nur zögerlich an. In Gegenden, in denen FTTH oder FTTB bereits angeboten wird, nutzt es gerade einmal einer von sechs Haushalten. Das Beratungsunternehmen Deloitte führt das darauf zurück, dass Verbraucher vorhandene DSL-Angebote über Kupferkabel oder auch die Netzinfrastruktur der Kabelnetzbetreiber als ausreichend empfinden und für einen Glasfaseranschluss höhere Kosten erwarten.

Nur etwas über ein Viertel der Verbraucher würde für höhere Geschwindigkeiten nennenswerte Mehrkosten akzeptieren. Tauber räumt zwar die geringe Akzeptanz ein, sieht als Gründe dafür aber eher bestehende langfristige Verträge, die Konsumenten bis zu 24 Monate an einen Provider binden, sowie die fehlende oder schlechte Marketing- und Kommunikationsstrategie der Anbieter zum Endanwender.

„Ein großes Land wie Deutschland darf sich nicht so viel Zeit lassen. Es müssen nun endlich die Weichen für eine zukunftssichere Kommunikation gestellt werden – ganz besonders, wenn Deutschland seine Rolle als Lokomotive der europäischen Wirtschaft behalten will“, so Tauber. In dieser Hinsicht sind die Deloitte-Berater mit ihm einig. Sie halten ein Glasfasernetz ebenfalls für notwendig – insbesondere für ländliche Gemeinden, die sich „als attraktive Unternehmensstandorte präsentieren wollen“. Das Land benötige eine klare Ausbaustrategie, Kooperationsmodelle unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen von Regulierungsbehörde und Politik, gezielte Nutzung von Synergien etwa mit Energieversorgern sowie die Erschließung zusätzlicher Einnahmepotenziale, zum Beispiel durch attraktive Content-Angebote.

FTTH-Projekte in Deutschland (Stand Dezember 2011)

Anbieter FTTH-Kunden angeschlossene Haushalte
NetCologne 68.000 250.000
Wilhelm Tel 40.000 200.000
M-Net 30.000 176.000
Deutsche Telekom 0 160.000
HanseNet Telefonica O2 Germany 7200 60.200
Stadtwerke Schwerte 6200 15.000
Andere Anbieter 15.000 150.000

Themenseiten: Breitband, Business, Deutsche Telekom, Kommunikation, M-Net, Marktforschung, Netcologne, Wilhelm Tel

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