Web-Erfinder Tim Berners-Lee warnt vor Facebook

Soziale Netze sind seiner Ansicht nach eine der großen Gefahren für das Netz. Sie erschaffen riesige Datenbanken, auf die niemand Zugriff hat außer dem Unternehmen selbst. Das steht einem offenen und neutralen Web entgegen.

Tim Berners-Lee (Bild: T-Systems Multimedia Solutions)
Tim Berners-Lee (Bild: T-Systems Multimedia Solutions)

Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat Facebook scharf kritisiert. In einem Aufsatz für Scientific American sprach er sich zudem für offene Standards und Neutralität aus.

Laut Berners-Lee ist das Netz in Gefahr. Drei große Gegner macht er aus: Regierungen, die das Nutzungsverhalten ihrer Bürger überwachen; Provider, die Anbieter gegen Geld bevorzugen; Soziale Netze, die abgeschirmt vom Rest des Internets Informationen horten.

Der Wert von Facebook, LinkedIn und Friendster ergebe sich aus den Daten, die Nutzer eingeben: Geburtstag, E-Mail-Adresse, Interessen sowie Links, die Auskunft geben, wer mit wem befreundet ist und wer auf welchem Foto zu sehen ist. „Diese Sites stellen aus den Daten brillante Datenbanken zusammen und verwenden die Informationen, um Werbeeinnahmen zu erzielen – aber nur innerhalb ihrer Site“, schreibt Berners-Lee.

Wer seine Daten bei einem Dienst eingebe, habe keine Möglichkeit, sie auch für einen anderen zu verwenden. „Jede Site ist ein Bunker, abgeschottet von den anderen. Ja, die einzelnen Webseiten Ihrer Site sind im Netz, aber Ihre Daten sind es nicht.“

Laut Berners-Lee besteht das Problem darin, dass die einzelnen Daten keinen Uniform Resource Identifier (URI) besitzen. Verbindungen zwischen Informationen bestünden nur innerhalb einer Site. Diese bilde dann die zentrale Plattform – „ein geschlossener Speicher von Inhalten, der Ihnen nicht die volle Kontrolle über Ihre Daten gibt. Je stärker so eine Form der Architektur genutzt wird, desto fragmentierter wird das Web und desto weniger haben wir einen einzigen, universalen Informationsraum zur Verfügung.“

Die größte Gefahr ist Berners-Lee zufolge die Monopolisierung eines Social Network, einer Suchmaschine oder eines Browsers. Doch er nennt auch positive Beispiele: „GnuSocial und Diaspora sind Projekte im Netz, die es jedem erlauben, sein eigenes Soziales Netz vom eigenen Server aus zu starten und es mit jedem und jeder beliebigen Site zu verbinden.“

Offene Standards seien der notwendige Motor für Innovation. Dabei beschränke sich der Begriff nicht auf gebührenfreie Webtechnologien. „Offenheit bedeutet auch, dass man eine eigene Website oder ein eigenes Unternehmen gründen kann, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen“, schreibt Berners-Lee.

Als Negativbeispiel nennt er Apples iTunes. „Das iTunes-System identifiziert Songs und Videos per URI, die offen sind, aber an Stelle von ‚http:‘ beginnt die Adresse mit ‚itunes:‘ – einem proprietären Format.“ Der Zugriff sei nur über Apples proprietäres Programm iTunes möglich; man könne in der iTunes-Welt keine Informationen verlinken und auch keine Links an Dritte verschicken. „Sie befinden sich dann nicht mehr im Netz. Die iTunes-Welt ist zentralisiert und abgeschottet. Trotz der großartigen Möglichkeiten des Marktplatzes ist seine Entwicklung darauf limitiert, was ein einzelnes Unternehmen sich ausdenkt.“

Themenseiten: Apple, Facebook, Internet, Kommunikation, LinkedIn, Networking, Soziale Netze

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3 Kommentare zu Web-Erfinder Tim Berners-Lee warnt vor Facebook

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  • Am 22. November 2010 um 16:19 von Frank Drews

    Netzwerke funktionieren anders
    Die offene Struktur hat sicherlich einen großen Teil zu dem Erfolg des www beigetragen, so wie wir es kennen.
    Bei sozialen Netzwerken müssen wir aber von ganz anderen Grundannahmen ausgehen. Der Nutzer möchte ja explizit, dass seine Inhalte nur für bestimmter Freunde, Freunde von Freunden etc. sichtbar sind. Das verträgt sich mit einem offenen Internet vom Prinzip her nicht. Mehrere soziale Netzwerke machen außer für spezielle Insellösungen überhaupt keinen Sinn. Der Wert eines sozialen Netzwerkes (Facebook) liegt ja eben darin, dass möglichst viele meiner sozialen Kontakte auf dieser Plattform sind. Die grundlegende Paradigmen verschieben sich gerade. Ich bin auch der Meinung, dass man das sehr kritisch beobachten muss, aber die Prinzipien vom „Tim Berners-Lee www“ passen einfach nicht auf soziale Netzwerke. Sie passen generell nicht auf Netzwerke, dessen Nutzen vor allem davon abhängt, dass möglichst viele Teilnehmer sich in einem Netzwerk befinden (Warenhaus mit Käufern und Verkäufern amazon, oder Aktionshaus wie ebay, twitter, LinkedIN …).
    Die Offenheit in diesem neuen www wird großteilig über APIs hergestellt, die Dienste vernetzen und integrieren.

    • Am 24. November 2010 um 14:38 von Cluesmann

      AW: Netzwerke funktionieren anders
      Die Offenheit die hier angesprochen wird bezieht sich imho wohl nicht so sehr auf die universelle Freizügigkeit der Inhalte, sondern auf die Offenheit des Formats. Bei Facebook kann ich meine Daten eben nicht allen meinen Bekannten zugänglich machen, sondern nur solchen die auch bei Facebook angemeldet sind. Andererseits habe ich keinen Einfluss darauf, wie Facebook letztlich wirklich mit meinen Daten umgehPr

      • Am 24. November 2010 um 16:21 von Frank Drews

        AW: AW: Netzwerke funktionieren anders
        Man kann im Internet nur auf Webseiten verlinken, die auch im Internet sind. Niemand würde auf die Idee kommen, ein anderes, zweites Internet zu fordern.
        Und auf die einzelnen Elemente in Facebook (seinen eigenen Feed, Feeds von Freunden, Nachrichten etc.) hat man über die API sehr wohl Zugriff, wie die vielen Integration in Webseiten, Webapplikationen sowie Apps für die unterschiedlichen Handys zeigen.
        Aber ich stimme zu, dass die Kontrolle der eigenen Daten unzureichend ist, besonders was die Kontaktdaten der Freunde angeht.

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