Wie Microsoft über Nacht zum Cloud-Jünger wurde

Auf seiner Partnerkonferenz diese Woche ließ Microsoft keine Gelegenheit aus, die Ernsthaftigkeit seines Cloud-Engagements zu betonen. Der Sinneswandel kommt nicht freiwillig. Denn er birgt für den Konzern und seine Geschäftspartner erhebliche Risiken.

Eigentlich war es eine Partnerkonferenz, die Microsoft in den vergangenen Tagen in Washington abgehalten hat. Man hätte aber auch glauben können, es sei eine Cloud-Konferenz, denn eigentlich in jeder Meldung von dort kam das Wort vor. Woher kommt die plötzliche Begeisterung?

Zunächst einmal: Die Begeisterung dürfte sich bei Microsoft in Grenzen halten und zum großen Teil gespielt sein. Cloud ist ungefähr das letzte, was der Konzern aus Redmond gebrauchen kann. Schließlich hat er sich ganz gut eingerichtet: Man liefert Software für Desktops, Laptops und Server. Diese kann viel, überschneidet sich in ihren Funktionen häufig und verlangt eine recht intensive Betreuung.

In größeren Firmen kommt – auch wenn der Kunde gefühlt alles aus einer Hand bezieht – zudem immer noch ein gewisser Integrations- und Anpassungsaufwand hinzu. Die Lizenzberatung ist natürlich auch nicht zu vergessen, denn im Rechte- und Klauseldschungel findet sich der normale Käufer nicht ohne weiteres zurecht. Also braucht er Hilfe, um nicht als Raubkopierer oder Falschlizenzierer an den Pranger gestellt zu werden.

Mit dem Modell sind die meisten Microsoft-Partner hervorragend zufrieden, beschert es ihnen doch ansehnliche und weitgehend kontinuierliche Einnahmen. Microsoft profitiert von der Loyalität der Partner, indem es auch Kunden in den fernsten Winkeln dieser Erde erreicht und über den Partner eng an sich bindet. Das ist kein Vorwurf an Microsoft, denn die meisten Kunden sind damit auch zufrieden.

Hätte jemand in den vergangenen Jahrzehnten ein für alle Beteiligten besseres Modell und für die Kunden wesentlich bessere Software vorgestellt, würde das Microsoft-Modell schon längst nicht mehr funktionieren. Aber alle, die es versucht haben, darunter auch so etablierte Firmen wie Sun und IBM, mussten sich mit marginalen Erfolgen zufrieden geben. Eine echte Gefahr für Redmond wurden sie bisher nicht. Das gilt auch für Apple – zumindest in Microsofts angestammten Massenmarkt für Desktops und Laptops.

Doch auf einmal hat sich die Welt geändert: Noch vor etwas mehr als einem Jahr verhielt sich Microsoft in Bezug auf die Cloud sehr abwartend. Man wurde nicht müde, den eigenen Begriff „Software plus Services“ in den Markt zu tragen. Heute baut Microsoft Rechenzentren wie ein Weltmeister und lässt keine Gelegenheit mehr aus zu unterstreichen, wie engagiert man beim Thema Cloud ist.

Den Grund für den Sinneswandel brachte COO Kevin Turner während der Partnerkonferenz auf einer Folie seiner Präsentation auf den Punkt: „Wenn wir unser bestehendes Geschäft nicht durch Cloud-Angebote kannibalisieren, dann werden andere das tun.“ Abgesehen von der Frage, ob das Gefressenwerden durch andere noch Kannibalismus ist, dürfte diese Aussage die Stimmung in Redmond charakterisieren – auch wenn Turner sich und seinen Zuhörern mit Sprüchen wie „wir sind die unangefochtenen Marktführer bei kommerziellen Cloud Services“ Mut machte.

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