NetzDG – „Private Standgerichte gegen Hasskommentare“

Bis zu 5 Millionen Euro Strafe drohen Social-Media-Plattformen, wenn ungeeignete Inhalte nicht schnell von den eigenen Seiten entfernt werden. Strafverfolgung werde so in die Hände der Privatwirtschaft gelegt, argumentiert der Bitkom.

Seit 1.1.2018 gilt das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG. Betreiber von Netzwerken wie Youtube, Facebook oder Twitter müssen offensichtlich illegale Inhalte oder Posts mit Hate-Speach, entfernen. Zudem müssen Betreiber auch rund um die Uhr effektive und transparente Möglichkeiten bereitstellen, über die Nutzer solche Inhalte melden können. Sobald ein Inhalt gemeldet ist, haben die Seiten 24 Stunden Zeit, eine Beschwerde zu bearbeiten. Bei komplexeren Sachlagen sieht der Gesetzgeber eine Frist von bis zu einer Woche vor.

Fake-News und Glaubwürdigkeit sozialer Medien (Grafik: Statista)Fake-News und Glaubwürdigkeit sozialer Medien (Grafik: Statista)

Das Gesetz wurde im Juni verabschiedet und verschärft die Rahmenbedingungen für die Betreiber von sozialen Medien. Nach ersten Klagen hatte Facebook in der Vergangenheit einen externen Dienstleister hinzugezogen, der das Löschen von Inhalten übernimmt. Jede Woche so Facebook, würden mehr als 66.000 Posts gelöscht. Es gebe zwar noch Raum für Verbesserungen, jedoch sei die Aufgabe auch nicht ganz einfach.

Twitter geht einen ähnlichen Schritt und verbietet jetzt Gewaltanspielungen und Hass in Nutzernamen und Biographien. Zudem werden Accounts, gelöscht, die Hate-Speach sowie entsprechende Symbole oder Bilder verbreiten.

Harsche Kritik am NetzDG kommt vom Digitalverband Bitkom. Der Industrieverband sieht in dem Gesetz einen Verfassungsverstoß. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Beitrags trage allein der Betreiber des Netzes. Durch die hohen angedrohten Strafen würden die Unternehmen unter Zeitdruck geraten. Das führe aber letztlich dazu, dass auch legitime Inhalte von den Betreibern gelöscht würden. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „Mit dem NetzDG wird an Symptomen herumgedoktert. Der Staat entledigt sich damit einer Kernaufgabe, der Rechtsdurchsetzung im Internet. Schlimmer noch: Durch das Löschen wird die Strafverfolgung erschwert.“

So sieht Rohleder im NetzDG ist eine „Mogelpackung“. Das Gesetz führe nicht zu einer verbesserten Rechtsdurchsetzung, sondern bedeute in der Konsequenz eine „amtlich verordnete Strafvereitelung“. Auch gelten derzeit keine Leitlinien für Bußgelder, die bei Verstößen gegen das Gesetz auf Unternehmen zukommen. „Dass der Bußgeldkatalog immer noch nicht veröffentlicht ist, spricht Bände. Neben den vielen unbestimmten Rechtsbegriffen im Gesetzestext führt dieser Zustand zu weiterer Rechtsunsicherheit.“ Selbst Beamte wüssten nicht, wie das Gesetz im Einzelfall auszulegen ist.

Das NetzDG sei unvereinbar mit EU-Recht und behindert gemeinsame Regeln gegen Hasskriminalität in Europa, so das Resümee des Bitkom. Rohleder plädiert dafür, statt nationalen Alleingängen eine Europa-weit abgestimmte Regelung zu verfolgen. Der Rechtsstaat müsse die über die sozialen Medien begangenen Straftaten konsequent ahnden und verfolgen. Das mache auch eine ausreichende personell Ausstattung nötig. Doch durch das NetzDG werde genau das Gegenteil erreicht.

„Was jetzt kommt, sind faktisch private Standgerichte in Sozialen Medien, die innerhalb von 24 Stunden urteilen und exekutieren“, kommentiert Rohleder auf seinem privaten Facebook-Account. Weiter heißt es da: „Weil Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeien keine Leute haben, wird die Rechtsprechung privatisiert und in die Hände der großen US-Plattformen gelegt. Ja, Pluralismus ist anstrengend und man mag nicht jeden Mist lesen. Aber deshalb kann man doch nicht einige Grundsätze über Bord werfen, die unser Gemeinwesen konstituieren: das Gewaltmonopol des Staats, die Gewaltenteilung mit Gerichten, die Recht sprechen und Behörden, die es exekutieren – und vor allem die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Wissenschaft.“ Unterstützung bekommt Rohleders Kritik von dem UN-Sonderbeauftragten für Meinungsfreiheit.

David Kaye sieht die Gefahr, dass Social-Media-Unternehmen zu einer Überregulierung gedrängt werden: „Eine solche vorauseilende Zensur würde gegen das Recht verstoßen, im Internet Informationen jeglicher Art zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben.“ Gleichzeitig bemängelt der UN-Beauftragte eine fehlende gerichtliche Aufsicht. Ähnliche Kritikpunkte führt eine gutachterliche Stellungnahme für den OSZE-Beauftragten für die Freiheit der Medien an.

„Facebook und andere soziale Netzwerke dürfen nicht zum Hüter über die Meinungsfreiheit werden. Dass ausgerechnet der Justizminister diese private Rechtsdurchsetzung in Gesetzesform gießen will, ist beschämend“, kritisiert der Verband Reporter ohne Grenzen. Auch Facebook hält das Gesetzt nicht mit dem deutschen Grundrecht vereinbar. Durch das Gesetzt erwarten Betreiber von sozialen Medien Kosten von geschätzt jährlich etwa 530 Millionen Euro, wie der Bitkom in einer Studie ermittelt hat.

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Neueste Kommentare 

5 Kommentare zu NetzDG – „Private Standgerichte gegen Hasskommentare“

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  • Am 2. Januar 2018 um 15:49 von Frank Furter

    Na, dann haben es die Gutmenschen ja endlich geschafft, der Political Correctness einen höheren Rechtsrang zu verschaffen, als der freien Meinungsäußerung. Was an Hass und Hetze aus dem linken Lager gegen nationalistische Kommentare gerichtet ist, ist davon natürlich nicht betroffen.

  • Am 2. Januar 2018 um 21:09 von A.Strebel

    Mit diesem Schwachsinn ,das diese Modepuppe genannt Justizminister Maas erfunden, hat soll erreicht werden, dass Kritik an der Regierung und den Behörden unterbunden wird.Dieses Gesetz passt genau auf Merkels Regierungsstil,wie sie das in der DDR gelernt hat.
    Die BRD wandelt sich in Riesenschritten zur DDR 2.0 um.
    Bezeichnend dafür ist ,dass die erste Person,gegen die dieses Maulkorb-Gesetz angewendet wurde,ein Mitglied der schärfsten Oppositionspartei, der AfD,auf Grund einer amtlichen Anzeige durch die Polizei erfolgte.Merkel hat die Umwandlung der BRD in die DDR GESCHAFFT.

  • Am 3. Januar 2018 um 11:28 von Chris Plath

    Es gibt keine (staatliche geschützte) (Meinungs-)Freiheit für Straftaten wie Verleumdung, üble Nachrede, Ehrverletzung, Volksverhetzung, (verfassungsfeindliche) Desinformation, etc. Für jeden Demokraten, in oder als Unternehmen oder (privat) außerhalb, sollte die Ächtung und Sanktionierung solcher Kriminellen selbstverständlich sein. Wenn missbräulich Hetzpropaganda an Häuserwände etc geschmiert wird, läßt man es auch nicht stehen, weil die Entfernung in die Meinungsfreiheit eingreifen würde – diese Kritik ist nicht nur überzogen, sie geht gänzlich an den Sachverhalten vorbei: das (professionelle) Ausmaß, maßgebliche initiiert, gesteuert und gepusht von ausländischen und inländischen Verbrechern (russ. Trollfabriken, Rechtsradikalen/Afd, etc) gefährdet vielmehr die demokratische Meinungsbildung in Meinungsfreiheit einer freiheitlich Rechtsordnung!!

  • Am 3. Januar 2018 um 11:37 von Chris Plath

    Es gibt keine (staatliche geschützte) (Meinungs-)Freiheit für Straftaten wie Verleumdung, üble Nachrede, Ehrverletzung, Volksverhetzung, (verfassungsfeindliche) Desinformation, etc. Für jeden Demokraten, in oder als Unternehmen oder (privat) außerhalb, sollte die Ächtung und Sanktionierung solcher Kriminellen selbstverständlich sein. Wenn missbräulich Hetzpropaganda an Häuserwände etc geschmiert wird, läßt man es auch nicht stehen, weil die Entfernung in die Meinungsfreiheit eingreifen würde – diese Kritik ist nicht nur überzogen, sie geht gänzlich an den Sachverhalten vorbei: das (professionelle) Ausmaß, maßgeblich initiiert, gesteuert und gepusht von ausländischen und inländischen Verbrechern (russ. Trollfabriken, Rechtsradikalen/Afd, etc) gefährdet vielmehr die demokratische Meinungsbildung in Meinungsfreiheit einer freiheitlichen Rechtsordnung!!

  • Am 3. Januar 2018 um 12:23 von Peter

    Mit seinen Ausführungen zur Strafvereitelung hat H. Rohleder sicher Recht. Aber: Nur weil es inzwischen asoziale Netzwerke gibt, die in D keine Steuern zahlen, taucht ein solches Problem auf. Wenn Facebook & Co. 25% Unternehmenssteuer von ihren Gewinnen bezahlten, wäre es ein Leichtes, mehr Datenpolizisten anzustellen. Solange das nicht funktioniert finde ich das NetztDG prima, besser wäre allerdings, die asozialen Netzwerke überhaupt abzuschalten!

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