Open-Xchange bekommt 21 Millionen Euro von Investoren

Das Kapital soll einerseits zur Expansion in Nordamerika, Asien und Australien aufgewendet werden. Andererseits will sich der deutsche Software-Anbieter damit personelle auf die erwartete, stärkere Nachfrage nach offener Software einstellen. Für die gibt es mehrere Gründe.

Open-Xchange hat eine weitere Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen. Nachdem im Dezember 2016 in einem Serie-C-Funding vor allem Altgesellschafter bereits weitere fünf Millionen Euro in den Anbieter investiert hatten, erhält es in der aktuellen Finanzierungsrunde 21 Millionen Euro. Neben Ecapital Entrepreneurial Partners und der BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft, die bereits seit 2008 an Bord sind, steigt nun die französische Iris Capital ein.

Open-Xchange (Grafik: Open-Xchange)

Von Iris Capital stammt der größte Betrag. An Iris ist wiederum der französische Telekommunikationskonzern Orange beteiligt, der gerade damit beginnt, Millionen von Nutzern auf Produkte von Open-Xchange umzustellen. Diese gegenseitigen Verflechtungen und Verbindungen sind nicht rein zufällig: Wie Rafael Laguna, CEO und Mitgründer von Open-Xchange, gegenüber silicon.de erklärt, geht es den Beteiligten auch darum, ein europäisches, Open-Source-affines Ökosystem zu schaffen, dass für die nächste Entwicklungsstufe des Internets gerüstet ist und ihr wesentliche Impulse geben kann.

Die nächste Stufe in der Entwicklung des Internets ist nach Ansicht von Laguna die dritte: Die erste sei ohne offene Technologen gar nicht denkbar gewesen. Auf ihnen hätten dann große Konzerne ihrer proprietären und in den vergangenen Jahren sehr erfolgreichen Angebote aufgebaut. Nun sei es aber an der Zeit, erstens die Offenheit von Technologien wieder in den Mittelpunkt zu rücken und zweitens zu verhindern, dass langfristig einige wenige Mega-Konzerne die Technologienutzung komplett dominieren.

Rafael Laguna, CEO und Mitgründer von Open-Xchange (Bild: Open-Xchange)Rafael Laguna, CEO und Mitgründer von Open-Xchange (Bild: Open-Xchange)

Damit steht der Open-Xchange-Chef nicht alleine. Zahlreiche Telekommunikationskonzerne und Provider – von denen viele schon in irgendeiner Form Produkte von Open-Xchange nutzen, haben inzwischen erkannt, dass sie sich aktiv gegen die Vereinnahmung von Bereichen wehren müssen, die für ihr Geschäft wichtig sind. Neben dem langjährigen Open-Xchange-Kunden 1&1 gehören dazu auch Vodafone, GoDaddy, Italiaonline, KPN oder Liberty Global und dessen Marken. Open-Xchange-Software nutzen so – bewusst oder unbewusst- inzwischen über 200 Millionen private Nutzer und mittelständische Unternehmen.

In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Umsätze des Unternehmens um 45 Prozent pro Jahr. Seit zwei Jahren wirtschaftet es profitabel und zählt sich nun „mindestens“ zu den Top-20 Software-Firmen in Deutschland – wo es nach eigener grober Schätzung wahrscheinlich auf Rang 12 oder 13 liegt.

Nächste Schritte für Open-Xchange

Der logische nächste Schritt wäre dann der Börsengang. Der dafür angepeilte Umsatz von rund 100 Millionen Euro dürfte in zwei oder drei Jahren erreicht sein. Und genau dafür ist das nun erfolgte Investment auch wichtig. Da in Europa ein Großteil der potenziellen Kundschaft von Open-Xchange schon Kunde ist, wird Wachstum zum einen in Übersee zum anderen in neuen Geschäftsfeldern gesucht.

Zu letzteren gehört auch die Kooperation mit der französischen Suchmaschine Qwant. Die hatte erst im Frühjahr selber von Axel Springer Digital Ventures 3,5 Millionen Euro erhalten. Bereits 2014 hatte der deutsche Investor für eine nicht genannte Summe eine Minderheitsbeteiligung von 20 Prozent an dem französischen Start-up erworben. In der diesjährigen Finanzierungsrunde hat zudem die französische Bank Caisse des Dépôts mit 15 Millionen Euro in Qwant gesteckt.

Vier gegen Google (von links): Frank Hoberg, Co-Founder und Executive Vice President Sales, Open-Xchange, Rafael Laguna, Co-Founder und CEO, Open-Xchange, Jean-Baptiste Piacentino, Deputy CEO, Qwant und Peer Heinlein, Inhaber und Geschäftsführer von Heinlein Support, dem Unternehmen, das ox.io hostet. (Bild: ox.io)Wollen mit ox.io ein „europäisches Google mit Privatsphäre“ schaffen: (von links): Frank Hoberg, Co-Founder und Executive Vice President Sales, Open-Xchange, Rafael Laguna, Co-Founder und CEO, Open-Xchange, Jean-Baptiste Piacentino, Deputy CEO, Qwant und Peer Heinlein, Inhaber und Geschäftsführer von Heinlein Support, dem Unternehmen, das ox.io hostet. (Bild: ox.io)

Sie erhält ebenfalls 20 Prozent der Anteile. Die Beteiligung von Axel Springer erhöhte sich dagegen nicht – was Rückschlüsse auf die Höhe der zuvor investierten Summe zulässt. Von der ox.io genanten, deutsch-französischen Kooperation ist noh im Laufe dieses Jahres Neues zu erwarten. Der Anspruch bei der Gründung war es, ein „europäisches Google mit Privatsphäre“ zu werden. Man darf also gespannt sein.

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„Wir sind weltweit einer der am schnellsten wachsenden Anbieter von strategischen Lösungen für Anbieter von Internetdiensten. Mit unseren Carrier-Grade-E-Mail-Lösungen und Kommunikationsdiensten behaupten sich Hoster, Telekommunikations- und Kabelunternehmen im immer härter werden Wettbewerb mit Google und Microsoft. So ist Open-Xchange beispielsweise eine bewährte und sichere Alternative für Internet-Service-Provider, die mit der Datenpanne bei Yahoo konfrontiert waren“, so Rafael Laguna. Das Geschäft mit ISPs erfordert aber einen langen Atem, viel Personal und erhebliche Vorleistungen, bevor die Rechnung dann bezahlt wird. Die Ressourcen dafür stehen nach der aktuellen Finanzierungsrunde nun bereit.

Ergebnisse mehrerer Leserumfragen von NetMediaEurope zur Bedeutung von Open Source für die Digitalsierung. (Grafik: NetMediaEurope) Ergebnisse mehrerer Leserumfragen von NetMediaEurope zur Bedeutung von Open Source für die Digitalsierung. (Grafik: NetMediaEurope)

Das Kapital wird Open-Xchange eigenen Angaben zufolge primär in den weiteren Ausbau der Bereiche Entwicklung, Engineering und technischen Support investieren. Dadurch sollen neue Wachstumsmöglichkeiten mit den Infrastrukturdiensten DNS (Domain Name System) und E-Mail erschlossen werden. Insbesondere bei DNS sieht man gute Chancen, ist es doch eine kostengünstige und bewährte, aber noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeit schädlichen Datenverkehr zu filtern oder Jugendschutzmechanismen durchzusetzen, wie sie in einigen Ländern, etwa Großbritannien, verlangt werden.

Günstige Voraussetzungen für die weitere Entwicklung

Auch die IMAP-Software von Dovecot, die seit 2015 zu Open-Xchange gehört, spielt eine wichtige Rolle. Mit ihr kommt das Unternehmen eigenen Schätzungen zufolge immerhin auf einen Marktanteil von 75 Prozent bei IMAP-Servern.

Ein weiteres potenzielles Geschäftsfeld ist der öffentliche Sektor, insbesondere in Europa. Durch neuere Entwicklungen in der Politik, etwa die Entscheidung der Landesregierung Schleswig-Holstein, stärker auf Open Source zu setzen, viel wichtiger aber noch die ähnliche Richtung gehende Strategie der französischen Regierung, die Behörden immerhin zum Einsatz von Open Source ermuntert, erhofft sich auch Open-Xchange Impulse im Behördengeschäft. Aktionen auf Europa-Ebene könnten sich da ebenfals positiv auswirken.

Im Gesundheitswesen und in Biowissenschaften ist Open Source besonders verbreitet. (Bild: Black Duck)Im Gesundheitswesen und in Biowissenschaften ist Open Source (Stand April 2017) bereits besonders verbreitet. (Bild: Black Duck)

Offene, sichere und transparente IT-Strukturen sind nach Ansicht von Laguna nur mit Open Source möglich. Als einerseits bei großen Firmen in wichtigen und anspruchsvollen Bereichen deren Infrastruktur gut etablierte, andererseits auch im Open-Source-Ökosystem sehr aktive und gut vernetzte Firma glaubt Open-Xchange von dieser Entwicklung profitieren zu können. Die Hoffnung dürfte berechtigt sein, schließlich ist das Geschäftsmodell der Mitbewerber mehr oder weniger konsequent darauf ausgerichtet, Daten zu sammeln, Inseln zu schaffen, Nutzer in das eigene Universum zu zwingen und ihnen die Wahlfreiheit zu nehmen.

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Das ist nicht nur wirtschaftlich gefährlich, sondern auch aus Sicherheitsaspekten: Wenn wenige, monolithische Systeme dominieren, reicht Angreifern oder Überwachern ein kleines Arsenal an Lücken, um nahezu alle Anwender anzugreifen oder auszuspionieren. Yahoo, das Open-Xchange jetzt in einigen Ländern in Asien mit seinen Partnern ablösen will, ist ein Beispiel dafür.

Microsoft und Linux (Grafik: Microsoft)

Nicht mehr ganz ins Feindbild passt dagegen Microsoft. Der Konzern aus Redmond hat inzwischen tiefgreifende Änderungen durchgemacht. Da ist einmal seine früher undenkbare Aufgeschlossenheit gegenüber Open Source und Linux. Aber auch seine umfangreichen und manchmal etwas umständlichen Bemühungen, datenschutzkonforme und Hintertüren-freie Angebote über lokale Partner auszuliefern gehören dazu. Und auch die neue Bereitschaft zu Koexistenz und Genügsamkeit, die sich darin ausdrückt, dass man sich bei Microsoft nun auch schon damit zufrieden gibt, überhaupt irgendwie bei den Nutzern in Kontakt zu sein, anstatt deren gesamtes Computersystem zu beherrschen, gehören dazu. Diese Bemühungen sind nicht immer sofort von Erfolg gekrönt. Sie zeigen aber, dass man in Redmond verstanden hat, was die Uhr geschlagen hat.

Und selbst wenn diese Wandlung Firmen wie Open-Xchange den einen oder andern Auftrag kostet, so bestätigt sie diese doch indirekt aber grundlegend in ihrem Ansatz. Und wenn der sich durchsetzt, kann das für ein vielfältiges, lebendiges, innovatives und mehr Menschen nutzendes Wirtschaftssystem in der IT nur gut sein.

Tipp: Wie gut kennen Sie sich mit Open Source aus? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.

Themenseiten: Open Source, Open-Xchange

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