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Drehbuch aus der Kaserne: US-Militärs beeinflussen zahlreiche Filme und TV-Serien

Das US-Verteidigungsministerium sowie die Geheimdienste CIA und NSA haben über 1800 Kinofilme sowie Fernsehsendungen beeinflusst – und damit weit mehr als bisher bekannt. Darüber hinaus wurde die Produktion von Filmen verhindert. Das geht aus Dokumenten hervor, die zwei Autoren durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhielten.

Die zuvor unbekannten Dokumente mit über 4000 Seiten wurden von Tom Secker und Matthew Alford im Rahmen eines Crowdfunding-Projekts unter Berufung auf den Freedom of Information Act (FOIA) angefordert. Die Auswertung veröffentlichten sie in Buchform mit dem Titel National Security Cinema.

Experten gingen bislang von etwa 200 Filmen und einigen wenigen Fernsehproduktionen aus, an deren Produktion ein kleines Verbindungsbüro im Pentagon mitwirkte und sich dabei auch begrenzte Mitwirkung an den Drehbüchern sicherte. Tatsächlich aber waren Militär und Geheimdienste an über 800 Spielfilmen sowie über 1000 TV-Titeln beteiligt und nahmen massiv Einfluss auf Inhalte und Drehbücher.

Einfluss können die Regierungsorganisationen schon deshalb ganz einfach nehmen, weil sie kostspielige militärische Ausrüstung von Panzern über Hubschrauber bis hin zu Kampfflugzeugen und Flugzeugträgern zur Verfügung stellen – oder aber ihre Nutzung verweigern können. Als Druckmittel eignet sich auch die Dreherlaubnis in einem Luftwaffenstützpunkt oder der CIA-Zentrale in Langley, die nur bei bereitwilliger propagandistischer Mitwirkung gewährt wird.

Wenn sich ein Autor oder Produzent an das Pentagon wendet und wegen militärischem Gerät für die Filmproduktion anfragt, muss er das Drehbuch an ein Verbindungsbüro des Verteidigungsministeriums einreichen, deren Chef Phil Strub das letzte Wort hat. Wenn ihm Personen, Handlungen oder Dialoge nicht passen, müssen die Filmemacher entsprechende Änderungswünsche umsetzen. Sie müssen sich vertraglich verpflichten, nur eine vom Militär abgesegnete Version des Drehbuchs zu verwenden.

Die Militärzensoren beaufsichtigen selbst die Dreharbeiten bei wichtigen Filmen, um künstlerische Improvisationen zu verhindern, die nicht ihrer Linie entsprechen. So kam es bei der Verfilmung von Iron Man zu einer Konfrontation zwischen Phil Strub und Regisseur Jon Favreau, der einen Soldaten sagen lassen wollte: „Andere würden sich umbringen für die Chancen, die ich habe.“ Der Satz kam im Film dann nicht vor, weil Suizide amerikanischer Soldaten für das Pentagon ein absolutes Tabuthema darstellen. Selbst eine indirekte Erwähnung könnte an die hohe Zahl von Selbsttötungen erinnern, durch die während des Afghanistan-Kriegs mehr US-Soldaten ums Leben kamen als durch Kampfhandlungen.

Zensur: „Du weißt, was passieren wird. Es wird Krieg geben, und vielleicht gewinnen wir diesmal.“

Verlorene Kriege sind schon gar nicht zu erwähnen. In „Der Morgen stirbt nie“ gelangt James Bond nach Vietnam, und laut Drehbuch sollte ein CIA-Begleiter zu ihm sagen: „Du weißt, was passieren wird. Es wird Krieg geben, und vielleicht gewinnen wir diesmal.“ Die Militärzensur bekam es mit und untersagte den Satz. Auch bei der Hulk-Verfilmung 2003 wurde ein Bezug zum Vietnamkrieg entfernt. Außerdem wurde das Labor, in dem Hulk versehentlich geschaffen wurde, zu einer nichtmilitärischen Einrichtung umgeschrieben und der Laborleiter zu einem Ex-Militär gemacht. In einem Dokument des US Marine Corps war von „radikalen“ Änderungen am Drehbuch die Rede.

Filme wie Top Gun, Transformers und Act of Valor hätten ohne Mitwirkung des US-Militärs und die Hinnahme seiner Zensur niemals entstehen konnten. Countermeasures hingegen konnte gar nicht erst produziert werden, weil dem Militärzensor Bezüge zum Iran-Contra-Skandal missfielen. „Es gibt keinen Grund für uns … die Öffentlichkeit an die Iran-Contra-Affäre zu erinnern“, so Pentagon-Aufseher Strub. Auf ähnliche Weise wurden Fields of Fire und Top Gun 2 wegen politisch kontroverser Bezüge der Drehbücher abgelehnt.

CIA mischt auch mit

Auch die CIA schaffte es, viele Produktionen direkt zu beeinflussen. Der für den Geheimdienst zuständige Verbindungsoffizier Chase Brandon konnte sich oft sogar schon bei der Entstehung von Drehbüchern für Film und Fernsehen einmischen. Für den Spionagethriller „Der Einsatz“ schrieb er sogar selbst das ursprüngliche Treatment und die ersten Drehbuch-Fassungen. Er brachte jede Menge propagandistische Aussagen ein wie die, dass „die Fehlschläge der CIA bekannt sind, ihre Erfolge aber nicht“. Seine intensive Mitwirkung aber wurde kaschiert, indem er später nur als „technischer Berater“ erwähnt wurde.

Der CIA gelang es ebenfalls, geplante Filmszenen zu verhindern, die nicht ihrem gewünschten Bild in der Öffentlichkeit entsprachen. In Zero Dark Thirty etwa wurde eine Szene entfernt, in der ein betrunkener CIA-Agent mit einer AK-47 von einem Dach in Islamabad in die Luft feuert. Ebenso unerwünscht war der sichtbare Einsatz von Hunden bei Folterszenen. In der romantischen Komödie „Mein Braut, ihr Vater und ich“ wusste der Geheimdienst zu verhindern, dass eine der Hauptfiguren zufällig Folter-Handbücher der CIA auf einem Schreibtisch entdeckt.

Viel weniger ist über NSA-Aktivitäten in der Unterhaltungsindustrie bekannt. Es finden sich aber Hinweise darauf, dass der US-Auslandsgeheimdienst mit ähnlichen Taktiken Einfluss nimmt – so geschehen etwa beim Actionthriller „Der Staatsfeind Nr. 1“. In einem Interview berichtete Produzent Jerry Bruckheimer von Drehbuch-Änderungen auf Wunsch der NSA, um Übeltaten einem einzelnen fehlgeleiteten Mitarbeiter und nicht dem Auslandsgeheimdienst an sich zuzuschreiben. „Ich denke, die NSA-Leute werden erfreut sein“, sagte Bruckheimer. „Sie kommen bestimmt nicht so schlecht weg, wie sie hätten wegkommen können. Die NSA ist nicht der Schurke.“

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ZDNet.de Redaktion

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