EuGH-Generalanwalt verneint Störerhaftung bei offenen WLAN-Netzen

Betreiber müssen seiner Ansicht nach auch nicht den Zugang per Passwort schützen, wie es zunächst ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsah. Zwar betrifft die Entscheidung im konkreten Fall nur Gewerbetreibende, in der Sache ist sie aber auf Privatleute übertragbar.

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Maciej Szpunar, hat in seinen heutigen Schlussanträgen festgestellt, dass Betreiber eines kostenlosen öffentlichen WLAN-Netzes aus seiner Sicht nicht für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers verantwortlich gemacht werden können. Sie seien lediglich als Anbieter sogenannter Dienste der reinen Durchleitung anzusehen und somit nicht haftbar.

EU-Recht (Bild: Shutterstock)In dem vom Landgericht München I an den EuGH verwiesenen Verfahrem geht es um eine Abmahnung gegen einen Veranstaltungstechniker, die er aufgrund einer durch einen Nutzer begangene Urheberrechtsverletzung erhalten hatte. Der Nutzer hatte über ein bereitgestelltes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war der Veranstaltungstechniker von einem Musikunternehmen als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Dagegen setzte er sich vor dem Landgericht München zur Wehr. Dieses leitete den Fall an den EuGH weiter, um zu erfahren, ob die in Deutschland gültige WLAN-Störerhaftung, die aktuell maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist.

Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung für den Betrieb von offenen WLAN-Netzen sah ursprünglich vor, dass die Haftung nur ausgeschlossen ist, wenn der Anschluss durch ein entsprechendes Passwort gesichert wurde. Bereits damals kritisierten zahlreiche Juristen, dass dies der Natur eines offenen WLAN-Netzes klar widerspreche und die Rechtslage in keinem Fall verbessere. Das sieht auch Generalanwalt Szpunar so. Er vertritt die Auffassung, dass die Auflegung eines Passworts, dem Erfordernis zuwiderlaufen würde, ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Recht des geistigen Eigentums, das die Inhaber von Urheberrechten genießen, und der unternehmerischen Freiheit der betroffenen Diensteanbieter. Außerdem würde diese Maßnahme durch die Beschränkung des Zugangs auf rechtmäßige Kommunikation das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einschränken.

„Anschlussinhaber, die ihren WLAN-Zugang für Dritte öffnen, sollten ohne zusätzliche Pflichten von der Haftung ausgeschlossen werden“, kommentiert Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke. „Ich hoffe, dass der EuGH sich den Schlussanträgen anschließt und damit endlich für Rechtssicherheit in dem Bereich sorgt.“ Folge der EuGH wie so häufig den Empfehlungen des Generalanwalts, bedeute dies, dass jede Privatperson und Geschäftsleute, die nicht hauptberuflich Internetzugänge anbieten, diese ohne Passwortschutz öffnen dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. „Auch wenn die Entscheidung konkret nur Gewerbetreibende betrifft, ist sie in der Sache auf Privatleute übertragbar“, so Solmecke.

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Deutsche Gerichte haben die Frage der Haftung von Anschlussbetreibern für Urheberrechtsverletzungen, die Dritte bei der Nutzung von offenen WLAN- Netzen begehen, bislang nicht ausreichend geklärt. Das sorgt hierzulande immer wieder für Streit und Unsicherheit. Cafés und Hotels stellen aufgrund der derzeitigen Haftungsproblematik ungern ihr WLAN-Netz zur Verfügung. Auch WG-Mitglieder müssen zum Teil fürchten, dass ihre Mitbewohner hohe Kosten verursachen, wenn sie den Anschluss für Filesharing nutzen.

Laut dem Verein Digitale Gesellschaft steht der bisherige Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zu den Schlussanträgen des Generalanwalts. Dieser habe mit seinem Votum eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. „Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen“, erklärte Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins.

Themenseiten: Europäischer Gerichtshof, Gerichtsurteil, WLAN

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2 Kommentare zu EuGH-Generalanwalt verneint Störerhaftung bei offenen WLAN-Netzen

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  • Am 16. März 2016 um 16:08 von Thomas

    Das wird auch wirklich langsam Zeit, bevor Deutschland komplett den technischen Anschluss verliert – im wahrsten Sinne des Wortes. Überall könnten offene WLANs zur Verfügung gestellt werden und die Nutzer müssten sich nicht mehr mit ihrem Volumenvertrag herummühen.

  • Am 17. März 2016 um 9:05 von hugo

    Naja da hat die Telekom lange drum gekämpft das diese Hürden aufgebaut wurden. Sonst könnte ja einer im Stockwerk einen Anschluß kaufen und 3 Wohnungen könnten dann mitsurfen, wo kämen wir den da hin?
    Und wenn jetzt im Sommer der Routerzwang wegfällt dann kommen ja himmlische Zeiten auf uns zu.

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