Terrorabwehr: EU-Politiker fordert Krypto-Schlüssel

Der Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union Gilles de Kerchove sieht die legalen Kompetenzen der Polizeibehörden durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeschränkt. Er will Internetfirmen zur Herausgabe verpflichten. Der CCC kontert mit dem Vorschlag, unverschlüsselte Kommunikation unter Strafe zu stellen.

Der Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union, Gilles de Kerchove, will Technikfirmen per Gesetz zur Herausgabe von kryptografischen Schlüssel zwingen. Das steht in einem von Statewatch veröffentlichten internen Schreiben (PDF) mit dem Datum 17. Januar. Die Maßnahme soll die Bekämpfung von Terrorismus vereinfachen.

Auswertung von Überwachungskameras durch die Pariser Polizei (Bild: Gendarmerie Nationale)Auswertung von Überwachungskameras durch die Pariser Polizei (Bild: Gendarmerie Nationale)

„Seit den Snowden-Enthüllungen haben Internet- und Telekommunikationsfirmen damit begonnen, oft dezentrale Verschlüsselung einzusetzen, was legale Zugriffe durch die zuständigen nationalen Behörden erschwert oder sogar unmöglich macht“, schreibt Kerchove. „Die Kommission sollte eingeladen werden, eine Verpflichtung von in der EU operierenden Internet- und Telefongesellschaften zu erwägen, unter bestimmten Umständen und voll konform mit Grundrechten den Zugriff der zuständigen nationalen Behörden sicherzustellen (beispielsweise durch Weitergabe von Schlüsseln).“

Konkret äußert sich Kerchove in seinem Schreiben nicht zu den „Verpflichtungen“, denen Telekommunikationsfirmen unterworfen werden sollen. Er schlägt aber auch vor, die europaweite Polizeibehörde Europol „auszubauen“, damit sie „Überwachung und Analyse von Kommunikation über Soziale Netze im Internet“ übernehmen kann.

Zudem sollte nach seiner Ansicht die EU-Kommission „legale und technische Machbarkeit“ einer Überwachung ausloten, die illegale, extremistische Inhalte ermittelt. Zweck der Übung wäre es, den Anbieter zu informieren und zu einer Entfernung aufzufordern.

Einen noch radikaleren Vorschlag hatte im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Paris schon der britische Premierminister David Cameron gemacht: Er forderte ein Verbot von Verschlüsselung, für das er wenige Tage später auch in Washington warb. Dort schien sich US-Präsident Barack Obama auf seine Seite zu stellen, da er eine Aktualisierung der Abhörgesetze für nötig erklärte.

Elf EU-Staaten fordern zudem im Licht der Attentate von Paris mehr Internet-Kontrolle. Zu den Unterzeichnern einer diesbezüglichen Erklärung zählt der deutsche Innenminister Thomas de Maizière. Das Internet ist demnach ein Brennpunkt im „Kampf gegen Radikalisierung“. Zusammen mit großen Providern sollen Terror-Sites schnell entdeckt und gesperrt werden. Auch die Diskussion über Vorratsdatenspeicherung wurde unter anderem in Deutschland neu entfacht.

Gerade ist bekannt geworden, dass Microsoft einer Anfrage nach Kundendaten durch die Polizei innerhalb von 45 Minuten entsprochen hat, während in Paris die Fahndung nach den Attentätern lief. Chefjustiziar Brad Smith stuft die Reaktion seines Unternehmens in dem Fall als „angemessen“ ein.

Der Chaos Computer Club hat die Politiker-Vorschläge inzwischen mit einer Gegeninitiative gekontert. Er schlägt vor, unverschlüsselte Kommunikation im Internet unter Strafe zu stellen. „Jedes Bit und jedes Byte, das von Providern transportiert und von Banken oder dem Finanzamt verarbeitet wird, muss verschlüsselt sein. Wer Daten seiner Kunden unverschlüsselt überträgt, archiviert und damit deren Sicherheit gefährdet, muss mit empfindlichen Strafen belegt werden. Und das nicht erst, wenn der Missbrauch der Daten zufällig bekanntgeworden ist.“

[mit Material von Zack Whittaker, ZDNet.com]

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Themenseiten: Chaos Computer Club, Politik, Verschlüsselung, Überwachung

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3 Kommentare zu Terrorabwehr: EU-Politiker fordert Krypto-Schlüssel

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  • Am 23. Januar 2015 um 11:42 von Hi, hi...

    …warum überrasch es mich so überhaupt gar nicht, dass die europäischen Politiker genauso wie die rein deutschen vollkommen bescheu…ähm, beklo…ach Gott, wie drücke ich es höflich aus, einen an der Waffel haben?
    Na ja, vielleicht bin ich auch der Einzige mit dieser Meinung.

  • Am 23. Januar 2015 um 13:00 von oos

    Nein, Du bist nicht der Einzige mit dieser Meinung.
    Och schrieb es schon zu dem Artikel über die Herausgabe der Kundendaten von MS.
    Das was da zur Zeit in der Politik forciert wird dient ausschließlich der Kontrolle der Bürger!
    Ich stelle mal hier die Frage: Wieviele Menschen sind im letzten Jahr durch Ärztepfusch und Gewaltverbrechen in Europa gestorben, und wieviele durch Terror?
    Aber durch neue Gesetze für Ärztefehler aufzudecken, oder durch Änderung der Bildungspolitik und mehr Investitionen in diese Bereiche entsteht kein Werkzeug mit dem man die Bürger kontrollieren kann!

  • Am 23. Januar 2015 um 14:47 von Judas Ischias

    Auch ich schließe mich den obigen Kommentaren an.

    Anfragen und Veröffentlichungen, z.B. wegen Verbrauchertäuschung und vergammelte Lebensmittel, die die Nahrungsmittel teilweise sogar gesundheitsgefährdend machen, sind unerwünscht.

    Da sieht die Politik gerne drüber hinweg.

    Es könnte ja die „Drecksfirma“ in der Öffentlichkeit schlecht wegkommen und einen geschäftlichen Schaden erleiden. ;)

    Wenn ich beim telefonieren oder beim surfen etwas benutzen kann, wo nicht „Hinz und Kunz“ zusehen und zuhören können, dass soll per Gesetz in Zukunft nicht mehr möglich sein, wenn es nach solchen „Fachleuten“ wie de Kerchove, Cameron oder de Maiziere geht?

    Da ist die Politik, natürlich mit der Begründung: Nationale Sicherheit und dem üblichen Gelaber, schnell dabei.

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