Mehrtägiger Mail-Ausfall gefährdet Linux-Projekt in München

20.000 der rund 33.000 Mitarbeiter der bayerischen Landeshauptstadt mussten aufgrund erheblicher Probleme mit dem Mail-Server in den vergangenen Tagen ohne oder mit eingeschränkter E-Mail-Kommunikation auskommen. Oberbürgermeister Dieter Reiter will das LiMux-Projekt daher erneut auf den Prüfstand stellen.

Aufgrund massiver Probleme mit dem Mailserver konnten in den vergangenen Tagen 20.000 der rund 33.000 Mitarbeiter der bayerischen Landeshauptstadt oft nur eingeschränkt Nachrichten versenden oder empfangen. „Dass der Mailserver der Stadt München tagelang nicht erreichbar ist, kann ich nicht akzeptieren. Da muss es technische Möglichkeiten geben, das zu verhindern“, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der Münchner Abendzeitung. Offensichtlich ist er vom LiMux-Projekt der Stadt weniger überzeugt, als sein langjähriger Amtsvorgänger Christian Ude, der den Umstieg von Windows auf Linux stets vehement verteidigt hatte.

LiMux-Projekt (Bild: Stadt München)

Wie Reiter gegenüber der Abendzeitung erklärte, soll das städtische IT-System nun von einem externen Gutachter überprüft werden. Der LiMux-Basisclient, der im Wesentlichen aus OpenOffice, Thunderbird und Firefox besteht, wurde allerdings schon einmal von der TÜV-IT als „gebrauchstauglich“ zertifiziert. Was genau nun auf den Prüfstand soll, ist unklar. Grundsätzlich scheint Reiter aber mit dem gesamten Preis-Leistungsverhältnis der IT in München unzufrieden zu sein. Die Stadt investiere jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag, um eine mit privaten Unternehmen vergleichbare EDV-Leistung zu bekommen, zitiert die Abendzeitung den Oberbürgermeister. Da könne man mit der zweitbesten Lösung nicht zufrieden sein.

Reiter klagt nicht das erste Mal über die IT der Landeshauptstadt. Dafür hat er früher schon Kritik einstecken müssen, unter anderem vom Personalrat der Stadt, der das als „kontraproduktiv“ bezeichnete. Nun erklärte Reiter, er könne es verstehen, dass die neuerliche oder nicht enden wollende LiMux-Diskussion, die im Oktober auch schon den Stadtrat beschäftigte, zu Unruhe in der Belegschaft führe. Zu seiner Verteidigung führte er aber Ergebnisse einer Umfrage an, wonach 90 Prozent der städtischen Angestellten mit dem Bereich Datenmanagement unzufrieden sind.

In einer für die nächsten Wochen geplanten Mitarbeiterbefragung soll das Thema daher vertieft werden. Fällt sie zum Nachteil von LiMux aus, stehen dem Projekt schwere Zeiten bevor. Wie der Oberbürgermeister sich in der Umfrage äußern wird, scheint bereits klar: Er blickt gegenüber der Abendzeitung auf seine Zeit in der Kämmerei zurück, wo er mit SAP arbeitete, und erinnert sich an die Kompatibilitätsprobleme mit dem LiMux-Client. Die Stimme des ranghöchsten Stadtangestellten bekommt das Projekt demnach voraussichtlich nicht.

Aber auch die Unterstützung von Bürgermeister und Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU) fehlt. Er äußerte sich bereits im Juli in einem Interview mit der Abendzeitung sehr kritisch zur IT der Stadt: „Es spricht Bände, wenn die Verwaltung für Dieter Reiter und mich einen externen Mailserver einrichten muss, damit der E-Mailverkehr auf den Smartphones der beiden Spitzenleute der Stadt überhaupt funktioniert. Das ist nicht mehr zeitgemäß.“ Laut Schmid fehlen dem LiMux-Client zudem „zahlreiche Funktionen, die sonst gängig sind, und vieles ist nicht kompatibel mit den Systemen außerhalb der Verwaltung“. Im August erklärte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung, die Nutzer seien mit der Bedienung unzufrieden, und es sei in den vergangenen Jahren immer wieder zu Klagen über LiMux gekommen.

Am 28. Mai 2003 hatte der Münchner Stadtrat beschlossen, 12.000 Rechner der Verwaltung auf Linux umzustellen. Im Dezember 2013 unterzeichnete die damalige zweite Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) die Projektabnahmeerklärung, womit LiMux in den Regelbetrieb überging. Nach zehn Jahren hatte die Stadt 14.800 Computer, rund 80 Prozent aller Rechner, mit Open-Source-Software ausgestattet. Mit dem LiMux-Projekt wollte München sich von Herstellern, Produktzyklen und Betriebssystemen unabhängig machen. Die Stadt argumentierte auch mit Kosteneinsparungen in Höhe von 11,5 Millionen Euro. Microsoft kritisierte diese Rechnung als „nicht plausibel“.

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

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22 Kommentare zu Mehrtägiger Mail-Ausfall gefährdet Linux-Projekt in München

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  • Am 10. Dezember 2014 um 18:02 von punisher

    Das war die blödeste Idee mit LiMux. Noch nie gutes davon gelesen,außer vom Ude.

    • Am 11. Dezember 2014 um 10:00 von Tom H.

      Da spricht ja die geballte Kraft von Kompetenz! Vielleicht wäre es mal Zeit, etwas zu differenzieren: Linux als Basis für das Betriebssystem und die darauf laufende Software. Nicht Linux macht Probleme, sondern die Software-Auswahl. Da wäre es wohl gescheiter gewesen, für die Kommunikations auf Googel Mail oder noch besser, auf IBM Notes/Domino zu setzen, das im Messaging Bereich sogar noch performanter und deutlich leistungsstärker als Outlook/Exchange ist. Dann gäbe es einen Grossteil dieser Probleme gar nicht.

      • Am 11. Dezember 2014 um 23:22 von punisher

        Davor ist es gelaufen, seit dem Umstieg gibt’s nur Stress und nun auch Ausfälle von Diensten. Was war an meinem Kommentar falsch? Den Umstieg hätten sie sich sparen können und es wäre höchstwahrscheinlich alles noch am laufen. Oder verät dir deine Glaskugel geballte Ladung Informationen die wir nicht haben?

  • Am 10. Dezember 2014 um 19:55 von edocom

    Die 11,5 millionen sind schon lange weg, in dem die angestellten viel länger für einfache prozesse brauchen. Windows ist vielleicht teurer aber was kompatibilität und stabilität geboten wird, kommt kein linux ran! Warum tümpelt es sonst noch immer im einstelligen prozent bereich! Linux ist nur bei vmware ok, auf alles andere würde ich verzichten! Lieber schnell zurück auf windows bevor ihr noch mehr geld in den sand setzt!

    • Am 13. Dezember 2014 um 13:07 von Thorben Kaufmann

      Irgendwie motzen hier nur die Deppen der Nation. Auch wenn ich hiermit etwas unsachlich scheine, wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich mal zurücknehmen!
      Wenn hier Zahlen hingestellt werden mit der Note „das gesparte Geld ist schon wieder weg…“, dann geht man davon aus, daß es unter anderen Systemen keine Probleme gibt. Punkt eins. Zweitens: Eine Umstellung kostet Zeit und Geld und auch etwas Mut und Geduld. Wer da gleich auf den Biertisch haut mit „So a Schmarrn!“, zeigt eigentlich von seinem Problem, als von Systemproblemen.
      Und noch was: Wer glaubt, in sicherheits- und performance-relevanten Serverfarmen liefe Windows, der sollte sich besser gleich noch 4 Maß reinzwitschern.
      Wie einer der Vorredner schon angedeutet hat: es ist nicht das System, sondern eher die Software bzw. deren Auslegung. Wenn, wie hier, ein Mailserver in den Urlaub geht, so sollte dieser gleich ein paar Vertreter haben!
      Das Winzigweich die Zahlen anzweifelt, ist wohl auch klar. Und die Herren Bürgermeister&Co haben wohl so viel Ahnung, daß sie sich anmaßen können mitzureden? Oder waren sie nur mit Herrn Gates mal im einen Abend in der Deutschen Eiche?

  • Am 10. Dezember 2014 um 23:44 von benny kritsch

    wenn ich gut informiert bin, hatte de Stadt Lüneburg auch so eine Sache mit dem Email-Server und Client … da wurde keine Zeile darüber geschrieben … notabene Windows-Umgebung.

    • Am 10. Dezember 2014 um 23:55 von punisher

      Lüneburg hat auch keine > 1.2 Millionen Einwohner. Und über einen Ausfall in Lüneburg lässt sich nirgends was finden im Netz.

  • Am 11. Dezember 2014 um 0:55 von Tom Schöne

    @edocom: ach ja, stimmt, und weil Linux so instabil ist, lassen die Mehrzahl aller Webhoster ihre Server unter Linux laufen! (Microsoft IIS: 33%).
    Also lieber ja nicht so liebgewonnene Traditionen durchbrechen: lasst uns weiter diesem die PC-Welt beherrschenden amerikanischen Unternehmen Milliarden in den Rachen werfen, statt deutsche IT-Firmen für den Aufbau bzw. die Mitwirkung an freier (!) Software zu bezahlen. Lemminge marsch!

    • Am 11. Dezember 2014 um 9:25 von Vergiss es

      Mit Kritik an Microsoft bist Du hier verkehrt. Hier finden es einige sehr normal, wenn sie ständig ihre Kisten patchen, und dafür die Systeme neu starten müssen – auf dieser Ebene wirst Du niemanden finden, der Microsoft schlecht findet.

      Und ja: Linux hat aus sehr gutem Grund >60% Marktanteil auf dem Servermarkt. Weil eben das Lizenzmodell von Microsoft schlicht schweineteuer und wenig nachvollziehbar ist.

  • Am 11. Dezember 2014 um 1:01 von Tom Schöne

    PS: und mit was ist OpenSource-Software denn tw. inkompatibel? Mit Programmen eben dieses Quasimonopolisten Microsoft, der sich um offene Austauschformate und Standards Jahrzehnte lang einen Dreck scherte, um seine Vormachtstellung zu behalten! Ich sage nur die Stichworte Emailanhänge, HTML-Standard, Dateifreigabeprotokoll…

    • Am 11. Dezember 2014 um 9:26 von PS

      Und nicht die sich stetig verändernden Office Formate, die den Datenaustausch mit nicht-Office Anwendern unnötig erschweren.

  • Am 11. Dezember 2014 um 10:18 von edocom

    ich kann nur noch eins dazu sagen, deutsche bauen Autos, Microsoft baut Betriebssysteme, PUNKT!

    • Am 11. Dezember 2014 um 14:15 von Silvio

      und beide sind darin inkompetent und einfallslos. Für unfähige und Menschen die Geld als Leben definieren mag es die richtige Wahl sein.

      Mfg

  • Am 11. Dezember 2014 um 14:02 von AmbaMerlinson

    Komische Welt!
    Gibt ja wohl einen Grund warum t-online seit Jahrzehnten die Mailserver auf Linux laufen lässt. Winzigweich hat wohl Angst das das LiMux als gutes Beispiel Schule macht.
    Frage an die undifferenzierten „Fenster“-Befürworter:
    Was ist schon alles eingekachelt bei Euch?
    Da stehen wirtschaftliche Interessen zur Debatte.
    MS Maus nicht wenn der Kuchen anders verteilt würde.

    • Am 11. Dezember 2014 um 23:25 von punisher

      Wenn Leute von Kacheln sprechen, haben sie sich keine 15 min mit Windows 8 / 8.1 befasst. Eine Einstellung und man muss die Kacheln nie zu Gesicht bekommen.

  • Am 11. Dezember 2014 um 14:03 von Tom

    Mit welcher Behörde kann man denn per email kommunizieren? Ich dachte bisher die haben noch überhaupt keinen Internet Anschluß an Ihrem Arbeitsplatz…

    • Am 11. Dezember 2014 um 17:45 von AmbaMerlinson

      Mir fallen da ein paar Behörden ein.
      Agentur für Arbeit, Örtliche Zulassungsstelle, Standesamt.
      Meine eigene Erfahrung in Südhessen.

  • Am 11. Dezember 2014 um 14:10 von AmbaMerlinson

    Korrektur:
    Nicht „Maus“. War Korrektur-Funktion auf mobilfon.

    MS mags nicht – lautet der korrekte Satt.

  • Am 11. Dezember 2014 um 20:07 von Dirk Teschner

    @Edocom: Als beruflicher Linux-Administrator kann ich über Ihre Behauptungen nur verwundert den Kopf schütteln.

    • Am 13. Dezember 2014 um 13:33 von Thorben Kaufmann

      Kopf schütteln find ich zu anstrengend und aufwändig. Ich lächele einfach, aber nur einseitig aus Effizienzgründen.
      Jetzt aber mal ganz in echt: ohne solche „Freaks“ würde einem die Diskussion doch keinen Spaß machen und der Blog stünde leer.

  • Am 12. Dezember 2014 um 12:50 von Frank

    Ich empfehle mal das Vorwort aus der LinusUser 12/14 „http://www.linux-community.de/Internal/Artikel/Print-Artikel/LinuxUser/2014/12/Schmerzhafte-Rasur“. Dann weiß man, woher der Wind weht, wie gute Lobbyarbeit und schlechte Politik funktioniert. Die beiden Herren Stadtspitzen aus München haben MS ja genug versprochen. Jetzt muß LiMux irgendwie schlecht gemacht werden.
    Und was ein Ausfall der Mailserver, die ja sehr häufig auf irgend einem Linux laufen, mit den Arbeitsplatzrechnern der Mitarbeiter zu tun haben soll, erschließt sich mir auch nicht so recht…
    Im eigenen Unternehmen habe ich im Übrigen ein nicht leises Gejammer der Mitarbeiter beim Wechsel von XP auf Windows 8.1 vernommen!

    • Am 12. Dezember 2014 um 13:16 von Frank

      Die Zeitschrift heißt natürlich LinuxUser ;-)

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