Vernetzte Autos: Bundesjustizminister will Datenschutz durchsetzen

Heiko Maas (SPD) warnt vor dem "gläsernen Autofahrer, für den Bewegungsprofile erstellt und Daten über den Fahrstil gesammelt werden". Die deutschen Autohersteller reklamieren den Datenbesitz für sich und setzen auf eine Selbstverpflichtung der Industrie. "Wenn wir jetzt nicht handeln, sagt bald das Auto vor Gericht gegen uns aus", kontert Renate Künast (Grüne) und fordert, das Datenschutzrecht den aktuellen Anforderungen anzupassen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat die Autoindustrie aufgefordert, die Privatsphäre ihrer Kunden zu respektieren. „Multimediasysteme, Positionsempfänger, Motorsteuergeräte und Sensoren erzeugen immer mehr Daten“, sagte er im Gespräch mit der Welt am Sonntag. „Was wir nicht wollen, ist der gläserne Autofahrer, für den Bewegungsprofile erstellt und Daten über den Fahrstil gesammelt werden.“

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Maas ist auch für den Verbraucherschutz verantwortlich und mahnte die „Beachtung des Schutzes der Privatsphäre und des Persönlichkeitsrechts“ an, wenn vernetzte Autos Nutzerdaten erfassen und weitergeben. Gesetzesänderungen wollte er der Zeitung zufolge nicht ausschließen.

Solche Maßnahmen wollen die Autorhersteller offensichtlich vermeiden und setzt stattdessen auf eine Selbstverpflichtung der Industrie. „Das Auto besteht schon heute aus Bits und Bytes“, sagte VW-Chef Martin Winterkorn im Frühjahr auf der Computermesse CeBIT und warb für eine Allianz der Autobauer, die Nutzerdaten schützen soll. Den Herstellern sei zu vertrauen, schützten sie doch ihre Kunden auch vor Verkehrsgefährdungen. „Und mit dem gleichen Pflichtbewusstsein werden wir unsere Kunden auch vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen“, versprach er. „Das Auto darf nicht zur Datenkrake werden.“

Keinen Zweifel ließ Winterkorn aber daran, wem die Fahrzeugdaten nach seiner Meinung gehören. „Die Daten gehören uns“, proklamierte er später beim Technischen Kongress des Verbands der Automobilindustrie (VDA). „Ich fahre zwar einen VW, glaube aber nicht, dass meine Daten deshalb ohne Zustimmung VW gehören“, widersprach Arne Schönbohm vom Cyber-Sicherheitsrat.

Ein eklatantes Beispiel dafür, wie ein Autohersteller auf seiner Datenhoheit besteht, erlebte ein Besitzer des Elektroautos Tesla S. Der neugierige Fahrer entdeckte eine verborgene Schnittstelle und bekam durch den Anschluss eines Ethernetkabels Zugang zum internen Netzwerk des Fahrzeug. „Der Tesla Model S ist eine gut aussehende IT-Abteilung“, befand er nach einer ersten Erkundung. Der neugierige Kunde bekam daraufhin einen Anruf des Tesla-Servicecentrum, da er versucht habe, sein Auto zu hacken. Trotz seines Einwurfs, er habe nützliche Daten von der Diagnoseschnittstelle abrufen wollen, wurde ihm mit Garantieverlust gedroht. Ins Feld geführt wurde dabei angeblich sogar, dass sein Verhalten mit Industriespionage vergleichbar sei.

Die Datennutzung der Autohersteller kann zum klaren Nachteil des Käufers sein, wenn sie etwa Garantieansprüche aufgrund insgeheim erhobener Fahrzeugdaten abweisen. Größtes Interesse an den Nutzungsdaten haben außerdem Versicherer, die Werbebranche und nicht zuletzt Ermittlungsbehörden.

„Wenn wir jetzt nicht handeln, sagt bald das Auto vor Gericht gegen uns aus“, sagte Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag. Die Bundesregierung müsse klären, wem die im Auto gespeicherten Daten gehören und wie sie geschützt werden können. „Das Datenschutzrecht muss den aktuellen Anforderungen angepasst werden“, forderte sie.

Themenseiten: Auto & IT, Datenschutz, Netzwerk, Politik, Privacy

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Neueste Kommentare 

4 Kommentare zu Vernetzte Autos: Bundesjustizminister will Datenschutz durchsetzen

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  • Am 8. Juli 2014 um 8:58 von Stefan Musil

    …komisch das sich immer zuerst die Politik meldet wenn es um „Datenschutz“ geht. Mir persönlich wäre das vollkommen egal ob das nun das gläserne Auto oder der gläserne Autofahrer ist. Ich will nur ankommen und das sicher und will nicht noch mit der Blitzerwegelagerei vom Staat abgezockt werden. Es wäre doch zB. einfach die Verkehrsregeln auf das Armaturenbrett zu holen, so wie das Beispielweise BMW bei den neuen Modellen macht.

    Das würde uns allen mehr helfen als immer diese Angstschraube mit dem Datenschutz.

    Die Einzigsten die hier im Staat etwas zu verbergen haben sind Kriminelle und unsere korrupten Politiker. Dem Rest der Menschen wird nur eingeredet das sie sich schützen müssen, damit diese Minderheiten unter den Deckmantel des öffentlichen Interesses schlüpfen können…

    • Am 8. Juli 2014 um 9:44 von Frank Furter

      An alle „die nichts zu verbergen haben“:

      Lesen Sie bitte das Buch „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Heinrich Böll. Ist zwar schon ganz schön alt, zeigt aber, wie jemand ohne böse Absichten in das Fadenkreuz der Ermittler gerät.

      Nicht die Sammlung der Daten ist per se gefährlich, gefährlich ist deren Zusammenführung und Interpretation durch Dienste,die eine sehr eingeschränkte Sichtweise haben und außerdem „Erfolge“ vorweisen müssen!

    • Am 8. Juli 2014 um 11:04 von hugo

      Ein App sagt mir wenigstens noch was es alles an Daten abgreift. Das die Autoindustrie hier mauert und dem Kunden weder eine Erklärung noch eine Einwilligung vorlegt ist sittenwidrig. Was ich kaufe, ist mein Eigentum aus dem ohne meiner Einwilligung keine Daten an irgendjemand fließen dürfen.

    • Am 8. Juli 2014 um 12:10 von Verstehe ..,

      Deine Meinung wird sich spätestens dann ändern, wenn Deine Versicherung die Zahlung des Schadens verweigert, weil Du 10 km/h zu schnell gefahren bist … oder Dir 30% mehr abknöpfen möchte, weil Du ein eher ’sportlicher‘ Fahrer bist.

      Aber klar: Du hast nix zu verbergen. ;-)

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