Amazon lässt sich seit Jahrzehnten verbreitete Fotostudio-Beleuchtung patentieren

Mit einer Frontbeleuchtung und einem hell ausgeleuchteten Hintergrund wird dieser auch ohne Photoshop komplett weiß. Blogs und Foto-Foren erläutern dieses Verfahren reihenweise - auch schon lange vor Amazons Antrag von 2011.

Amazon hat Mitte März ein Patent auf das Arrangement eines Fotostudios erhalten, das für komplett weiße Hintergründe sorgt. Jetzt wurde es veröffentlicht. Profi- und auch Hobbyfotografen verwenden ein solches System allerdings seit Jahrzehnten, und im Internet finden sich zahlreiche Anleitungen dafür, was jetzt einmal mehr eine Grundsatzdiskussion zum US-Patentsystem ausgelöst hat.

Amazon hat sich ein seit Jahrzehnten gebräuchliches Beleuchtungsverfahren vom Patentamt schützen lassen (Bild: via USPTO).Amazon hat sich ein seit Jahrzehnten gebräuchliches Beleuchtungsverfahren vom Patentamt schützen lassen (Bild: via USPTO).

US-Patent 8.676.045 mit dem Titel „Studio Arrangement“ schildert eine Beleuchtungstechnik. Sie ergänzt eine frontale Beleuchtung durch einen ebenfalls stark ausgeleuchteten Hintergrund, um den Hintergrund quasi auszulöschen – ohne nötige Nachbearbeitung etwa mit Photoshop.

Eine gute Idee – aber keine neue Erfindung, wie Profifotograf David Hobby schreibt. Er gibt etwa auf der Website Strobist Tipps für Beleuchtungsfragen. Die von Amazon geschützte Technik setzt er nach eigenen Angaben seit seinem Berufsstart 1988 ein. „So haben wir jede einzelne Aufnahme gemacht. Das gab uns einen visuellen Stil und Konsistenz, und wir konnten eine große Zahl an Motiven aufnehmen. Aber selbst als College-Abgänger im Jahr 1988 hielt ich das nicht für neu … Das kann man in keiner Weise rechtfertigen.“

Das Internet ist voller Anleitungen für die Technik. Eine beliebte Darstellung mit Zeichnung des Arrangements stammt etwa von Profifotograf Greg Reinacker. Sein Blogbeitrag von Januar 2007 wird häufig auch in Foren verlinkt – zum Beispiel bei Photo.net und DP Review, einer Amazon-Tochtergesellschaft, wo die Frage nach der Technik ebenfalls immer wieder aufkommt.

Amazons Antrag stammt von November 2011. „Ich glaube, man könnte frühere Darstellungen finden, die die Gültigkeit des Patents in Frage stellen“, formuliert Anwalt Robert Brunelli von der Kanzlei Sheridan Ross – während Amazon bisher keinen Kommentar angegeben hat. Brunelli glaubt immerhin, dass Fotografen keine Klagen zu fürchten haben, wenn sie die Technik einsetzen. Die Beschreibung sei sehr genau hinsichtlich der Positionierung der Leuchten und lasse sich daher leicht umgehen.

Amazon-CEO Jeff Bezos hat schon einmal gewarnt, das US-Patentsystem drohe Innovationen zu verhindern und sich somit ins Gegenteil der ursprünglichen Absicht zu verkehren. „Möglicherweise müssen sich Regierungen das Patentsystem anschauen und prüfen, ob die Gesetze geändert werden müssen, weil ich nicht glaube, dass diese Kämpfe gut für die Gesellschaft sind“, sagte er 2012.

Dennoch ist auch Amazon immer wieder in Patentstreitigkeiten verwickelt. Ein bekannter Fall ist US-Patent 5.960.411, das Ein-Klick-Käufe beschreibt und das auch Bezos unter dem Punkt Erfinder auflistet. Während es vom US-Patentamt zugelassen wurde, wies es das EU-Patentamt als zu „naheliegend“ zurück (PDF).

[mit Material von Stephen Shankland, News.com]

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Themenseiten: Amazon, Patente

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13 Kommentare zu Amazon lässt sich seit Jahrzehnten verbreitete Fotostudio-Beleuchtung patentieren

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  • Am 12. Mai 2014 um 14:13 von punisher

    Ja das traumhafte amerikanische Patentsystem….mehr braucht man dazu nicht sagen.

  • Am 12. Mai 2014 um 15:08 von Judas Ischias

    Als ich die ersten Sätze gelesen habe, dachte ich, dass meine Augen nicht ganz funktionieren.;)
    Muss jetzt jeder, der so fotografiert, an Amazon Patentgebühren zahlen? Bescheuerter geht’s ja nun wirklich nicht mehr!:(
    Was der Brunelli glaubt, ist nur eine Annahme, die vielleicht irgendwann vom Gericht bestätigt werden muss.
    Warum jetzt Amazon auch mit diesem Müll beginnt, wissen wohl nur die Bosse dieser Firma?

    Und für die Redaktion, „Eien gute Idee“, da hat sich ein Buchstabendreher eingeschlichen.;)

    • Am 12. Mai 2014 um 15:25 von Florian Kalenda

      Danke, zurückgedreht …

    • Am 12. Mai 2014 um 18:08 von punisher

      Vielleicht will Jeff damit zeigen, wie katastrophal dieses Patentsystem ist.
      Ich hoffe das es so ist!

      • Am 12. Mai 2014 um 21:34 von An punisher

        Oh, ganz bestimmt … die Hoffnung stirbt zuletzt. ;-)

        • Am 12. Mai 2014 um 23:48 von punisher

          Haben die Kinder heute in deiner Aufführung nicht gelacht?

  • Am 12. Mai 2014 um 22:21 von C

    Prior Art – und damit hat sich das Patent erledigt.

    Die Frage ist vielmehr:
    sitzen im US-PTO nur noch Deppen, die auf den Paten-Einreicher anstatt auf den Inhalt zu achten?
    Genügend Negativ-Beispiele gibt es ja schon.

    • Am 13. Mai 2014 um 9:38 von punisher

      So wie sich das mit anderen Patenten verhält, ist das nicht so schnell gegessen.

      • Am 14. Mai 2014 um 1:28 von Judas Ischias

        Eigentlich wundert es mich, dass das Obst noch nicht auf diese glorreiche Idee gekommen ist, so viel unnützes Zeugs, was die schon angemeldet haben.:-)

        • Am 19. Mai 2014 um 8:28 von Hi, hi...

          …wozu dieser provokante (und gleichermaßen sinnlose) Kommentar?

          • Am 19. Mai 2014 um 12:18 von Ist doch klar ...

            … er muss sein Pensum erreichen, sonst wird nicht gezahlt. Egal, um welche Negativschlagzeile es geht – es wird auf A verwiesen. Dilettantisch zwar, aber solange der Rubel rollt … es geht ja nicht um ‚intelligente‘ Kommentare. Hauptsache Verunglimpfen, der Rest ist egal. ;-)

  • Am 19. Mai 2014 um 7:34 von Dreher

    Gibt’s schon ein Patent für das Rad?

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