Brasilianischer Senat verabschiedet Internet-Rechtekatalog

Staatspräsidentin Dilma Rousseff wird es zum Thema ihrer heutigen Eröffnungsrede bei Netmundial machen. Die Konferenz in Sao Paulo wird allerdings auf Drängen der USA das Thema Überwachung vermeiden. Teilnehmer sollten sich stattdessen auf das Recht auf Privatsphäre konzentrieren.

Der brasilianische Senat hat das Gesetz Marco Civil da Internet verabschiedet – gerade noch rechtzeitig zu Netmundial, der globalen Konferenz über Internet-Governance, die ab heute in Sao Paulo stattfindet. Schon vor einem knappen Monat hatte es die Abgeordnetenkammer passiert und lag seither dem Senat vor.

Flagge Brasiliens

Das Marco Civil da Internet wird auch als Internet-Verfassung bezeichnet und gilt als weltweit fortschrittlichste Gesetzgebung dieser Art. Um den Termin von Netmundial zu halten, wies Staatspräsidentin Dilma Rousseff eine Reihe von Änderungswünschen des Senats ab, da das Gesetz in diesem Fall erneut ans Parlament hätte zurückverwiesen werden müssen.

Rousseff hat lange geplant, das Marco Civil da Internet zum Thema ihrer heutigen Eröffnungsrede bei Netmundial zu machen. Ihr Minister für Wissenschaft, Technologie und Innovation, Virgílio Almeida, weist aber darauf hin, dass es auf der Veranstaltungen keine Vorträge zum Thema Überwachung geben wird. Vielmehr sollten sich die Teilnehmer auf das Recht auf Privatsphäre konzentrieren. Die US-Regierung hatte vorab erklärt, sie werde keine Diskussion über die Grenzen staatlicher Souveränität bei Netmundial akzeptieren.

Das brasilianische Gesetz wurde in einem ungewöhnlich offenen Verfahren entwickelt. Über eine Online-Plattform konnten Bürger ab 2009 Änderungsvorschläge und Kritik zu einem frühen Entwurf äußern. Fast 2000 Menschen nahmen daran teil, und der Text erfuhr dadurch eine wesentliche Überarbeitung. In den folgenden Jahren arbeiteten sich jedoch auch Lobbyisten am Marco Civil da Internet ab, was fast zu seinem Scheitern führte.

Ein Streitpunkt war insbesondere die Netzneutralität, die das Gesetz jetzt festschreibt. Es entlastet gleichzeitig die Internet Service Provider, die nicht mehr für Inhalte verantwortlich gemacht werden können, die von ihren Nutzern veröffentlicht werden. Entfallen ist dagegen die obligatorische Datenspeicherung in Brasilien, die auch für Anbieter wie Facebook und Google gelten sollte. An ihre Stelle trat eine Verpflichtung für alle Unternehmen, die von Brasilianern generierte Daten speichern und verwalten, sich an brasilianische Datenschutzgesetze zu halten – unabhängig davon, wo sich die Rechenzentren und die Daten selbst befinden.

Das Gesetz gibt weiterhin Grundsätze und Rechte vor zu Meinungsfreiheit und Interoperabilität, der Nutzung offener Standards und Technologien, dem Schutz persönlicher Daten, der Zugänglichkeit, einer Internetverwaltung durch verschiedene Akteure sowie offenen Regierungsdaten. WWW-Erfinder Sir Tim Berners Lee lobte den Entwurf für Regeln, die „die Rechte und Verantwortlichkeiten von Einzelpersonen, Regierungen und Firmen, die das Internet nutzen, ausbalancieren.“

[mit Material von Angelica Mari, ZDNet.com]

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