IBM im Cloud-Kaufrausch

Big Blue scheint derzeit eine duale Strategie zu verfolgen: Diese sieht einerseits vor, das Hardware-Geschäft so schnell wie möglich abzustoßen. Andererseits beinhaltet sie aber auch den Plan, in der gleichen Geschwindigkeit Software- und Cloud-Unternehmen aufzukaufen. Investitionen in Künstliche Intelligenz aus der Wolke zeugen unter anderem vom Wandel, den IBM aktuell durchläuft.

Erst im vergangenen Monat kündigte IBM an, satte 1 Milliarde Dollar in den Bereich „Software und Dienste“ investieren zu wollen. Ein Großteil davon ist für sein Cloud-Angebot „SoftLayer Software as a Service (SaaS)“ vorgesehen.

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Das scheint ein cleverer Schachzug von IBM zu sein, da es damit auch weiterhin größtmögliche Anstrengungen in den Cloud-Bereich steckt. Hintergrund all dieser Bemühungen ist das selbst auferlegte Ziel, im kommenden Jahr einen Gewinn von 20 Dollar je Aktie einzufahren.

IBMs gegenwärtiger Ertrag je Aktie (EPS) liegt bei stabilen 17 Dollar. Das bedeutet aber auch, dass im Hinblick auf die durch den früheren CEO Sam Palmisano vorgegebene Deadline noch Luft nach oben herrscht, will man dieses Ziel im angestrebten Zeitfenster erreichen. Ein weiteres hochgestecktes Ziel von Palmisano ist, dass das Unternehmen einen Cashflow von 100 Milliarden Dollar erwirtschaftet.

Aus dem aktuellen Fundus an neuen Technologien sieht IBM die Cloud als die bedeutendste Plattform für sein Wachstum an und investiert daher mit großer Freude in die Wolke (siehe auch untenstehende Tabelle):

IBMs Cloud-Kaufrausch

Zeitpunkt und Betrag Investitionsgegenstand
Februar 2014: 1 Milliarde Dollar BlueMix inklusive der Platform-As-a-Service-Dienste (PaaS) von SoftLayer und Cloud Foundry. Außerdem Übernahme des NoSQL-Cloud-Datenbankanbieters Cloudant.
Januar 2014: 1,4 Milliarden Dollar 15 neue Rechenzentren für die weltweiten Cloud-Dienste des Unternehmens – angesiedelt unter anderem in den USA, China, Hongkong, Indien und Großbritannien.
Januar 2014: 1 Milliarde Dollar Angetrieben durch die Entwicklung des Watson-Supercomputers, der die US-Quizshow Jeopardy gewinnen konnte, investiert IBMs neue Watson Business Group über 1 Milliarde Dollar in den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Hierunter fallen auch 100 Millionen Dollar für die Gründung neuer Start-ups.
September 2013: 1 Milliarde Dollar Linux- und Open-Source-Technologie für Power-Systems-Server
Juni 2013: Geschätzte 2 Milliarden Dollar IBM erwirbt SoftLayer – ein auf Cloud-Computing, dedizierte Server sowie Managed-Hosting-Dienstleistungen spezialisiertes Unternehmen, das in der IBM-Abteilung „Cloud Services“ aufgeht.
April 2013: 1 Milliarde Dollar Im Rahmen seiner Bemühungen, Flash-Speicher als Standard für Rechenzentren zu etablieren, investiert IBM in die Flash-Storage-Entwicklung.

Freilich steht IBM damit nicht alleine da: Der Großteil der Computerindustrie investiert ebenfalls fleißig in Cloud-Technologien. Eine Reihe von Analysten prognostiziert zudem ein enormes Cloud-Wachstum. Hierzu zählt auch Evans Research, das im Auftrag von IBM erst kürzlich einen entsprechenden Bericht erstellte.

Dieser besagt, dass aktuell zwar gerade einmal 18 Prozent der Entwickler weltweit an Cloud-Applikationen arbeiten, dass sich dieser Wert bis 2019 aber auf 67 Prozent erhöht haben wird. Dies bedeutet wiederum, dass eine absolute Zahl von etwa 12 Millionen Menschen größtenteils oder ausschließlich an Anwendungen für die Cloud arbeiten wird.

In den kommenden fünf Jahren werden Hybrid Clouds den Hauptantrieb für das Wachstum bilden. Damit geht einher, dass On-Premise-Lösungen sowie Cloud-Applikationen immer mehr als die Norm betrachtet werden.

Daher hat auch die Analystengruppe Gartner ihrer These noch einmal Gewicht verliehen. Diese geht davon aus, dass bis 2017 50 Prozent der Unternehmen über Hybrid Clouds verfügen werden. Das entspricht in etwa auch den Berechnungen von Evans Research.

Als Teil dieses Prozesses ist IBM bestrebt zu zeigen, dass es die Mittel und die Bereitschaft dazu besitzt, Milliarden-Beträge in die Software-Entwicklung und damit verknüpfte Cloud-Aktivitäten zu stecken.

In einigen Ankündigungen der letzten Monate teilte das Unternehmen mit, dass es eine Reihe von Software und Services in dem Produkt Blue Mix gebündelt habe. Dieses bedient sich ebenfalls des quelloffenen Platform-As-a-Service-Dienstes (PaaS) Cloud Foundry.

IBM zufolge besteht das Ziel von BlueMix darin, „es den Entwicklern zu ermöglichen, ihre Cloud-Anwendungen schnell zu erstellen, anzuwenden und zu verwalten, während sie damit gleichzeitig ein wachsendes Ökosystem an verfügbaren Diensten und Laufzeit-Frameworks erschließen“. Das alles wird durch die 1-Milliarde-Dollar-Investition untermauert.

Ein weiterer Teil des Plans war die Übernahme des in Boston ansässigen NoSQL-Datenbankanbieters Cloudant, dessen Dienst als rein Cloud-basiertes DataBase-As-a-Service-Angebot (DBaaS) auf IBMs SoftLayer-Cloud-Plattform aufsetzt.

Zudem wird IBM nicht müde, zu betonen, dass BlueMix im Gegensatz zu konkurrierenden Angeboten „auf offenen Standards basiert und mittels des „Cloud-basierten As-a-Service-Modells“ eine Reihe von Funktionalitäten der IBM Software Sparte liefert. Hierzu zählen etwa Java, die Entwicklung mobiler Backends sowie die Anwendungskontrolle“.

Als Bestandteil von BlueMix baut IBM „ein mächtiges Line-up an Entwicklerdiensten auf, die sich auf Mobile- und Web-Apps, Systemintegration, DevOps sowie Daten-Management fokussieren“. Das ist aber noch nicht alles: Denn zusätzlich erlaubt IBM den Entwicklern auch weiterhin den Zugriff auf seine SaaS-Business-Anwendungen mittels kompatibler API-basierter Dienste.

Wie sieht der Plan von IBM also aus?

IBM hat im vergangenen Jahr eine Menge Geld ausgegeben. Die 1-Milliarde-Dollar-Investition in BlueMix/SoftLayer war dabei nur die massive Spitze eines sehr großen Eisbergs. Im Januar gab IBM 1,2 Milliarden Dollar für 15 neue Rechenzentren auf der ganzen Welt aus. Diese kamen zu den 25 bereits bestehenden hinzu. Dem Unternehmen zufolge widmet sich jedes davon auch Cloud-basierten Diensten.

Ebenfalls im Januar diesen Jahres kündigte IBM an, für weitere 1 Milliarde Dollar die Watson Business Group gründen zu wollen, deren Spezialgebiet der Bereich der Künstlichen Intelligenz ist. Von dieser Summe waren 100 Millionen Dollar für die finanzielle Unterstützung von Start-ups, die kognitive Apps entwickeln, vorgesehen. Viele davon werden wahrscheinlich ebenfalls über die Cloud bereitgestellt.

Was denken die Analysten über die Chancen von IBM

Als ich Gary Barnett, den leitenden Analysten beim Marktforschungsunternehmen Ovum, nach seiner Meinung zu den Ereignissen bei IBM befragte, ging er geradewegs zu den Geschichtsbüchern über. Er sagte, man müsse bis in die Zeit zurückgehen, in der Lou Gerstner noch für die IBM-Geschäfte verantwortlich war (1993 bis 2002). Erst dann könne man verstehen, wie Big Blue heute tickt.

„Denk daran, dass es Gerstner war, der dem Elefanten das Tanzen beibrachte“, sagte Barnett in Anspielung an Gerstners Buch „Wer sagt, Elefanten können nicht tanzen?“ Er begann den Prozess der IBM-Restrukturierung, dem seither alle CEOs gefolgt sind“, wie er betonte.

Laut Barnett begann dieser Vorgang damit, dass Gerstner die vielfältigen IBM-Geschäfte in vier Kernbereiche unterteilte: „Seitdem ist es geradezu eine Selbstverständlichkeit, das Unternehmen in Geschäftsbereiche zu untergliedern, die sich nicht nur über Hard- oder Software definieren, sondern auch über andere Bereiche, wie etwa die Cloud“.

Weiterhin hob Barnett hervor, dass IBM früher einmal anhand der Komponenten definiert und unterteilt wurde, die es verkaufte – hierzu zählen zum Beispiel Hard- und Software, aber auch Mainframes oder Server. „Mittlerweile sind es jedoch die Geschäfte selbst, die die Struktur des Unternehmens bestimmen.“

Nehmen wir beispielsweise die Watson-Abteilung: IBMs Entwicklungseinrichtung für Künstliche Intelligenz, welche allen Menschen und Organisationen außerhalb von Big Blue zur freien Verfügung steht. „Die Arbeit, die Mike Rhodin an Watson leistet, ist ein gutes Beispiel für das, was Big Blue aktuell sein möchte“, sagte Barnett. „IBM hat ihm 1 Milliarde Dollar gegeben und gesagt: Das ist das, was wir wollen. Setz es für uns um, denn es repräsentiert das neue IBM.“

Barnett glaubt, das alles stärkt IBM nun. Denn es bedeutet das Ende komplexer Managementstrukturen und verschachtelter Organigramme. Dafür liegt der Fokus nun mehr auf der Einfachheit.

Es gab mal eine Zeit, als IBM ein US-Unternehmen mit großer internationaler Präsenz war. Barnett nimmt jedoch an, dass sich IBM jetzt zu einem großen internationalen Unternehmen mit einer weltweiten Präsenz, die die USA lediglich mit einschließt, verwandelt. Er ist der Meinung, dass viele Menschen einfach unterschätzen, wie traumatisch ein solcher Wandel für eine Firma sein kann, die sich einst als durch und durch amerikanisches Unternehmen betrachtet hat.

Dennoch ist hier seit den Zeiten von Gerstner ein Prozess im Gange, den Rometty zwar fortsetzen, aber nicht notwendigerweise beenden wird. „Ich denke, dass wir erst die Hälfte des Weges hinter uns haben“, sagt Barnett. Bedeutet das nun, dass es zu weiteren Stellenstreichungen kommen wird, die womöglich das Ausmaß des vergangenen Jahres annehmen? Barnett jedenfalls glaubt nicht daran, dass es künftig noch einmal derartige Massenentlassungen geben wird: „IBM ist ein großes Unternehmen und durchläuft folglich auch den Kreislauf des Verlierens und Einstellens von Mitarbeitern. Das hat es in den vergangenen 100 Jahren schon so praktiziert.“

Die Analysten stimmen mit dieser Beurteilung überein. Gartner etwa hält detaillierte Bewertungen zu allen großen Anbietern vor. Hierzu zählt auch IBM. Das Marktforschungsunternehmen vergibt stets eine sogenannte „stark positive Bewertung“ für die IBM-Unternehmensbereiche Strategie, Marketing und Organisation. Und mittlerweile erzielt das Unternehmen auch bei neueren Gebieten – etwa Mobile, Cloud oder Smart Commerce – vielversprechende oder gar positive Einstufungen.

Tipp: Die Cloud ist mehr als nur ein Produkt oder eine Dienstleistung. Sie stellt vielmehr ein Bereitstellungsmodell dar. Entscheiden Sie sich für die Cloud, so wird Ihnen das neue Möglichkeiten eröffnen, IT-Dienstleistungen innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens zu erbringen und zu nutzen. Aber nach welchen Kriterien wählt man das passende Modell aus? Besuchen Sie am 27. März 2014 um 10 Uhr unser 40-minütiges Live-Webinar und erfahren Sie mehr. Zu weiteren Informationen und zur Registrierung.

Tipp: Sind Sie ein Fachmann in Sachen Cloud Computing? Testen Sie Ihr Wissen – mit dem Quiz auf silicon.de.

[Der Beitrag erschien ursprünglich auf ZDNet.com, Übersetzung: Rainer Schneider]

Themenseiten: Cloud-Computing, IBM

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1 Kommentar zu IBM im Cloud-Kaufrausch

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  • Am 27. März 2014 um 10:27 von ch

    Mit viel Elan ist die IBM auf dem Weg wieder mal viele ihrer Kunden zu brüskieren.
    In der Industrie steht man der Cloud in den IT-Abteilungen sehr skeptisch gegenüber. Gewollt ist die Cloud eigentlich nur von Controllern die meinen damit Geld zu sparen.
    Die Gefahren werden sträflich vernachlässigt und klein geredet.
    Aber mal los – auf in die Cloud – und wer will kann ja die Blaupausen gleich außen ans Werkstor kleben.

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