Türkisches Parlament verabschiedet Gesetz für Internetzensur

Es erlaubt die Sperrung beliebiger Websites ohne richterlichen Beschluss. Offiziell wird das Vorgehen mit dem Schutz der Privatsphäre von Nutzern "ohne langwieriges Gerichtsverfahren" begründet. Die EU sieht darin eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Das türkische Parlament hat am Mittwoch ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung erlaubt, ohne richterlichen Beschluss Internetinhalte zu zensieren. Es gibt der türkischen Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB) die Befugnis, innerhalb von vier Stunden nach Erhalt einer Beschwerde den Zugang zu einer Website zu sperren. Zudem sieht das Gesetz vor, dass türkische Internetanbieter die Verbindungsdaten ihrer Kunden für zwei Jahren vorhalten müssen.

Türkisches Parlament verabschiedet Gesetz für Internetzensur

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch vom türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül unterzeichnet werden. Er kann seine Unterschrift allerdings auch verweigern. Laut Wall Street Journal hat er von seinem Vetorecht seit seinem Amtsantritt im Jahr 2007 allerdings sehr selten Gebrauch gemacht.

Datenschützer, die Europäische Union und die US-Bürgerrechtsorganisation Freedom House haben das Gesetz als einen Weg hin zur Legalisierung der Internetzensur kritisiert. „Die türkische Öffentlichkeit verdient mehr Informationen und Transparenz und nicht mehr Einschränkungen“, sagte ein EU-Sprecher dem WSJ. In seiner derzeitigen Form schränke das Gesetz die Meinungsfreiheit ein.

Der türkische Kommunikationsminister Lütfi Elvan weist die Vorwürfe dem Bericht zufolge zurück. Einzige Aufgabe des Gesetzes sei es, die Privatsphäre von Nutzern auch ohne langwierige Gerichtsverfahren zu schützen.

Zuletzt wurde die Türkei von einem Korruptionsskandal erschüttert, der unter anderem zu einer umfassenden Kabinettsumbildung führte. Zu den Beschuldigten gehörten auch mehrere Personen aus dem Umfeld von Ministerpräsident Recep Erdogan. Die Berichterstattung in den Medien und im Internet verstärkte den Druck auf Erdogan, der unter anderem von einem ehemaligen Minister seiner Regierung zum Rücktritt aufgefordert worden war.

Die türkische Oppositionspartei Republikanische Volkspartei (CHP) lehnt das Gesetz in seiner derzeitigen Form ab. Sollte es trotzdem in Kraft treten, will sie laut WSJ den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. „Erdogan will das Internet zu seinem Portal machen“, sagte Umut Oran von der CHP. „Das Gesetz soll Erdogans illegale Aktivitäten, Unrecht und Bestechungsvorwürfe verschleiern. Es soll auch verhindern, dass neue Anschuldigungen ans Licht kommen.“

Schon Ende Dezember hatte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok im Zusammenhang mit der Bestechungsaffäre die Vermutung geäußert, Erdogan habe „seinen Zenit überschritten“. Dem Deutschlandfunk sagte er laut TAZ, Erdogan versuche, „alle Mittel einzusetzen“, um an der Macht zu bleiben.

[mit Material von Lance Whitney, News.com]

Themenseiten: Datenschutz, Politik, Privacy, Zensur

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Neueste Kommentare 

3 Kommentare zu Türkisches Parlament verabschiedet Gesetz für Internetzensur

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  • Am 7. Februar 2014 um 12:59 von hugo

    Das Volk will anscheinend in die EU, die „Staatsmacht“ tut alles um dies auf legale Weise zu verhindern? Hier muß sich das türkische Volk sehr wohl überlegen, wen sie demnächst wählen wollen.

    • Am 11. Februar 2014 um 19:53 von Salman

      DAS Volk will nicht in die EU Die Regierung wollte es bis vor kurzen scheint davon aber abgewichen wenn man sieht das die EU durchweg korrupt ist versteht man sowas

  • Am 7. Februar 2014 um 18:27 von Judas Ischias

    Wie „legal“ waren denn die bisherigen Ablösungen von Polizisten und Staatsanwälten bei den Untersuchungen zur Korruption? Ob die Anschuldigungen nun stimmen oder nicht, man hätte dies ja auf korrekte, juristische Weise lösen können. Erdogan zieht seinen eigenen Stiefel durch, vielleicht wäre sonst rausgekommen, dass er oder Familienangehörige auch mit verwickelt ist/sind. Erinnert mich doch alles sehr daran, wie die chinesische Staatsführung mit unangenehmer Kritik umgeht.
    Und so fremd sind solche „merkwürdigen“ Aktionen selbst im „freien“ Europa nicht. Muss man nur mal nach Großbritannien schauen, was dem Cameron alles so vorschwebt.

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