Google: Gmail-Nutzer haben keinen Anspruch auf Privatsphäre

Mit diesem Argument will der Internetkonzern eine Sammelklage wegen Data-Mining abweisen lassen. Google zufolge weiß auch ein Versender von Geschäftsbriefen nicht, wer ein Schreiben tatsächlich öffnet. Verbraucherschützer bezeichnen die Erklärung als "erstaunliches Eingeständnis".

Google hat in einem im Juni eingereichten und erst jetzt bekannt gewordenen Schriftsatz klargestellt, dass Nutzer, die via Gmail E-Mails senden oder empfangen, nicht erwarten dürfen, dass ihre Nachrichten privat bleiben. Mit diesem Argument will der Internetkonzern die Abweisung einer Sammelklage erreichen, die ihm Data-Mining vorwirft.

Gmail

In seinem Schriftsatz beruft sich Google unter anderem auf eine 1979 vom US Supreme Court bestätigte Entscheidung, die die Sammlung elektronischer Kommunikation ohne Gerichtsbeschluss erlaubt. „So wie der Absender eines Briefs an einen Geschäftspartner nicht überrascht sein darf, dass der Assistent des Empfängers den Brief öffnet, können Nutzer, die webbasierte E-Mails verwenden, nicht überrascht sein, dass ihre Nachrichten vom E-Mail-Provider des Empfängers bei der Auslieferung verarbeitet werden“, schreibt Google. „Tatsächlich hat ‚eine Person‘ bei der freiwilligen Weitergabe von Informationen an einen Dritten keinen Anspruch auf Privatsphäre.“

Die Kläger unterstellen, dass das automatische Scannen von E-Mails durch Google ein illegales Abhören ihrer elektronischen Kommunikation ohne ihre Zustimmung darstellt. Google, das E-Mails scannt, um Spam auszufiltern und zielgerichtete Anzeigen auszuliefern, behauptet, dass die Nutzer diesem Verfahren im Austausch für die Bereitstellung des E-Mail-Diensts zugestimmt hätten. Andere Gerichte hätten bereits bestätigt, dass alle E-Mail-Nutzer „zwangsläufig stillschweigend die automatische Verarbeitung ihrer E-Mails“ genehmigt hätten, heißt es weiter in dem Schreiben.

Die Verbraucherschutzorganisation Consumer Watchdog bewertet Googles Erklärung als „verblüffendes Eingeständnis“. Sie warnte zudem Anwender, denen der Schutz ihrer Privatsphäre wichtig sei, vor der Nutzung von Googles E-Mail-Diensten.

In einer Presseerklärung kritisiert Consumer Watchdog Googles Vergleich einer E-Mail mit einem Brief. „Ich erwarte, dass die Post einen Brief an die Adresse auf dem Umschlag liefert. Ich erwarte nicht, dass der Postbote den Brief öffnet und liest. Entsprechend erwarte ich, wenn ich eine E-Mail sende, dass sie gemäß der E-Mail-Adresse an einen Empfänger mit einem Gmail-Konto ausgeliefert wird. Warum sollte ich erwarten, dass Google den Inhalt abfängt und liest?“

Schon bei seiner Einführung 2004 war Googles E-Mail-Dienst als herber Eingriff in die Privatsphäre von Internetnutzern kritisiert worden. Rechtsexperten und Datenschützer zugleich behaupteten, es sei illegal, den Text einer E-Mail zu scannen, um Kunden gezielt mit Werbung zu versorgen.

Die Privatsphäre von E-Mail-Nutzern ist auch ein Aspekt der Affäre um den PRISM-Informanten Edward Snowden. Der von ihm genutzte Service Lavabit, der eine durchgehende und sichere Verschlüsselung bot, schloss in der vergangenen Woche. Die Gründe dafür durfte er nach eigenen Angaben nicht nennen. Kurz darauf stellte mit Silent Circle ein weiterer Anbieter durchgehend verschlüsselter Kommunikation seinen Dienst ein.

[mit Material von Steven Musil, News.com]

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6 Kommentare zu Google: Gmail-Nutzer haben keinen Anspruch auf Privatsphäre

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  • Am 14. August 2013 um 13:12 von Johannes

    „…Entsprechend erwarte ich, wenn ich eine E-Mail sende, dass sie gemäß der E-Mail-Adresse an einen Empfänger mit einem Gmail-Konto ausgeliefert wird. Warum sollte ich erwarten, dass Google den Inhalt abfängt und liest?”

    … und insbesondere sollte einem der Postbote dann nicht auch noch seiner Ansicht ‚passende‘ Werbung in den Umschlag stecken. Wie könnte das aussehen: Brief von der Freundin – Werbung von Beate Uhse? Oder doch gleich Viagra, man weiss ja vom Brief des Arztes, dass etwas ‚klemmen‘ könnte? ;-)

  • Am 14. August 2013 um 13:53 von Blago

    Naja, alles kostet Geld, so oder so. Da ist es billiger, paar € für eine Account oder Server zu bezahlen, als sein ganzes Leben veröffentlichen.

    • Am 15. August 2013 um 22:48 von sapiens

      Ja – aber da viele nur mehr oder weniger Belangloses mailen, ist es denen auch völlig schnuppe, wer da mitliest, und nicht nur bei Google – sonst würden ja auch nicht Millionen mit einer privat bezahlten NSA-Schnittstelle (Smartphone) herumlaufen, von FB etc. ganz zu schweigen. Dabei könnte man vertrauliche Inhalte auch bei einer Gmail schützen, einfach den Inhalt in ein RAR-Archiv mit langem Passwort packen, die Datei schicken und das Passwort auf anderem Wege (telefonisch?) dem Empfänger mitteilen, oder früher persönlich vereinbaren. Viel Spass beim Knacken eines 50-Zeichen-Passworts…

  • Am 14. August 2013 um 14:12 von Tobias

    Leider scheinen alle Beteiligten vergessen zu haben, dass sich das Scannen aus Werbegründen sehr sehr einfach opt-outen lässt (und mit sehr sehr einfach meine ich: das schafft sogar meine Mutter).
    Der Spam-Filter bleibt natürlich dennoch eingeschaltet, machen GMX, Web.de und die Telekom aber ja auch nicht anders.

  • Am 14. August 2013 um 16:01 von t_e_e_k

    also scannen sollen sie nicht dürfen
    aber durch einen gewissen zauber möchten die leute die spams aussortiert haben

    1) jeder der eine email verschickt, weiß das sie irgendwo gelesen werden kann
    2) den inhalt anzuschauen um werbung einzublenden ist in meinen augen ok, solange es immer mit bezug auf EINE email geschieht.
    3) werbung ist auch OK, google bietet mir ja sogar die möglichkeit einen anderen client zu nutzen (die werbung ist teil des clients, nicht des email services an sich).

    ich möchte nur nicht, das ein Profile von mir erstellt wird, das aus allen verfügbaren daten erstellt wird. und über die eine Rasterfandung laufen könnte. Ich habe nämlich keine lust das nach irgend einem Amazon Einkauf in kombination mit einer geschäftsreise, auf einmal die polizei (mit glück) oder der geheimdienst (als entrechteter) vor meiner tür stehen.

  • Am 15. August 2013 um 12:47 von Aeronaut

    Eine Standard E-Mail ist im Prinzip eine „Postkarte“. Die Gesamte Email (mit Anhängen) KANN nicht nur vom Server, sondern auch von jedem Router/Gateway auf dem weg zum Server gelesen bzw manipuliert werden.
    Alleine das zustellen einer solchen Postkarte ERFORDERT, dass ein Teil des Inhalts automatisch gelesen werden muss – nämlich die Adressen der/des Empfängers.

    Wer nicht möchte das irgendjemand seine Briefe mitlist sollte diese in einen Briefumschlag packen bzw im falle von Email verschlüsseln.

    Verschlüsselungen wie zb GnuPG oder PGP machen eine Email – abgesehen von Empfängeradresse – nur für ausgewählte Empfänger (nicht mal für den Email Server) lesbar und schützen durch eine Signatur auch den Inhalt. Dann wäre die Email quasi Versiegelt.
    Leider muss in diesem Fall der Empfänger in der Lage sein diesen „Briefumschlag“ zu öffnen (entschlüsseln) und dafür einen „Schließmechanismus“ aka Public Key zur Verfügung stellen.

    Fazit: Wer die Postkarte eines dritten liest kann meines wissen nicht verklagt werden – warum sollte dies bei einer Email anders sein?

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