Geplanter Verschleiß: Gutachten deckt Strategien der Hersteller auf

Das Gutachten im Auftrag der Grünen nennt zahlreiche Beispiele für geplanten Verschleiß. Apple fällt gleich mehrfach unangenehm auf. Außerdem sprechen die Autoren Empfehlungen an die Politik aus.

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat bei der ARGE REGIO Stadt- und Regionalentwicklung GmbH ein Gutachten zu dem in den vergangenen Monaten verstärkt diskutiertem Thema geplante Obsoleszenz in Auftrag gegeben. Das Gutachten mit dem Titel „Gekauft, gebraucht, kaputt – vom viel zu kurzen Leben vieler Produkte“ wurde gestern in Berlin diskutiert.

In dem 100-seitigen Dokument, das ZDNet vorliegt, werden die wirtschaftlichen Voraussetzungen untersucht, die geplanten Verschleiß für Hersteller attraktiv und in der Praxis anwendbar machen. Außerdem führen die Autoren viele Beispiele auf, die angeblich geplanten Verschleiß zeigen. Zudem enthält das Gutachten Empfehlungen, wie die Politik Verbraucher davor schützen könnte.

Fernseher von Grundig (Bild: Peter Marwan)„Früher hielten Elektrogeräte deutlich länger“ – nur ein subjektiver Eindruck oder eine belegbare Tatsache?

Die Autoren des Gutachtens sind mit der Diskussion Vertrauten nicht unbekannt. Neben dem Studenten Janis Winzer und Professor Christian Kreis, der an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik lehrt, gehört dazu auch Stefan Schridde. Der Betriebswirt ist vor allem als Initiator der Initiative Murks? Nein Danke! in Erscheinung getreten und hat durch Interviews und Auftritte in den Medien die Diskussion maßgeblich ins Rollen gebracht.

In dem Gutachten wird der Begriff „geplante Obsoleszenz“ sehr weit gefasst: Neben technischen Tricks, um die Lebensdauer von Produkten zu begrenzen, subsumieren die Autoren zum Beispiel vor allem in der IT- und Elektrobranche auch den durch geschicktes Marketing geförderten Austausch von eigentlich noch funktionsfähigen Produkten darunter. Das geht vielleicht ein bisschen weit, schließlich ist niemand verpflichtet, neue Produkte zu erwerben.

Die gewandelte Mediennutzung und die damit einhergehende veränderte Gerätevielfalt in den Haushalten berücksichtigt die Studie zu wenig (Grafik: Bitkom).Die gewandelte Mediennutzung und die damit einhergehende veränderte Gerätevielfalt in den Haushalten berücksichtigt die Studie zu wenig (Grafik: Bitkom).

Auch manche der Schlussfolgerungen stehen auf wackeligen Füßen: So ist es zumindest mit den im Gutachten gelieferten Material etwas vermessen, die durchschnittlichen Ausgaben eines Vier-Personen-Haushalts von 1964 für Rundfunk-, Fernseh-, und Phonogerate auf (61,36 Euro) mit den Ausgaben von 2010 für (Rundfunkempfangsgeräte, Fernseher, Videogeräte, TV-Antennen, Datenverarbeitungsgeräte und Software, Foto-, Filmausrüstung und optische Geräte) in Höhe von 384 Euro pro zu vergleichen und daraus indirekt den Schluss zu ziehen, dass die Versechsfachung zu einem guten Teil auch auf geplante Obsoleszenz zurückzuführen ist.

Das verkennt völlig die gewandelte Bedeutung dieses Bereichs für die Verbraucher: Während 1964 viele gerade mal ein Radio aber noch nicht mal ein Festnetztelefon hatten, kann bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt heute von mindestens einem Fernseher, mehreren Mobiltelefonen, und Digitalkameras, mindestens einem PC und unter Umständen einer Spielkonsole mit dazugehöriger Software ausgegangen werden. Der Vergleich hinkt in der Form also.

Strategien der Hersteller bei Design und Architektur

Interessant sind dagegen die aufgezeigten Strategien, mit denen Hersteller in Design und Architektur ihrer Produkte dafür sorgen, dass ihnen einen begrenzte Lebensdauer beschieden ist. Schade ist allerdings, dass die Autoren des Gutachtens in den allermeisten Fällen keine stichhaltigen Beweise dafür liefern können, dass es sich nicht um Schlamperei oder unsachgemäße Produktentwicklung handelt, sondern um gezielt und von langer Hand vorbereitete „Sabotage“ am Produkt: Denn belegter Vorsatz würde ein rechtliches Vorgehen sicher erheblich erleichtern.

Die sehr kritisch eingestellten Autoren des Gutachtens kommen zwar zu dem Schluss: „Insgesamt dürfte die Verbreitung von geplanter, gewollter oder billigend in Kauf genommener Obsoleszenz erheblich sein. Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um ein Massenphänomen. Ein sehr großer Teil der Produkte unseres alltäglichen Lebens durfte davon betroffen sein.“ Allerdings müssen sie auch einräumen: „nach Auskunft von Ingenieuren mit jahrzehntelanger Praxiserfahrung ist wirklich absichtlich geplanter, bewusst gewollter vorzeitiger Verschleiß von Produkten durch Einbau von Schwachstellen sehr selten.“

Als weiteres Negativbeispiel nennt das Gutachten Apples MacBook Pro, weil dessen Gehäuse beziehungsweise die eingebauten Komponenten verklebt sind. Ein Austausch von Komponenten oder eine Reparatur werde dadurch erheblich erschwert oder verteuert, weil selbst für kleine Arbeiten eine Fachwerkstatt in Anspruch genommen werden müsse. Dasselbe gilt laut den Experten von iFixit übrigens auch für den neuen iMac sowie für Microsofts aktuelles Tablet Surface Pro.

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11 Kommentare zu Geplanter Verschleiß: Gutachten deckt Strategien der Hersteller auf

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  • Am 21. März 2013 um 15:18 von mac4ever

    Die Pentalobe-Schrauben als Beweis dafür anzugeben, dass freie Werkstätten nicht erwünscht seien, ist wenig praxisgerecht Und sollten offen schlechte Recherche. Es ist überhaupt kein Problem, nicht mal für den Privatmann, sich entsprechender Werkzeuge zu beschaffen. Diese werden seit langem auf dem freien Markt angeboten und stellen kein Hindernis dar. Die Pentalobe-Schrauben haben lediglich den gewünschten Effekt, dass nicht jeder Laie sich an dem Gerät zu schaffen machen kann.

    Wenn ich wirklich ins Innere eines Apple-Gerätes vordringen will, schaue ich bei iFixit nach und besorge mir das entsprechende Werkzeug, das über entsprechende Anbieter leicht zu beschaffen ist.

    • Am 21. März 2013 um 17:15 von Thomas

      Sicher können sich Privatleute auch immer irgendwo das passende Werkzeug beschaffen. Aber es ging darum, so verstehe ich den Artikel, das ohne Not Spezialschrauben verbaut wurden welche eben erst mit Spezialwerkzeug zu öffnen sind. Ich denke Apple ist da ein Vorreiter in Punkto „schnell wegwerfen und neu kaufen“.
      Aber Apple sind nicht die einzigsten. Als ich zB. den RAM meines Acer ZG5 erweitern wollte stellte ich fest, dass es auf der Rückseite des Gerätes kein Schacht eingesetzt wurde um an den RAM heranzukommen. Ich musste jetzt das ganze Gerät zerlegen als auch das Mainboard des Netbooks ausbauen um einen zusätzlichen Riegel RAM einstecken zu können. Es waren jedoch alles Kreuzschrauben. Besser wurde es dadurch jedoch nicht.
      Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es wie bei allen Garantie Ansprüchen ist, wenn ich mein Gerät öffne verfällt die Garantie. Aber da es mein Gerät ist sollte mir auch die Möglichkeit gegeben sein.

    • Am 18. April 2013 um 15:57 von Mischa

      was für ein Unfug! Ich bin Benutzer, dder einen Haufen Geld für ein Produkt bezahlt hat und keine Reparatur Werkstatt !

  • Am 21. März 2013 um 16:10 von Joda56

    Das Beispiel Apple ist nett konstruiert. Bei Automobilen ist die Selbstreparatur schon seit Jahren kaum noch möglich. Die Vermeidung von Fremdeingriffen durch das Verkleben, Verlöten und Absichern durch Spezialschrauben passt so überhaupt nicht in die Thematik geplanter Sollbruchstellen in technischen Geräten. Wer selbst schraubt, der kauft solche Geräte nicht, weil er vorher von den Einschränkungen weiß. Der Tower ist für den Eigenbauer und nicht ein iMac mit extrem verdichteter Technik für Designfans! Fachwerkstätten finde ich gut, bei Autos und bei komplex gebautem technischen Equipment. Nutznießer ist das Handwerk und weniger der Hersteller.
    Wie steht es um PC Hersteller mit proietären Komponenten und BIOS, die vermeiden z.B. beliebige WWAN Karten zu verbauen? Wer Apple sagt sollte auch D*ll sagen ;).

    • Am 21. März 2013 um 16:48 von Peter Marwan

      Hallo Joda56,
      wie im Beitrag erklärt, fassen die Gutachter den Begriff „geplante Obsoleszenz“ sehr weit. Wir haben uns hier auf die unterstellten technischen Tricksereien in Produkten der Informationstechnologie konzentriert. In dem Gutachten wird zum Beispiel auch von störanfälligen Reißverschlüssen oder unaustauschbaren, aber nicht abriebfesten Plastikzahnrädern in Handrührgeräten berichtet. Der Bereich Autos wurde dort allerdings komplett ausgelassen – er wird ja aber auch schon hinreichend diskutiert.

      „Verkleben, Verlöten und Absichern durch Spezialschrauben“ gehört aus Sicht der Autoren insofern dazu, als es ebenfalls dazu beiträgt, dass Geräte ausgetauscht werden, bevor dies eigentlich erforderlich ist. Darüber, was „eigentlich erforderlich“ heißt, kann man sich natürlich auch trefflich streiten. Beim Lesen des Beitrags und der Einordnung der Aussagen aus dem Gutachten sollte man sich aber vergegenwärtigen, dass es im Auftrag der Bundestagsfraktion der Partei „Die Grünen“ erstellt wurde. Es spielen daher in den Einschätzungen und Erwägungen auch Umweltaspekte und Themen wie Ressourcenschonung, Müllvermeidung und Recyclingfähigkeit der Produkte eine Rolle. Darauf sind wir nicht ausführlich eingegangen. Schließlich hat unser Beitrag nur zwei, nicht 100 Seiten wie das Gutachten.
      Peter Marwan
      Redaktion ZDNet

    • Am 21. März 2013 um 17:38 von Misu

      Ich bin auch der Meinug, dass das Verlöten und Verkleben nicht zur Nutzerfreundlichkeit gehört. Denn bei mir gehört auch eine kostengünstige Reparaturmöglichkeit im Problemfall dazu. Der Vergleich mit den Autos ist unpassend da die Autoindustrie hier kein gutes Beispiel abgibt.

      Aus der Sicht der Industrie „verstehe“ ich diesen Weg hingegen. Der Markt ist irgendwann gesättigt und kann natürlich nicht weiter wachsen. Deshalb müssen neue Absatzquellen erschlossen werden. Also wird der Bedarf über Maketing für andere/neue Geräte oder verfrühten Reparaturbedarf erzeugt.

      Da die Gesetzgebung der Industrie nur verzögert reagierend folgt und nicht agierend die Regeln selbst definiert wird das Problem bleiben und sich verschlimmern. Der zweite Punkt ist, dass bestehende Gesetze (zB. Wechselbarkeit der Akkus) nicht kontrolliert und verfolgt werden. Die Industrielobby ist zu gross.

      Hingegen schaffen wird es eine Glühlampe in Europa zu verbieten welche in der Industrie keine Lobby hatte und eine geringe Marge hatte. Durch diesen Schritt wurde für die Energiesparleuchten, zwar gesundheitlich und in der Endbilanz bedenklicher aber mit einer höheren Gewinnmarge, der Marktbedarf erhöht.

    • Am 29. März 2013 um 16:08 von Alex R

      Zitat: „Wer Apple sagt, sollte auch Dell sagen“ Auch HP hat proprietäre Lösungen. Die zugegeben sehr gute Workstation z400 wollte ich als Grundlage für einen Storage Server nehmen. Da das Gehäuse jedoch nur sehr bedingt eine Erweiterung zulässt, habe ich das Mainboard in ein anderes Gehäuse gebaut und siehe da: mit einem Standard Netzteil läuft das Mainboard nicht, da HP die Belegung des Standard ATX Steckers modifiziert hat. Wenn man schon rumhackt, dann bitte richtig…!!!

  • Am 22. März 2013 um 13:28 von Thomas aus Leipzig

    Die “ Sollbruchstellen“ sind ein alter Hut. Bereits im Jahre 1996 machte ich als Werkstattfritze Bekanntschaft mit allen möglichen “ Hindernissbahnen “ bei der Elektronik. Besonders schön war ein regelrecht zugeschweißtes Autoradio von der Firma mit dem blauen Punkt. Nur der Antriebsriemen vom Cassettenlaufwerk war schlabbrig geworden… Meine Erfahrungen und Tips sind neben vielen anderen Berichten und Hilfeleistungen unter http://www.swaki.de/ zu finden und ich würde mich sehr freuen, wenn ich jemanden damit helfen kann.

    mit freundlichen Grüßen an alle

    Thomas Schirmer . Leipzig

    • Am 8. April 2013 um 18:06 von Turan

      Genau, was ich oben geschrieben habe: Schön, wenn man den Riemen hätte auswechseln können. Aber nachdem schon lange keine Musikkassetten mehr hergestellt werden und CDs eine viel bessere Qualität haben, war das Gerät technisch veraltet und nur noch sehr bedingt reparaturwürdig.

  • Am 8. April 2013 um 18:03 von Turan

    Die Grünen haben wahrscheinlich Recht: kein Hersteller produziert noch für unbefristete Haltbarkeitsdauer. Meine alte Stereoanlage brachte es auf 24 Jahre, ein Röhren-Fernseher auf 18.

    Eines haben die Grünen nicht berücksichtigt: Obsoleszenz durch technischen Fortschritt. Wer will z.B. noch in einen fünf Jahre alten PC hineinreparieren? Die Bauteile gibt es großenteils nicht mehr, oder sie sind sehr viel leistungsfähiger geworden. Ein Computerbastler wechselt die überholten Bauteile aus und kann sie danach nur noch im Wertstoffhof abliefern. Aber wie viele Leute wechseln lieber gleich den ganzen PC aus?

  • Am 14. April 2013 um 3:04 von moose

    Es ist geradezu tragisch wie wir es zulassen, dass die Industrie unsere Umwelt zerstört! Wie kann es sein, dass sie so eine starke Lobby hat und so wenig dagegen unternommen wird? Apple ist natürlich ein sehr gutes und vorallem bekanntes Beispiel für die Misere, denn wenn ich ein Premiumprodukt kaufe, dann soll das Gerät gefälligst lange halten und sogar noch günstig repariert werden können. Andere Firmen machen es vor, Bang und Olufsen oder Loewe z.B. Eine modulare und zukunftsorientierte Bauweise ist aber von der Industrie nicht gewollt da nicht profitable genug für sie! Jeder sollte sich beim Kauf eines Gerätes informieren und Gedanken machen ob man etwas solides kauft oder ob es jetzt schon für die Tonne gemacht ist.

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