Soziale Netze: EuGH stoppt Filter zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen

Er bestätigt damit eine Entscheidung vom November. Damals ging es um die Filterung bei Service Providern. Beide Male steht der Forderung der Rechteinhaber die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr im Weg.

Der Betreiber eines Sozialen Netzwerks kann nicht gezwungen werden, ein generelles, alle Mitglieder erfassendes Filtersystem einzurichten, um die unzulässige Nutzung musikalischer und audiovisueller Werke zu verhindern. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute entschieden (Aktenzeichen C-360/10). Das Urteil erging im Streit zwischen der belgischen Verwertungsgesellschaft SABAM, die Autoren, Komponisten und Herausgeber musikalischer Werke vertritt, und dem Social Network Netlog.

Nach Ansicht des obersten europäischen Gerichts verstieße solch eine Pflicht zum einen gegen das Verbot, Anbietern eine allgemeine Überwachungspflicht aufzuerlegen. Zum anderen widerspräche es der Anforderung, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Urheberrecht einerseits und der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen andererseits zu gewährleisten.

Netlog stellt jedem Nutzer einen persönlichen Bereich zur Verfügung, den er selbst mit Inhalten füllen kann. Dieses sogenannte Profil ist weltweit zugänglich. Auf ihrer Profilseite können Nutzer unter anderem ein Tagebuch führen, ihre Interessen und Vorlieben angeben, ihre Freunde vorstellen sowie Fotografien oder Videoausschnitte veröffentlichen. SABAM ist der Ansicht, Netlog biete Mitgliedern damit auch die Möglichkeit, urheberrechtlich geschützte musikalische und audiovisuelle Werke ohne Zustimmung von SABAM oder den Rechteinhabern zu verbreiten und ohne dass Netlog eine Vergütung entrichtet.

Um das zu verhindern klagte SABAM 2009: Netlog sollte dafür sorgen, dass keine urheberrechtlich geschützten Werke aus dem Repertoire von SABAM mehr über die Plattform verbreitet werden. Netlog lehnt das ab. Es verteidigte sich damit, dass das Ansinnen von SABAM dazu führe, dass ihm eine allgemeine Überwachungspflicht auferlegt würde. Das aber sei nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. Juni 2000 verboten. Daher hat das mit der Sache befasste belgische Gericht den Europäischen Gerichtshof angerufen.

Der hat festgestellt, dass Netlog auf seinen Servern Informationen speichert, die von Nutzern der Plattform eingegeben werden und mit ihrem Profil in Zusammenhang stehen. Somit sei Netlog ein Hosting-Anbieter im Sinne des Unionsrechts. Die Einführung des von SABAM verlangten Filtersystems bedeute, dass der Hosting-Anbieter unter sämtlichen Dateien, die von Nutzern auf seinen Servern gespeichert werden, diejenigen ermittelt, die Werke enthalten können, an denen Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums Rechte zu haben behaupten. Zum anderen müsste der Hosting-Anbieter prüfen, welche dieser Dateien in unzulässiger Weise gespeichert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Schließlich müsste er die Zurverfügungstellung der als unzulässig eingestuften Dateien blockieren.

„Eine solche präventive Überwachung würde eine aktive Beobachtung der von den Nutzern bei dem Betreiber des Sozialen Netzes gespeicherten Dateien erfordern. Daraus folgt, dass das Filtersystem den Betreiber zu einer allgemeinen Überwachung der bei ihm gespeicherten Informationen verpflichten würde, was nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten ist“, so das Gericht in einer Pressemitteilung zu dem Urteil.

Laut EuGH würde ein Filtersystem bedeuten, dass im Interesse der Inhaber von Urheberrechten sämtliche der zumindest der größte Teil der bei dem Hosting-Anbieter gespeicherten Informationen überwacht würden. Eine solche Anordnung führe zu einer deutlichen Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit von Netlog, da sie den Plattformbetreiber verpflichte, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf seine Kosten betriebenes Informatiksystem einzurichten.

Die Richter weisen zudem darauf hin, dass das Filtersystem auch Grundrechte der Nutzer beeinträchtigen kann. Ausdrücklich nennen sie das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und das Recht auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen.

Für SABAM ist es innerhalb kurzer Zeit die zweite Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof. Im November 2011 hatte das Gericht im Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft und dem belgischen Provider ISP Scarlet ähnlich entschieden wie jetzt: Internet Service Provider dürften in der EU nicht dazu verpflichtet werden, Filesharing zu filtern und zu unterdrücken. Auch damals wurde das Urteil damit begründet, dass das Filtersystem den Provider verpflichten würde, eine aktive Überwachung sämtlicher Daten aller seine Kunden vorzunehmen, was nach Artikel 15 Absatz 1 der EU-Richtlinie 2000/31 verboten ist.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat das Urteil in einer ersten Stellungnahme begrüßt: Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf das in der E-Commerce-Richtline verankerte Verbot der vorbeugenden Überwachung von Inhalten stärke es der Providerbranche den Rücken. „Das Urteil bringt Rechtssicherheit für die europäischen Provider und bestätigt noch einmal ausdrücklich, dass Hosting-Provider nicht für Inhalte haften, von denen sie keine Kenntnis haben“, so Oliver Süme, eco-Vorstand für Politik, Recht und Regulierung in einer Pressemitteilung. Das Verbot von Filter-Technologien zur Überwachung von Kundendaten sei eine endgültige Absage an die Forderung nach solchen Systemen, mit denen Provider zur Überwachung ihrer Kundendaten gezwungen werden sollen.

„Das Urteil dürfte auch Usenet-Betreibern und One-Click-Hostern wie Rapidshare neuen Aufwind geben“, erklärt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke. „Bislang haben einige Gerichte in Deutschland die Meinung vertreten, dass solche globalen Filtersysteme selbst dann eingeführt werden müssten, wenn dadurch das Geschäftsmodell eines Hosting-Anbieters gefährdet würde. Diese Urteile dürften nun nicht mehr haltbar sein.“

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