Consumerisierung der IT: Langsam wird es ernst

Nach Ansicht der Experton Group stecken viele IT-Abteilungen nach wie vor in einem Dilemma: Die geschäftliche Nutzung von iPads und iPhones wird nach Schätzung der Analysten in diesem Jahr jeweils um rund 40 Prozent zulegen. Die interne IT kann die daraus erwachsenden Aufgaben hinsichtlich Integration, Management und Sicherheit aber mit den vorhandenen Strukturen nicht erfüllen. Außerdem fehle es für die Integration von Tablet-PCs und das Management heterogener Infrastrukturen schlichtweg auch an personellen Ressourcen erklärt Wolfgang Schwab, Senior Advisor & Program Manager bei der Experton Group unter Hinweis auf eien Umfrage seines Unternehmens.

„Das ist nicht verwunderlich. Jahrelang wurde das Management des Arbeitsplatzes an Dienstleister ausgelagert oder auf einem veralteten Level und ohne die Integration von Innovationen fortgeführt. Die Geschäftsleitung, die in der Vergangenheit aus Kostengründen auf Outsourcing gedrängt hat, will jetzt iPads und iPhones nutzen“, so Schwab weiter.

Wolfgang Schwab (Bild: Experton Group).
Wolfgang Schwab (Bild: Experton Group).

„In der Mehrzahl der Firmen heißt es derzeit aber trotzdem noch: Gucken, aber nicht anfassen“, sagt Christian Klöppel, Leiter des Mobile Business Center of Excellence beim IT-Dienstleister CSC. Allerdings wüssten die Unternehmen, dass da etwas auf sie zukomme – spätestens seit dem Start des iPad 2. „Den meisten ist klar, dass etwas passiert, was sich nicht aufhalten lässt. Sie haben aber die Frage noch nicht geklärt, wie sie damit umgehen und wie sie sich positionieren.“

Fachabteilungen verlangen iPads und Apps

Ein Weg, auf dem iPads in die Firmen kommen, ist laut Schwab durch die Fachabteilungen. Die würden durchaus versuchen, darauf aufbauend vernünftige Lösungen zu stricken und weniger Wert auf die reine Repräsentation legen. Zwar gibt es auch schon zahlreiche Apps für Firmennutzer, aber im Moment dominierten zumindest in den lösungsorientiert denkenden Fachabteilungen noch Eigenentwicklungen. Dadurch spielen auch Kosten eine wichtige Rolle: Aufwendungen für die Bereitstellung und Anpassung von Applikationen für Tablet-PCs sind für 78 Prozent der von Experton Befragten ein Grund, iPads nicht einzusetzen.

Tobias Geber-Jauch, CTO Managed Services Factory bei Computacenter, sieht, dass viele seiner Kunden mit dem Gedanken an eigene Apps spielen. Er hält es grundsätzlich jedoch nicht für sinnvoll, dass IT-Abteilungen eigene Apps programmieren, ja sie überhaupt einzusetzen sei nur in besonderern Anwendungsfällen empfehlenswert. „Der Grundgedanke beim iPad ist, dass Anwender es so nutzen sollen, dass es sie produktiver macht. Das bringt schon in einem Unternehmen aufgrund der ganz unterschiedlichen Nutzerprofile eine hohe Anwendungsvielfalt mit sich.“

Laut CSC-Sprecher Klöppel haben Einzelne in den Firmen durchaus Bedarf an Lösungen auf dem iPad. „Das ist vor allem dann der Fall, wenn es um konkrete Geschäftsprozesse wie eine Reisegenehmigung, einen Urlaubsantrag oder andere Genehmigungsprozesse geht.“ In vielen Firmen dauerten die einfach zu lange, behinderten dadurch aber andere Abläufe. „Wenn sie dem Zuständigen in ansprechenderer Form als bisher präsentiert werden und ihm die Abarbeitung leicht gemacht wird, funktioniert die Mobilisierung von Geschäftsprozessen.“

Wert eigenentwickelter Apps fraglich

Geber-Jauch erinnert daran, dass Firmen eher eine Mobil- statt einer reinen iPad-Strategie entwickeln sollten. Denn wenn über kurz oder lang vermehrt Geräte ohne iOS in den Firmen Einzug halten, könne sich aus dem anfangs überschaubaren Investment schnell ein Faß ohne Boden entwickeln, etwa wenn es gilt, die App für unterschiedliche Plattformen oder Betriebssystemstände anzupassen und aktuell zu halten. „Diese Unwägbarkeit würde ich mir nicht antun wollen“, so Geber-Jauch.

Tobias Geber-Jauch, CTO Managed Services Factory bei Computacenter (Bild: Computacenter)
Tobias Geber-Jauch, CTO Managed Services Factory bei Computacenter (Bild: Computacenter)

Alternativ sollten Firmen lieber mit einigen der inzwischen in die hunderttausende gehenden Apps auf dem Markt arbeiten oder darauf setzen, für vorhandene Anwendungen ein Web-Interface zu entwickeln, um mit dem Browser auf sie zugreifen zu können. „Eigene Apps lohnen sich vor allem in Branchen mit Individualapplikationen. Ein Beispiel sind Versicherungen. Aber auch dort ist die App oft nur ein Interface, das den Zugriff auf eine dahinterliegende Software erlaubt und erleichtert.“

Klöppel sieht das aus seiner Erfahrung heraus ähnlich. „Mobile ist in aller Munde. Die Softwareersteller wollen da mitspielen. Schließlich will keiner der Letzte sein, der auf den Zug aufspringt, und inzwischen haben eigentlich auch alle zumindest einige Angebote, etwa für Mobile Reporting.“ Oft seien die Apps zudem kostenlos, schließlich sähen die Hersteller sie als Werbung für ihre eigentlichen Kernprodukte und als Beweis ihrer Leistungs- und Innovationsfähigkeit.

Beispielsweise will SAP bis Ende 2011 noch 50 Apps auf den Markt bringen. Die lassen sich von SAP-Kunden meist kostenlos nutzen. Nach Ansicht von Klöppel sind das aber eher Appetithäppchen: „Diese Apps seh ich eher als Ideengeber. Viele Kunden werden sie sehen und sagen ’so etwas will ich auch‘.“ Das dann möglich zu machen, sei für SAP ein durchaus lohnendes Geschäft, die Standard-App könne man dabei getrost kostenlos abgeben.

Fazit

Experton-Analyst Schwab sieht derzeit wenig Alternativen zum iPad: „Windows Mobile 7 kann man komplett vergessen. Auch zusammen mit Nokia wird es nichts mehr. Windows 8 hat ein paar vernünftige Features, die es vielleicht enterprisefähig machen. Als Anwender wäre ich aber noch vorsichtig.“

Computacenter-Mitarbeiter Geber-Jauch ist etwas optimistischer für die Redmonder: „Eine Chance hat Microsoft immer. Die aktuelle Mobilversion von Microsoft ist allerdings nicht businessfähig. Aber Microsoft hat genug Potenzial, um das künftig zu ändern.“ Für Android sieht er dadurch Schwierigkeiten, dass die einzelnen Hardwareanbieter mit unterschiedlichen Versionen an den Markt gehen. Dadurch mache sich ein Anwenderunternehmen von einem Hersteller abhängig – oder hole sich eine erhebliche Kopmplexität ins Haus.

Zwar geht manches deutlich langsamer, als von Anbietern und Marktauguren prognostiziert, aber die Entwicklung nimmt ihren Lauf: „Die Zurückhaltung der IT-Abteilungen ist verständlich, aber auf Dauer werden sie sich dem Anwenderdruck kaum entziehen können. Wenn die IT-Abteilungen Themen wie Security, Infrastruktur, Ressourcen oder Kosten intern nicht bewältigen können, dann kann eine externe Lösung der richtige Weg sein. Denn eines ist klar: ‚Consumerization der IT‘, ‚Bring your own Device‘ und ‚Mobility‘ sind Trends, die nicht aufzuhalten sind“, so Experton-Advisor Schwab.

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1 Kommentar zu Consumerisierung der IT: Langsam wird es ernst

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  • Am 27. September 2011 um 10:38 von schulte

    Das ist nur eine Seite der Medaille
    Ein in meinen Augen ebenfalls nicht unwesentlicher Punkt ist der kulturelle Unterschied zwischen IT und Anwendern.
    Während der Anwender und vor allem die der Wertschöpfungskette eher die optisch ansprechenden Lösungen favorisieren – exemplarisch hier mal iOS – wird die IT im Keller eher die Linux-Fraktion vertreten.
    GUIs gelten bei vielen ITlern immer noch als Beweis der Unfähigkeit mit einem Computer umgehen zu können – quasi „Computern mit Stützrädern“.

    Das wirkliche Problem sehe ich aber darin, dass mit den privaten Geräten auch die persönliche Einstellung im Umgang mit Daten in das Unternehmen getragen wird – MEIN Gerät gleich MEINE Daten!
    Wie soll ich Sicherheitsrichtlinien auf einem persönlichen iPad oder Android-Phone installieren und kontrollieren?
    Wer ist für so eingeschleppte Schadsoftware verantwortlich zu machen?

    Nicht nur bei Microsoft (anderer Artikel) plappern – Entschuldigung – twittern Angestellte munter öffentlich über Interna und vertreten das Unternehmen in unabgestimmter und unautorisierter Form.
    Es gibt tatsächlich Abgeordnete im Bundestag, die Ergebnisse einer Wahl noch vor der offiziellen Veröffentlichung ins Netz stellen, oder Mitarbeiter aus dem Umfeld von US-Ministern, die in Twitter mitteilen, dass und wo man sich gerade im Irak auf einer Geheimmission befindet.

    Dieses Verhalten ist nicht auf solche Einzelfälle beschränkt. Die Generation, die genau die Einführung dieser Geräte forciert und sich selbst stolz „digital natives“ nennt, wird nicht nur von mir mehrheitlich den „digital naives“ zugeordnet – ein Wortspiel, dass leider nicht von mir kommt.
    In meinen Kursen zum Thema Computersicherheit sitzen genügend Teilnehmer, die die IT-technische Kompetenz einer Person an der Anzahl der Facebook-Freunde bemessen!

    Ich spreche jedem(!) den verantwortungsvollen Umgang mit heiklen Daten ab, da er/sie im Zweifel eben nicht dafür verantwortlich gemacht werden wird, sondern eben und berechtigterweise die Unternehmen und Personen, die zugelassen haben, dass dies passieren konnte!

    In den USA gibt es viele Gerichtsverfahren zu den Themen Gebrauchsmuster- und Urheberrecht oder der vorbörslichen Veröffentlichung von geschäftsrelevanten Daten, bei denen das persönliche Verhalten von Mitarbeitern im Umgang mit internen Daten eine wichtige Rolle spielt.

    Wo und vor allem wie soll ich in meinem Unternehmen da die Grenze ziehen?

    Gruß
    schulte

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