Web-Apps und native Apps: ein Vergleich

Mit der zunehmden Verbreitung von Smartphones ändert sich auch die Internetnutzung: Der mobile Zugriff wird immer wichtiger. Anbieter stellt das vor die Frage, wie sie dem Bedarf Rechnung tragen sollen. Doug Heise wägt im Gastbeitrag für ZDNet die Argumente für Web-Apps und native Apps ab.

Seit sich das mobile Internet als wichtiger Kanal für Online-Konsumenten und Marken etabliert hat, gibt es die Diskussion über die beste Methode zur Entwicklung mobiler Applikationen. Kürzlich hat etwa Nokias US-Chef Chris Weber die Diskussion darüber mit der Aussage erneut angefacht, dass das App-Konzept – womit er native Apps meinte – veraltet sei. In der Regel steht aber die Abwägung von Vor- und Nachteilen nativer versus Web-Apps im Zentrum der Debatte.

Für diejenigen, die mit dem Thema Apps nicht so vertraut sind: Mobile Web-Apps können durch den Browser von gängigen Smartphones, Tablets oder anderen mobilen Geräten aus aufgerufen werden. Im Gegensatz dazu sind native Apps speziell auf bestimmte Geräte oder Software zugeschnitten. Handhabung und Vermarktung nativer Apps für eine immer größere Vielfalt an Plattformen und Geräten ist daher sehr zeitaufwändig und kostenintensiv.

Gleichzeitig gibt es immer noch eine große Kluft zwischen Funktionalität und User-Erfahrung mit Web-Apps. Gute Web-Apps können anstatt der Standard-Web-Erfahrung das „Touch and Feel“ nativer Apps vermitteln, wie sie beispielsweise von Apple via i-Tunes vertrieben werden. Außerdem liefern sie nahezu alle wünschenswerten Features der nativen Variante.

Doug Heise ist ist Product Marketing Director bei CoreMedia und Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet (Bild: CoreMedia).
Doug Heise ist ist Product Marketing Director bei CoreMedia und Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet (Bild: CoreMedia).

Ein gutes Beispiel für die große Funktionalität von Web-Apps liefert der Navigationsservice für öffentliche Verkehrsmittel NextMuni. Ursprünglich wurde die Website entwickelt, um die einzelnen Fahrzeuge des Liniennetzes in San Francisco über GPS zu verfolgen. Anstatt bei schlechtem Wetter lange an der Haltestelle auf den Bus warten zu müssen, können Fahrgäste inzwischen auf der Website den exakten Ankunftszeitpunkt für ihr gewünschtes Transportmittel erfahren, ohne vorher umständlich danach zu suchen.

Davon hat sich offenbar auch die S-Bahn Münchnen inspirieren lassen. Sie zeigt seit ein paar Wochen auf einer Website mit Integration von Google Maps ebenfalls den augenblicklichen Standort der Züge an. Entsprechende Apps für iOS und Android sind seit Anfang August verfügbar. Der bisher erreichte Gewinn an Funktionalität für mobile Verbraucher ist aber lange noch nicht ausgeschöpft. Die beiden Beispiele spiegeln nur einen Bruchteil des Möglichen wider.

Was können Web-Apps?

Durch die Verwendung von HTML5, Java und bestimmten Werkzeugen für das Web Content Management (WCM) können die Web-App-Entwickler von NextMuni und anderen Firmen nun komplexe Funktionen, die vorher nur mit nativen Apps möglich waren, in Web-Apps integrieren:

  • Offline-Modus: Ermöglicht Usern das Browsen durch Daten wie Landkarten oder Busverbindungen, ohne dass eine bestehende Internetverbindung nötig ist.
  • E-Commerce: Native Apps sind bekannt für ihre Funktion zur Abwicklung von Zahlungen, populärstes Beispiel ist Groupon. Web-Apps beinhalten auch dieses Potenzial. Im Fall von NextMuni könnte eine E-Commerce-Funktion integriert werden, indem Pendler die Möglichkeit erhalten, über die App Monatsfahrkarten zu kaufen oder ihre Wertkarten aufzuladen.
  • Fotos und Videos: Android-Services ermöglichen die Aufnahme von Fotos und Videos in Web-Apps, genauso wie es mit nativen Apps möglich ist. Diese Funktionen werden derzeit auch für das iPhone entwickelt. Mit HTML5 und offenen Standards lassen sich Videos in Web-Apps besser managen, ohne dass eine Drittanwendung nötig ist. Diese Funktionen können für Social-Marketing-Kampagnen sehr hilfreich sein, die Nutzer dazu ermutigen sollen, Bilder und Videos hochzuladen.
  • Augmented Reality: Die Kamera im Smartphone kann weitaus mehr, als Fotos zu schießen. Die Grenzen der Augmented Reality, wie beispielsweise interaktive, geospezifische Daten zu einem Echtzeitfoto der aktuellen Umgebung zu erhalten, werden gerade erforscht. Es gibt derzeit schon einige native Apps auf dem Markt, die solche Eigenschaften gut integrieren. New Yorks Nearest Subway benutzt Augmented Reality, um die nahegelegenste U-Bahnstation zum aktuellen Aufenthaltsort zu finden. Mithilfe der Kamera wird die Umgebung erkannt und die passende Haltestelle bestimmt. Diese Funktion wird bald auch für Web-Apps möglich sein und könnte beispielsweise NextMuni benutzerfreundlich ergänzen.

Wie man Web-Apps baut und bedient

Die Möglichkeit der dynamischen Entwicklung, Verwaltung und Anwendung ist vielleicht die größte Herausforderung bei der Erstellung von Web-Apps. WCM-Systeme ermöglichen Unternehmen die Entwicklung einer einzelnen Web-App, die zu allen mobilen Plattformen kompatibel ist.

Moderne WCM-Systeme erkennen das Gerät des Nutzers und bieten ihm eine darauf zugeschnittene Web-Erfahrung, die die Möglichkeiten und Eigenschaften des jeweiligen Geräts perfekt für sich nutzt, ohne dass regelmäßige Updates nötig sind. Application Manager und Content Editoren können außerdem Vorschauoptionen der WCM-Plattform nutzen, um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie die Web-Erfahrung für den Verbraucher je nach genutztem Gerät sein wird, bevor diese live geschaltet wird.

Während die Aspekte der Entwicklung und des Managements von Web-Apps sicherlich reizvoll sind, stellt sich die Frage, welche Erfahrungen Verbraucher damit machen. Neben hoher Funktionalität wird auch vermehrt Personalisierung nachgefragt. Wenn Inhalte über mobile Services bezogen werden, ist die Erwartung in der Regel eine völlig andere, als beim Bezug über Desktop-PC oder Laptop. Mobile Anwender haben das Bedürfnis nach einer Onlineerfahrung, die zum Beispiel auf ihre aktuelle Umgebung, die Tageszeit oder soziale Kontakte abgestimmt ist.

Native Apps ermöglichen zwar in gewissem Maße eine Personalisierung, sie können aber nicht auf Abruf kontextuell auf die konkreten und situativen Bedürfnisse des Verbrauchers eingehen. Nur inhaltlich sensibilisierte WCM-Systeme können Informationen von verschiedenen Plattformen miteinander verknüpfen und damit immer personalisiert, relevant und zweckmäßig sein. Darin enthalten sind dann unter anderem Daten von CRM-Systemen, GPS-Informationen, Geräteigenschaften, Tages- und Jahreszeit, sowie Likes und Posts auf Social-Media-Plattformen.

Die „nativen“ Eigenschaften nativer Apps?

Obwohl Web-Apps mehr Funktionalität aufweisen als die meisten denken, gibt es ein paar neue Funktionen, die bisher nur native Apps aufweisen:

  • Gyroskop: Die Erfassung von Bewegung und Neigung durch ein Gyroskop funktioniert nur mit installierter Software wie auf dem iPhone.
  • Bluetooth: Diese Funktion können bisher nur native Apps ausführen.
  • Grafiken: Obwohl HTML5 große Fortschritte auf diesem Gebiet macht, werden Gamer bislang besser durch die Angebote nativer Apps zufriedengestellt.

Sind diese Eigenschaften von den Verbrauchern stark nachgefragt? Im Fall von NextMuni und der Hauptzielgruppe der App-Entwickler sicher nicht. Nichtsdestotrotz werden diese Funktionen derzeit auch für Web-Apps entwickelt. Man darf gespannt sein, was die Zukunft den Web-Apps noch bringt.

Die Zukunft liegt in den Web-Apps

Nun, da Web-Apps der nativen Alternative in fast nichts mehr nachstehen und sie in komplexeren und kontextabhängigen Aufgaben sogar überflügeln, hat sich die Kluft zwischen Funktionalität und User-Erfahrung fast geschlossen. Angesichts der großen finanziellen Ersparnisse, die Unternehmen mit Web-Apps gegenüber nativen Apps erzielen können, ist ein großer Zuwachs an Web-Apps die logische Folge. Schätzungen für das Jahr 2015 gehen von einem Marktvolumen für Web-App-Entwicklungsplattformen von 2,6 Milliarden Dollar aus. Fasst man die Vorteile der Kostenersparnisse, Managementmöglichkeiten und kontextabhängigen Funktionen von Web-Apps zusammen, sollte man vielleicht besser „Lebe wohl“ zu Apple und seinen nativen Gefährten sagen und den Blick in Richtung Web-App wenden.

AUTOR

Doug Heise ...

... ist Product Marketing Director bei CoreMedia, einem Anbieter von Web Content Management Software.

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9 Kommentare zu Web-Apps und native Apps: ein Vergleich

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  • Am 1. September 2011 um 16:10 von Maik Kluge

    mobile Web Apps
    Sehr interessanter Beitrag. Ich selbst beschäftige mich auch seit kurzem intensiver mit dem Thema der Web Apps und suche für meinen Blog (http://marketing-apps.blog.de/2011/09/01/mobile-web-apps-zukunftsweisend-11762255/) ständig neue Anregungen. Seien es aktuelle Studien und interessante neu entwicklete Apps.
    Besonders der Bereich mobile Commerce klingt sehr interessant. Damit werde ich mich mal etwas genauer befassen.
    Danke

  • Am 3. September 2011 um 15:03 von MARTINSFELD

    Web-Apps und native Apps: ein Vergleich
    Wer Web-Apps als native App auf iPhone, Android, Blackberry und Co. publizieren möchte, kann dies mit Hilfe von PhoneGap (http://www.phonegap.com) realisieren. Durch PhoneGap kann eine Web-App auch auf gerätespezifische Funktionen wie Bewegungssensor, Kamera etc. zugreifen. Ein interessantes Konzept um auf Basis von Web-Technologien Apps zu erstellen.

    • Am 30. September 2011 um 12:58 von Jan

      AW: Web-Apps und native Apps: ein Vergleich
      kurze Frage eines Anfängers zu PhoneGap: Die WebApp die auf meine iPhone Kamera zugreift wird im mobile Safari ausgeführt/aufgerufen? oder wandelt PhoneGap mein WebApp in eine native App?

      • Am 6. Januar 2012 um 13:00 von Alex

        AW: Web-Apps und native Apps: ein Vergleich
        es wandelt die Daten zu einer Nativen App um, aber um dies auch für iPhone zu machen benötigt man ein Zertifikat von Apple und das kostet Geld.

  • Am 26. März 2012 um 17:09 von Markus

    Web App Depot
    Um die Kluft zwischen Web App und Kunden zu überbrücken, habe ich das Projekt Web App Depot aufgebaut: http://www.web-app-depot.de. Dort können Web Apps gesammelt werden.

  • Am 28. November 2012 um 17:32 von Pete

    Vor kurzem stand ich vor der Entscheidung eine Browser-Anwendung die bisher nur für den Desktop Anwendung optimiert war, auf mobile Plattformen zu portieren.

    Angesichts der Kosten und Zeit habe ich mich für eine WebApp entschieden und ich denke so geht es vielen anderen. Dank Neuerungen von HTML, CSS und Co. wird es zudem immer komfortabler.

  • Am 11. April 2014 um 10:26 von Christian Daniel

    Seit einiger Zeit entwickelt unsere Firma (www.10Geeks.com) mobile Apps für Kunden, aber auch eigene Produkte. Wir haben uns mit vielen Web-App Frameworks auseinander gesetzt. Doch leider sind wir immer wieder (teilweise recht schnell) an die Grenzen des machbaren gestoßen.
    Daher setzen wir inzwischen auf Plattform-Unabhängige Entwicklungsframeworks (wie z.B. Xamarin). Mit dieses Frameworks ist es Möglich native Apps für alle gängigen mobilen Betriebssysteme zu entwickeln ohne dabei auf jede Eigenheit des jeweiligen Systems eingehen zu müssen. Wir nutzen die Vorteile der nativen Welt und müssen das Projekt dennoch nur ein einziges mal umsetzen.

  • Am 27. Januar 2015 um 16:18 von Johanna

    Vielen Dank für den sehr informativen Artikel. Auch wenn der Beitrag schon etwas älter ist, ist die Thematik noch immer aktuell. Allerdings hat sich seit 2011 viel getan.
    Was oben bereits angedeutet wurde und mit PhoneGap realisiert werden kann bezeichnen wir als Hybrid-App. Hybrid-Apps vereinen beide Entwicklungsansätze und nutzen von beidem die Vorteile. Auf Basis von Webtechnologien, wie HTML5, CSS3 und JavaScript werden Web-Apps gebaut, die in eine Art Container gebettet werden (mit Hilfe von PhoneGap) und dadurch zum einen in den App-Store zum Download bereitgestellt werden können und gleichzeitig Zugriff auf Hardware-Komponenten des mobilen Gerätes bekommen. Das Ergebnis ist eine nativ-wirkende App im App-Store, die auf allen mobilen Endgeräten genutzt werden kann.
    Bisher machten allerdings Performance-Schwierigkeiten alle anderen Vorteile zunichte, weshalb die Hybrid-App einen recht schlechten Ruf genoss. Doch auch dies hat sich mittlerweile geändert und somit steht sie den anderen App-Formaten in nichts mehr nach, sondern spielt statt dessen noch viel mehr alle Vorteile aus.
    Falls ihr noch mehr darüber wissen wollt, hier gibt es einen recht umfangreichen Artikel über Hybrid-Apps: flyacts.com/hybrid-app-2.0-status-quo-hybrider-entwicklungsansaetze

    Bei Fragen oder Problemen stehe ich euch gern zur Verfügung :)

    Beste Grüße,
    Johanna

  • Am 15. Juni 2015 um 15:48 von dit

    Wenn man eine billige und unprofessionelle Anwendung bauen, dann ist die Web-App die richtige Wahl. Egal mit welchen Argumenten die Web-App-macher daherkommen, eine Web-App ist immer eine halbherzige Lösung.

    Nativ bleibt nativ. Alles andere ist nur ein verzweifelter Versuch das Geld an der falschen Stelle zu sparen. Es wird nicht lange dauern bis ein Konkurrent eine native Alternative anbietet.

    Wenn man die erste Anwendung richtig konzipiert und implementiert hat, dann können ganz viele Softwareteile in anderen Projekten wiederverwendet werden. Argumente wie „Aber das geht doch viel schneller…“ dürfen nie eine tragende Rolle bei der Auswahl der Technologie spielen.

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